Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Gegenstände er durch Gebehrden und Minen zu
bestimmen suchen mußte. So hatte er für den
Schmerz wahrscheinlich nur einen allgemeinen
Ton; um die besondern Arten desselben auszudrü-
cken, konnte er die bey dem Schmerze selbst vor-
gekommenen Verziehungen seines Gesichts oder
eines andern Theils des Körpers, wiederholen,
und den Gegenstand zeigte er entweder, wenn
derselbe oder ein ähnlicher gegenwärtig war; oder
zeichnete ihn, so gut er konnte, wenn er sich
nicht mehr vor seinen Augen befand.

Sobald man nur erst durch Versuche die
Möglichkeit eingesehn hatte, Gegenstände durch
hörbare Zeichen darzustellen, und für sich selber
zu merken; so mußte Ein Versuch von selbst schon
den Andern herbeyführen, man mußte nun bald
darauf kommen, die verschiednen Grade der
Empfindungen und solche Gegenstände, welche
für das Ohr wahrnehmbare Merkmale hatten,
durch Töne zu unterscheiden. Den verschiednen
Grad der Empfindung konnte die Höhe oder Tie-
fe, die Stärke oder Schwäche des Tones bezeich-
nen: die auch für das Gehör existirenden Natur-
dinge, diejenigen Laute, welche von ihnen gehört
wurden. So drückt das Kind, dem die Spra-
che noch ihre Dienste versagt, den Ochsen durch
ein Bu und das Schaaf durch ein Bä aus.

Nun
K 3

Gegenſtaͤnde er durch Gebehrden und Minen zu
beſtimmen ſuchen mußte. So hatte er fuͤr den
Schmerz wahrſcheinlich nur einen allgemeinen
Ton; um die beſondern Arten deſſelben auszudruͤ-
cken, konnte er die bey dem Schmerze ſelbſt vor-
gekommenen Verziehungen ſeines Geſichts oder
eines andern Theils des Koͤrpers, wiederholen,
und den Gegenſtand zeigte er entweder, wenn
derſelbe oder ein aͤhnlicher gegenwaͤrtig war; oder
zeichnete ihn, ſo gut er konnte, wenn er ſich
nicht mehr vor ſeinen Augen befand.

Sobald man nur erſt durch Verſuche die
Moͤglichkeit eingeſehn hatte, Gegenſtaͤnde durch
hoͤrbare Zeichen darzuſtellen, und fuͤr ſich ſelber
zu merken; ſo mußte Ein Verſuch von ſelbſt ſchon
den Andern herbeyfuͤhren, man mußte nun bald
darauf kommen, die verſchiednen Grade der
Empfindungen und ſolche Gegenſtaͤnde, welche
fuͤr das Ohr wahrnehmbare Merkmale hatten,
durch Toͤne zu unterſcheiden. Den verſchiednen
Grad der Empfindung konnte die Hoͤhe oder Tie-
fe, die Staͤrke oder Schwaͤche des Tones bezeich-
nen: die auch fuͤr das Gehoͤr exiſtirenden Natur-
dinge, diejenigen Laute, welche von ihnen gehoͤrt
wurden. So druͤckt das Kind, dem die Spra-
che noch ihre Dienſte verſagt, den Ochſen durch
ein Bu und das Schaaf durch ein Baͤ aus.

Nun
K 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0173" n="149"/>
Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde er durch Gebehrden und Minen zu<lb/>
be&#x017F;timmen &#x017F;uchen mußte. So hatte er fu&#x0364;r den<lb/>
Schmerz wahr&#x017F;cheinlich nur einen allgemeinen<lb/>
Ton; um die be&#x017F;ondern Arten de&#x017F;&#x017F;elben auszudru&#x0364;-<lb/>
cken, konnte er die bey dem Schmerze &#x017F;elb&#x017F;t vor-<lb/>
gekommenen Verziehungen &#x017F;eines Ge&#x017F;ichts oder<lb/>
eines andern Theils des Ko&#x0364;rpers, wiederholen,<lb/>
und den Gegen&#x017F;tand <hi rendition="#b">zeigte</hi> er entweder, wenn<lb/>
der&#x017F;elbe oder ein a&#x0364;hnlicher gegenwa&#x0364;rtig war; oder<lb/><hi rendition="#b">zeichnete</hi> ihn, &#x017F;o gut er konnte, wenn er &#x017F;ich<lb/>
nicht mehr vor &#x017F;einen Augen befand.</p><lb/>
          <p>Sobald man nur er&#x017F;t durch Ver&#x017F;uche die<lb/>
Mo&#x0364;glichkeit einge&#x017F;ehn hatte, Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde durch<lb/>
ho&#x0364;rbare Zeichen darzu&#x017F;tellen, und fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elber<lb/>
zu merken; &#x017F;o mußte Ein Ver&#x017F;uch von &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chon<lb/>
den Andern herbeyfu&#x0364;hren, man mußte nun bald<lb/>
darauf kommen, die ver&#x017F;chiednen <hi rendition="#b">Grade</hi> der<lb/>
Empfindungen und &#x017F;olche <hi rendition="#b">Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde</hi>, welche<lb/>
fu&#x0364;r das Ohr wahrnehmbare Merkmale hatten,<lb/>
durch To&#x0364;ne zu unter&#x017F;cheiden. Den ver&#x017F;chiednen<lb/>
Grad der Empfindung konnte die Ho&#x0364;he oder Tie-<lb/>
fe, die Sta&#x0364;rke oder Schwa&#x0364;che des Tones bezeich-<lb/>
nen: die auch fu&#x0364;r das Geho&#x0364;r exi&#x017F;tirenden Natur-<lb/>
dinge, diejenigen Laute, welche von ihnen geho&#x0364;rt<lb/>
wurden. So dru&#x0364;ckt das Kind, dem die Spra-<lb/>
che noch ihre Dien&#x017F;te ver&#x017F;agt, den Och&#x017F;en durch<lb/>
ein Bu und das Schaaf durch ein Ba&#x0364; aus.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">K 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Nun</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0173] Gegenſtaͤnde er durch Gebehrden und Minen zu beſtimmen ſuchen mußte. So hatte er fuͤr den Schmerz wahrſcheinlich nur einen allgemeinen Ton; um die beſondern Arten deſſelben auszudruͤ- cken, konnte er die bey dem Schmerze ſelbſt vor- gekommenen Verziehungen ſeines Geſichts oder eines andern Theils des Koͤrpers, wiederholen, und den Gegenſtand zeigte er entweder, wenn derſelbe oder ein aͤhnlicher gegenwaͤrtig war; oder zeichnete ihn, ſo gut er konnte, wenn er ſich nicht mehr vor ſeinen Augen befand. Sobald man nur erſt durch Verſuche die Moͤglichkeit eingeſehn hatte, Gegenſtaͤnde durch hoͤrbare Zeichen darzuſtellen, und fuͤr ſich ſelber zu merken; ſo mußte Ein Verſuch von ſelbſt ſchon den Andern herbeyfuͤhren, man mußte nun bald darauf kommen, die verſchiednen Grade der Empfindungen und ſolche Gegenſtaͤnde, welche fuͤr das Ohr wahrnehmbare Merkmale hatten, durch Toͤne zu unterſcheiden. Den verſchiednen Grad der Empfindung konnte die Hoͤhe oder Tie- fe, die Staͤrke oder Schwaͤche des Tones bezeich- nen: die auch fuͤr das Gehoͤr exiſtirenden Natur- dinge, diejenigen Laute, welche von ihnen gehoͤrt wurden. So druͤckt das Kind, dem die Spra- che noch ihre Dienſte verſagt, den Ochſen durch ein Bu und das Schaaf durch ein Baͤ aus. Nun K 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/173
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/173>, abgerufen am 22.11.2024.