Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.Hütte, die in der Nähe war, zu kommen. Noch Aber der Frevel seiner Töchter verzehrt bald "Kindlicher Undank! rief er aus, ist es nicht, alles *) 3. Aufz. 2. Auftr.
Huͤtte, die in der Naͤhe war, zu kommen. Noch Aber der Frevel ſeiner Toͤchter verzehrt bald „Kindlicher Undank! rief er aus, iſt es nicht, alles *) 3. Aufz. 2. Auftr.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0226" n="202"/> Huͤtte, die in der Naͤhe war, zu kommen. Noch<lb/> iſt der Koͤnig nicht ganz raſend: Bewußtſeyn<lb/> und Wahnſinn wechſeln ab in dem, was er zu<lb/> Kent ſpricht. Die Theilnehmung ſeines treuen<lb/> Begleiters haͤlt die Wirkungen des ſchrecklichen<lb/> Streichs, den die Undankbarkeit ſeiner Toͤchter<lb/> auf ſeine Vernunft gefuͤhrt hat, noch etwas auf.<lb/> Wie herzlich, wie feſt umfaßt der alte Mann,<lb/> der die ganze Welt wider ſich verſchworen glaubte,<lb/> ſeinen treuen Diener! Wie ſehr fuͤhlt er die<lb/> Wohlthat deſſelben! <cit><quote>„Jch habe nur noch ein<lb/> Stuͤck von meinem Herzen uͤbrig, ſo ſpricht er,<lb/> und das bedauert dich.„</quote></cit><note place="foot" n="*)">3. Aufz. 2. Auftr.</note></p><lb/> <p>Aber der Frevel ſeiner Toͤchter verzehrt bald<lb/> wieder das lindernde Heilmittel, welches die Theil-<lb/> nehmung des treuen Kents auf das in ſeinen fein-<lb/> ſten Falten angegriffene Herz des ungluͤcklichen<lb/> Lears gelegt hatte:</p><lb/> <cit> <quote>„Kindlicher Undank! rief er aus, iſt es nicht,<lb/> als wenn dieſer Mund dieſe Hand zernagen woll-<lb/> te, weil ſie ihm Speiſe gereicht hat? — Aber<lb/> ich will ſie auch empfindlich ſtrafen; nein, ich<lb/> will nicht mehr weinen. — Jn ſolch einer<lb/> Nacht mir die Thuͤren zu verſchließen! Stuͤrme<lb/> nur weiter, ich will es leiden! Jn ſolch einer<lb/> Nacht, wie dieſe! — O! Regan, Gonerill!<lb/> eurem alten, guten Vater, deſſen ehrliches Herz<lb/> <fw place="bottom" type="catch">alles</fw><lb/></quote> </cit> </div> </div> </body> </text> </TEI> [202/0226]
Huͤtte, die in der Naͤhe war, zu kommen. Noch
iſt der Koͤnig nicht ganz raſend: Bewußtſeyn
und Wahnſinn wechſeln ab in dem, was er zu
Kent ſpricht. Die Theilnehmung ſeines treuen
Begleiters haͤlt die Wirkungen des ſchrecklichen
Streichs, den die Undankbarkeit ſeiner Toͤchter
auf ſeine Vernunft gefuͤhrt hat, noch etwas auf.
Wie herzlich, wie feſt umfaßt der alte Mann,
der die ganze Welt wider ſich verſchworen glaubte,
ſeinen treuen Diener! Wie ſehr fuͤhlt er die
Wohlthat deſſelben! „Jch habe nur noch ein
Stuͤck von meinem Herzen uͤbrig, ſo ſpricht er,
und das bedauert dich.„ *)
Aber der Frevel ſeiner Toͤchter verzehrt bald
wieder das lindernde Heilmittel, welches die Theil-
nehmung des treuen Kents auf das in ſeinen fein-
ſten Falten angegriffene Herz des ungluͤcklichen
Lears gelegt hatte:
„Kindlicher Undank! rief er aus, iſt es nicht,
als wenn dieſer Mund dieſe Hand zernagen woll-
te, weil ſie ihm Speiſe gereicht hat? — Aber
ich will ſie auch empfindlich ſtrafen; nein, ich
will nicht mehr weinen. — Jn ſolch einer
Nacht mir die Thuͤren zu verſchließen! Stuͤrme
nur weiter, ich will es leiden! Jn ſolch einer
Nacht, wie dieſe! — O! Regan, Gonerill!
eurem alten, guten Vater, deſſen ehrliches Herz
alles
*) 3. Aufz. 2. Auftr.
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