Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Einbildungskraft sind zu voll von Leiden und Kum-
mer, als daß er ihnen glauben kann. Alle Be-
weise, die jede ruhige Seele überzeugen konnten,
überzeugen ihn nicht: er ist zu vertraut mit den
Vorstellungen der Betrübniß, als daß er dem
Troste der Hofnung Raum geben könnte. Wor-
an er zweifelt, das macht ihm seine Phantasie
zur Gewißheit, und stürzt ihn dadurch in den
tiefsten Abgrund des Leidens.

-- -- -- -- So bin ich ohn' ihn denn? Jch
leb' und ich sterbe
Ach ohn' ihn? du schreckliche Nacht, die mich
ringsum einschließt.
Wehe mir! ohn' ihn! auf Gebirgen Gebirg' und
Abgrund,
Dicht an Abgrund, schreckliche Nacht! -- Mein
dunkles Gefühl, ach!
Warum quälest auch du mich: Er würde mir einst
noch mehr seyn,
Als er mir war? warum durchgräbst auch du mir
die Seele?
Bist du unsterblich, o Seel' in mir, o fallt mich
entflohne
Schwarze Zweifel, mit eurem Grimme nicht an,
und wüthet,
Wüthet nicht wieder! o die du in mir unsterblich
bist, Seele,
Tief,

Einbildungskraft ſind zu voll von Leiden und Kum-
mer, als daß er ihnen glauben kann. Alle Be-
weiſe, die jede ruhige Seele uͤberzeugen konnten,
uͤberzeugen ihn nicht: er iſt zu vertraut mit den
Vorſtellungen der Betruͤbniß, als daß er dem
Troſte der Hofnung Raum geben koͤnnte. Wor-
an er zweifelt, das macht ihm ſeine Phantaſie
zur Gewißheit, und ſtuͤrzt ihn dadurch in den
tiefſten Abgrund des Leidens.

— — — — So bin ich ohn' ihn denn? Jch
leb' und ich ſterbe
Ach ohn' ihn? du ſchreckliche Nacht, die mich
ringsum einſchließt.
Wehe mir! ohn' ihn! auf Gebirgen Gebirg' und
Abgrund,
Dicht an Abgrund, ſchreckliche Nacht! — Mein
dunkles Gefuͤhl, ach!
Warum quaͤleſt auch du mich: Er wuͤrde mir einſt
noch mehr ſeyn,
Als er mir war? warum durchgraͤbſt auch du mir
die Seele?
Biſt du unſterblich, o Seel' in mir, o fallt mich
entflohne
Schwarze Zweifel, mit eurem Grimme nicht an,
und wuͤthet,
Wuͤthet nicht wieder! o die du in mir unſterblich
biſt, Seele,
Tief,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0298" n="274"/>
Einbildungskraft &#x017F;ind zu voll von Leiden und Kum-<lb/>
mer, als daß er ihnen glauben kann. Alle Be-<lb/>
wei&#x017F;e, die jede ruhige Seele u&#x0364;berzeugen konnten,<lb/>
u&#x0364;berzeugen ihn nicht: er i&#x017F;t zu vertraut mit den<lb/>
Vor&#x017F;tellungen der Betru&#x0364;bniß, als daß er dem<lb/>
Tro&#x017F;te der Hofnung Raum geben ko&#x0364;nnte. Wor-<lb/>
an er zweifelt, das macht ihm &#x017F;eine Phanta&#x017F;ie<lb/>
zur Gewißheit, und &#x017F;tu&#x0364;rzt ihn dadurch in den<lb/>
tief&#x017F;ten Abgrund des Leidens.</p><lb/>
            <cit>
              <quote>&#x2014; &#x2014; &#x2014; &#x2014; So bin ich ohn' ihn denn? Jch<lb/><hi rendition="#et">leb' und ich &#x017F;terbe</hi><lb/>
Ach ohn' ihn? du &#x017F;chreckliche Nacht, die mich<lb/><hi rendition="#et">ringsum ein&#x017F;chließt.</hi><lb/>
Wehe mir! ohn' ihn! auf Gebirgen Gebirg' und<lb/><hi rendition="#et">Abgrund,</hi><lb/>
Dicht an Abgrund, &#x017F;chreckliche Nacht! &#x2014; Mein<lb/><hi rendition="#et">dunkles Gefu&#x0364;hl, ach!</hi><lb/>
Warum qua&#x0364;le&#x017F;t auch du mich: Er wu&#x0364;rde mir ein&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">noch mehr &#x017F;eyn,</hi><lb/>
Als er mir war? warum durchgra&#x0364;b&#x017F;t auch du mir<lb/><hi rendition="#et">die Seele?</hi><lb/>
Bi&#x017F;t du un&#x017F;terblich, o Seel' in mir, o fallt mich<lb/><hi rendition="#et">entflohne</hi><lb/>
Schwarze Zweifel, mit eurem Grimme nicht an,<lb/><hi rendition="#et">und wu&#x0364;thet,</hi><lb/>
Wu&#x0364;thet nicht wieder! o die du in mir un&#x017F;terblich<lb/><hi rendition="#et">bi&#x017F;t, Seele,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Tief,</fw><lb/></quote>
            </cit>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0298] Einbildungskraft ſind zu voll von Leiden und Kum- mer, als daß er ihnen glauben kann. Alle Be- weiſe, die jede ruhige Seele uͤberzeugen konnten, uͤberzeugen ihn nicht: er iſt zu vertraut mit den Vorſtellungen der Betruͤbniß, als daß er dem Troſte der Hofnung Raum geben koͤnnte. Wor- an er zweifelt, das macht ihm ſeine Phantaſie zur Gewißheit, und ſtuͤrzt ihn dadurch in den tiefſten Abgrund des Leidens. — — — — So bin ich ohn' ihn denn? Jch leb' und ich ſterbe Ach ohn' ihn? du ſchreckliche Nacht, die mich ringsum einſchließt. Wehe mir! ohn' ihn! auf Gebirgen Gebirg' und Abgrund, Dicht an Abgrund, ſchreckliche Nacht! — Mein dunkles Gefuͤhl, ach! Warum quaͤleſt auch du mich: Er wuͤrde mir einſt noch mehr ſeyn, Als er mir war? warum durchgraͤbſt auch du mir die Seele? Biſt du unſterblich, o Seel' in mir, o fallt mich entflohne Schwarze Zweifel, mit eurem Grimme nicht an, und wuͤthet, Wuͤthet nicht wieder! o die du in mir unſterblich biſt, Seele, Tief,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/298
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/298>, abgerufen am 22.11.2024.