wie vom Alter; in beyder Absicht elend! Wenn ihr es seyd, die dieser Töchter Herzen wider ihren Vater empören; o! so treibt euer grausames Spiel nicht so weit, daß ich es zahm, wie ein Thor, erdulde! Entzündet mich mit edlem Un- willen! O laßt nicht weibische Waffen, Wasser- tropfen, meine männliche Wangen beflecken! -- Nein, ihr unnatürlichen Unholde, ich will mich dergestalt an euch beyden rächen, daß alle Welt -- -- Jch will solche Dinge thun -- was es seyn wird, weiß ich selbst noch nicht; aber die ganze Erde soll sich davor entsetzen. Jhr denkt, ich werde weinen? Nein, ich werde nicht weinen. Ursache genug hab' ich zum weinen; aber ehe soll dies Herz in tausend Stücke brechen, eh ich wei- nen werde. -- O Narr, ich werde wahnsin- nig werden."
Drauf wendet sich der König, und geht mit seinem Narren in die vor dem Schloß liegende Häide. Die Nacht bricht ein. Die Winde rauschen gewaltig. Die Erde erbebt vom Don- ner, und wird vom Blitz zu einer Glut -- auf viele Meilen umher ist kein Gebüsch -- kein Mensch. -- Die Natur muß dem Dichter durch ihre Verwirrung die Verwirrung seines Helden beschleunigen helfen.
Jn dieser Nacht, die der König unter freyem Himmel empfinden mußte, weil seine Tochter ihm
ihr
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wie vom Alter; in beyder Abſicht elend! Wenn ihr es ſeyd, die dieſer Toͤchter Herzen wider ihren Vater empoͤren; o! ſo treibt euer grauſames Spiel nicht ſo weit, daß ich es zahm, wie ein Thor, erdulde! Entzuͤndet mich mit edlem Un- willen! O laßt nicht weibiſche Waffen, Waſſer- tropfen, meine maͤnnliche Wangen beflecken! — Nein, ihr unnatuͤrlichen Unholde, ich will mich dergeſtalt an euch beyden raͤchen, daß alle Welt — — Jch will ſolche Dinge thun — was es ſeyn wird, weiß ich ſelbſt noch nicht; aber die ganze Erde ſoll ſich davor entſetzen. Jhr denkt, ich werde weinen? Nein, ich werde nicht weinen. Urſache genug hab' ich zum weinen; aber ehe ſoll dies Herz in tauſend Stuͤcke brechen, eh ich wei- nen werde. — O Narr, ich werde wahnſin- nig werden.„
Drauf wendet ſich der Koͤnig, und geht mit ſeinem Narren in die vor dem Schloß liegende Haͤide. Die Nacht bricht ein. Die Winde rauſchen gewaltig. Die Erde erbebt vom Don- ner, und wird vom Blitz zu einer Glut — auf viele Meilen umher iſt kein Gebuͤſch — kein Menſch. — Die Natur muß dem Dichter durch ihre Verwirrung die Verwirrung ſeines Helden beſchleunigen helfen.
Jn dieſer Nacht, die der Koͤnig unter freyem Himmel empfinden mußte, weil ſeine Tochter ihm
ihr
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wie vom Alter; in beyder Abſicht elend! Wenn
ihr es ſeyd, die dieſer Toͤchter Herzen wider ihren
Vater empoͤren; o! ſo treibt euer grauſames
Spiel nicht ſo weit, daß ich es zahm, wie ein
Thor, erdulde! Entzuͤndet mich mit edlem Un-
willen! O laßt nicht weibiſche Waffen, Waſſer-
tropfen, meine maͤnnliche Wangen beflecken! —
Nein, ihr unnatuͤrlichen Unholde, ich will mich
dergeſtalt an euch beyden raͤchen, daß alle Welt
— — Jch will ſolche Dinge thun — was es
ſeyn wird, weiß ich ſelbſt noch nicht; aber die
ganze Erde ſoll ſich davor entſetzen. Jhr denkt,
ich werde weinen? Nein, ich werde nicht weinen.
Urſache genug hab' ich zum weinen; aber ehe ſoll
dies Herz in tauſend Stuͤcke brechen, eh ich wei-
nen werde. — O Narr, ich werde wahnſin-
nig werden.„
Drauf wendet ſich der Koͤnig, und geht mit
ſeinem Narren in die vor dem Schloß liegende
Haͤide. Die Nacht bricht ein. Die Winde
rauſchen gewaltig. Die Erde erbebt vom Don-
ner, und wird vom Blitz zu einer Glut — auf
viele Meilen umher iſt kein Gebuͤſch — kein
Menſch. — Die Natur muß dem Dichter
durch ihre Verwirrung die Verwirrung ſeines
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Jn dieſer Nacht, die der Koͤnig unter freyem
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/223>, abgerufen am 02.05.2024.
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