Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>


Liebe aus ihrem Bilde wegwischt, und nichts, als
Härte, Grausamkeit und Ungerechtigkeit in ihr
wahrnimmt.

Wie oft hat die Vernunft das Unrecht abzu-
bitten, was die Phantasie an dem Freund that.
Ein schwacher, schwacher Schein von unfreund-
licher Gesinnung, wie oft macht er das Auge
blind gegen eine große Menge wahrhafter Wohl-
thaten der Freundschaft!

So oft macht uns die Phantasie den Schein
zur Wahrheit, und die Wahrheit zum Schein!

Und wir sollten uns auf Kosten unsrer Ruhe
so oft von ihr bethören lassen? -- Nein --
erhebe dich Vernunft und sinne auf Mittel diese
Betrügereyen der Phantasie zu zernichten.

Die Einbildungskraft wirkt auf das Herz
durch die Vorstellungen, welche sie am häufigsten
und lebhaftesten unterhält, und mit andern ver-
knüpfet. Sind diese Vorstellungen nun von an-
genehmen Jnhalt, so werden sie das Herz erfreuen;
von unangenehmen, betrüben.

"Bemühe dich daher zu Vertrauten dei-
ner Phantasie solche Vorstellungen zu ma-
chen, in welchen du dich als ein glückseliges
Wesen und alles um dich her als eine Quelle
deiner Glückseligkeit erblickst."

Und solltest du hiezu nicht Stoff genug
finden? Schau um dich her mit Wahrheit su-

chen-


Liebe aus ihrem Bilde wegwiſcht, und nichts, als
Haͤrte, Grauſamkeit und Ungerechtigkeit in ihr
wahrnimmt.

Wie oft hat die Vernunft das Unrecht abzu-
bitten, was die Phantaſie an dem Freund that.
Ein ſchwacher, ſchwacher Schein von unfreund-
licher Geſinnung, wie oft macht er das Auge
blind gegen eine große Menge wahrhafter Wohl-
thaten der Freundſchaft!

So oft macht uns die Phantaſie den Schein
zur Wahrheit, und die Wahrheit zum Schein!

Und wir ſollten uns auf Koſten unſrer Ruhe
ſo oft von ihr bethoͤren laſſen? — Nein —
erhebe dich Vernunft und ſinne auf Mittel dieſe
Betruͤgereyen der Phantaſie zu zernichten.

Die Einbildungskraft wirkt auf das Herz
durch die Vorſtellungen, welche ſie am haͤufigſten
und lebhafteſten unterhaͤlt, und mit andern ver-
knuͤpfet. Sind dieſe Vorſtellungen nun von an-
genehmen Jnhalt, ſo werden ſie das Herz erfreuen;
von unangenehmen, betruͤben.

„Bemuͤhe dich daher zu Vertrauten dei-
ner Phantaſie ſolche Vorſtellungen zu ma-
chen, in welchen du dich als ein gluͤckſeliges
Weſen und alles um dich her als eine Quelle
deiner Gluͤckſeligkeit erblickſt.„

Und ſollteſt du hiezu nicht Stoff genug
finden? Schau um dich her mit Wahrheit ſu-

chen-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0291" n="267"/><lb/>
Liebe aus ihrem Bilde wegwi&#x017F;cht, und nichts, als<lb/>
Ha&#x0364;rte, Grau&#x017F;amkeit und Ungerechtigkeit in ihr<lb/>
wahrnimmt.</p><lb/>
            <p>Wie oft hat die Vernunft das Unrecht abzu-<lb/>
bitten, was die Phanta&#x017F;ie an dem Freund that.<lb/>
Ein &#x017F;chwacher, &#x017F;chwacher <hi rendition="#b">Schein</hi> von unfreund-<lb/>
licher Ge&#x017F;innung, wie oft macht er das Auge<lb/>
blind gegen eine große Menge wahrhafter Wohl-<lb/>
thaten der Freund&#x017F;chaft!</p><lb/>
            <p>So oft macht uns die Phanta&#x017F;ie den Schein<lb/>
zur Wahrheit, und die Wahrheit zum Schein!</p><lb/>
            <p>Und wir &#x017F;ollten uns auf Ko&#x017F;ten un&#x017F;rer Ruhe<lb/>
&#x017F;o oft von ihr betho&#x0364;ren la&#x017F;&#x017F;en? &#x2014; Nein &#x2014;<lb/>
erhebe dich Vernunft und &#x017F;inne auf Mittel die&#x017F;e<lb/>
Betru&#x0364;gereyen der Phanta&#x017F;ie zu zernichten.</p><lb/>
            <p>Die Einbildungskraft wirkt auf das Herz<lb/>
durch die Vor&#x017F;tellungen, welche &#x017F;ie am ha&#x0364;ufig&#x017F;ten<lb/>
und lebhafte&#x017F;ten unterha&#x0364;lt, und mit andern ver-<lb/>
knu&#x0364;pfet. Sind die&#x017F;e Vor&#x017F;tellungen nun von an-<lb/>
genehmen Jnhalt, &#x017F;o werden &#x017F;ie das Herz erfreuen;<lb/>
von unangenehmen, betru&#x0364;ben.</p><lb/>
            <p>&#x201E;<hi rendition="#b">Bemu&#x0364;he dich daher zu Vertrauten dei-<lb/>
ner Phanta&#x017F;ie &#x017F;olche Vor&#x017F;tellungen zu ma-<lb/>
chen, in welchen du dich als ein glu&#x0364;ck&#x017F;eliges<lb/>
We&#x017F;en und alles um dich her als eine Quelle<lb/>
deiner Glu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit erblick&#x017F;t.</hi>&#x201E;</p><lb/>
            <p>Und &#x017F;ollte&#x017F;t du hiezu nicht Stoff genug<lb/>
finden? Schau um dich her mit Wahrheit &#x017F;u-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">chen-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[267/0291] Liebe aus ihrem Bilde wegwiſcht, und nichts, als Haͤrte, Grauſamkeit und Ungerechtigkeit in ihr wahrnimmt. Wie oft hat die Vernunft das Unrecht abzu- bitten, was die Phantaſie an dem Freund that. Ein ſchwacher, ſchwacher Schein von unfreund- licher Geſinnung, wie oft macht er das Auge blind gegen eine große Menge wahrhafter Wohl- thaten der Freundſchaft! So oft macht uns die Phantaſie den Schein zur Wahrheit, und die Wahrheit zum Schein! Und wir ſollten uns auf Koſten unſrer Ruhe ſo oft von ihr bethoͤren laſſen? — Nein — erhebe dich Vernunft und ſinne auf Mittel dieſe Betruͤgereyen der Phantaſie zu zernichten. Die Einbildungskraft wirkt auf das Herz durch die Vorſtellungen, welche ſie am haͤufigſten und lebhafteſten unterhaͤlt, und mit andern ver- knuͤpfet. Sind dieſe Vorſtellungen nun von an- genehmen Jnhalt, ſo werden ſie das Herz erfreuen; von unangenehmen, betruͤben. „Bemuͤhe dich daher zu Vertrauten dei- ner Phantaſie ſolche Vorſtellungen zu ma- chen, in welchen du dich als ein gluͤckſeliges Weſen und alles um dich her als eine Quelle deiner Gluͤckſeligkeit erblickſt.„ Und ſollteſt du hiezu nicht Stoff genug finden? Schau um dich her mit Wahrheit ſu- chen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/291
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/291>, abgerufen am 02.05.2024.