Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Jn Hinsicht auf diese beyden Punkte hat
er sich bemüht, die Natur einzelner Seelenver-
mögen richtig vorzustellen, dasjenige, was auf
dieselben Einfluß haben kann, anzugeben, ein-
zelne Gemüthszustände und Gemüthsbewe-
gungen nach der Wahrheit zu schildern und
auf ihre letzten Ursachen zurückzuführen.

3) Wünscht der Verf. durch diesen Ver-
such auch etwas dazu beyzutragen, daß die Lek-
türe guter Gedichte, Schauspiele, Romane,
Erzählungen, Geschichten u. s. w. für den Le-
senden noch nützlicher und fruchtbarer werde.
Ein großer Theil des lesenden Publikums
schenkt bey der Lektüre seine Aufmerksamkeit
nur der Fabel des Stücks, welches er liest
und nährt auf diese Weise nichts, als seine
Neugierde; über das, was dem Schriftsteller
die meiste Mühe kostete und Hauptsache schien,
die Charaktere der handelnden Personen, die
Motivirung ihrer Handlungen u. s. w. gleitet
das Auge hinweg, und das Werk, welches,
um Verstand und Herz zu nähren, componirt
war, hat für den Leser keinen andern Nutzen,
als die Feenmährchen für Kinder, und die

Vade

Jn Hinſicht auf dieſe beyden Punkte hat
er ſich bemuͤht, die Natur einzelner Seelenver-
moͤgen richtig vorzuſtellen, dasjenige, was auf
dieſelben Einfluß haben kann, anzugeben, ein-
zelne Gemuͤthszuſtaͤnde und Gemuͤthsbewe-
gungen nach der Wahrheit zu ſchildern und
auf ihre letzten Urſachen zuruͤckzufuͤhren.

3) Wuͤnſcht der Verf. durch dieſen Ver-
ſuch auch etwas dazu beyzutragen, daß die Lek-
tuͤre guter Gedichte, Schauſpiele, Romane,
Erzaͤhlungen, Geſchichten u. ſ. w. fuͤr den Le-
ſenden noch nuͤtzlicher und fruchtbarer werde.
Ein großer Theil des leſenden Publikums
ſchenkt bey der Lektuͤre ſeine Aufmerkſamkeit
nur der Fabel des Stuͤcks, welches er lieſt
und naͤhrt auf dieſe Weiſe nichts, als ſeine
Neugierde; uͤber das, was dem Schriftſteller
die meiſte Muͤhe koſtete und Hauptſache ſchien,
die Charaktere der handelnden Perſonen, die
Motivirung ihrer Handlungen u. ſ. w. gleitet
das Auge hinweg, und das Werk, welches,
um Verſtand und Herz zu naͤhren, componirt
war, hat fuͤr den Leſer keinen andern Nutzen,
als die Feenmaͤhrchen fuͤr Kinder, und die

Vade
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <pb facs="#f0015" n="XI"/>
        <p>Jn Hin&#x017F;icht auf die&#x017F;e beyden Punkte hat<lb/>
er &#x017F;ich bemu&#x0364;ht, die Natur einzelner Seelenver-<lb/>
mo&#x0364;gen richtig vorzu&#x017F;tellen, dasjenige, was auf<lb/>
die&#x017F;elben Einfluß haben kann, anzugeben, ein-<lb/>
zelne Gemu&#x0364;thszu&#x017F;ta&#x0364;nde und Gemu&#x0364;thsbewe-<lb/>
gungen nach der Wahrheit zu &#x017F;childern und<lb/>
auf ihre letzten Ur&#x017F;achen zuru&#x0364;ckzufu&#x0364;hren.</p><lb/>
        <p>3) Wu&#x0364;n&#x017F;cht der Verf. durch die&#x017F;en Ver-<lb/>
&#x017F;uch auch etwas dazu beyzutragen, daß die Lek-<lb/>
tu&#x0364;re guter Gedichte, Schau&#x017F;piele, Romane,<lb/>
Erza&#x0364;hlungen, Ge&#x017F;chichten u. &#x017F;. w. fu&#x0364;r den Le-<lb/>
&#x017F;enden noch nu&#x0364;tzlicher und fruchtbarer werde.<lb/>
Ein großer Theil des le&#x017F;enden Publikums<lb/>
&#x017F;chenkt bey der Lektu&#x0364;re &#x017F;eine Aufmerk&#x017F;amkeit<lb/>
nur der Fabel des Stu&#x0364;cks, welches er lie&#x017F;t<lb/>
und na&#x0364;hrt auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e nichts, als &#x017F;eine<lb/>
Neugierde; u&#x0364;ber das, was dem Schrift&#x017F;teller<lb/>
die mei&#x017F;te Mu&#x0364;he ko&#x017F;tete und Haupt&#x017F;ache &#x017F;chien,<lb/>
die Charaktere der handelnden Per&#x017F;onen, die<lb/>
Motivirung ihrer Handlungen u. &#x017F;. w. gleitet<lb/>
das Auge hinweg, und das Werk, welches,<lb/>
um Ver&#x017F;tand und Herz zu na&#x0364;hren, componirt<lb/>
war, hat fu&#x0364;r den Le&#x017F;er keinen andern Nutzen,<lb/>
als die Feenma&#x0364;hrchen fu&#x0364;r Kinder, und die<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Vade</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XI/0015] Jn Hinſicht auf dieſe beyden Punkte hat er ſich bemuͤht, die Natur einzelner Seelenver- moͤgen richtig vorzuſtellen, dasjenige, was auf dieſelben Einfluß haben kann, anzugeben, ein- zelne Gemuͤthszuſtaͤnde und Gemuͤthsbewe- gungen nach der Wahrheit zu ſchildern und auf ihre letzten Urſachen zuruͤckzufuͤhren. 3) Wuͤnſcht der Verf. durch dieſen Ver- ſuch auch etwas dazu beyzutragen, daß die Lek- tuͤre guter Gedichte, Schauſpiele, Romane, Erzaͤhlungen, Geſchichten u. ſ. w. fuͤr den Le- ſenden noch nuͤtzlicher und fruchtbarer werde. Ein großer Theil des leſenden Publikums ſchenkt bey der Lektuͤre ſeine Aufmerkſamkeit nur der Fabel des Stuͤcks, welches er lieſt und naͤhrt auf dieſe Weiſe nichts, als ſeine Neugierde; uͤber das, was dem Schriftſteller die meiſte Muͤhe koſtete und Hauptſache ſchien, die Charaktere der handelnden Perſonen, die Motivirung ihrer Handlungen u. ſ. w. gleitet das Auge hinweg, und das Werk, welches, um Verſtand und Herz zu naͤhren, componirt war, hat fuͤr den Leſer keinen andern Nutzen, als die Feenmaͤhrchen fuͤr Kinder, und die Vade

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/15
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. XI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/15>, abgerufen am 29.03.2024.