mit der linken Hand und dem Leibe solche Bewe- gungen, als ein Reitender zu machen pflegt. Unterdeß er einen Reuter vorstellte, nahm er ver- schiednemal die Mütze ab, und grüßte die ihm Begegnenden. Als er eine Weile geritten war, fing er das Lied an: Von Gott will ich nicht lassen. Er sang es unverstümmelt ganz zu Ende, doch so, daß er zuweilen laut, zuweilen ganz leise sang, vielleicht weil er seinen Gesang die ihm Be- gegnenden nicht wollte hören lassen. Nach En- digung des Liedes hatte er den ganzen übrigen Weg lauter gute Gedanken, welche er insgesammt schlafend hersagte. Er hielt auch einmal stille, und forderte ein Maaß Bier, trank zweymal da- von, und gab den Krug wiederum zurück, mit der Frage, ob das Bier einen Dreyer gälte, griff darauf in die Tasche, nahm verschiedne Stücke Geld heraus, und aus diesen einen Dreyer, den er, als wenn er ihn dem Wirthe gäbe, aus der Hand fallen ließ. Dann gebehrdete er sich wieder als ein Reitender, hielt darauf noch einmal stille, stieg vom Pferde, und that, als ob er den los- gegangnen Sattel wieder vest gürtete, setzte sich wieder auf, und ritt weiter. Ungeachtet er nun, wie bereits erzählt ist, bey seinem wirklichen Ritte schon in den Schlaf gefallen war, so machte er doch in seinem zweyten Paroxismus alles nach, was er während des ersten gethan hatte. Wie
er
mit der linken Hand und dem Leibe ſolche Bewe- gungen, als ein Reitender zu machen pflegt. Unterdeß er einen Reuter vorſtellte, nahm er ver- ſchiednemal die Muͤtze ab, und gruͤßte die ihm Begegnenden. Als er eine Weile geritten war, fing er das Lied an: Von Gott will ich nicht laſſen. Er ſang es unverſtuͤmmelt ganz zu Ende, doch ſo, daß er zuweilen laut, zuweilen ganz leiſe ſang, vielleicht weil er ſeinen Geſang die ihm Be- gegnenden nicht wollte hoͤren laſſen. Nach En- digung des Liedes hatte er den ganzen uͤbrigen Weg lauter gute Gedanken, welche er insgeſammt ſchlafend herſagte. Er hielt auch einmal ſtille, und forderte ein Maaß Bier, trank zweymal da- von, und gab den Krug wiederum zuruͤck, mit der Frage, ob das Bier einen Dreyer gaͤlte, griff darauf in die Taſche, nahm verſchiedne Stuͤcke Geld heraus, und aus dieſen einen Dreyer, den er, als wenn er ihn dem Wirthe gaͤbe, aus der Hand fallen ließ. Dann gebehrdete er ſich wieder als ein Reitender, hielt darauf noch einmal ſtille, ſtieg vom Pferde, und that, als ob er den los- gegangnen Sattel wieder veſt guͤrtete, ſetzte ſich wieder auf, und ritt weiter. Ungeachtet er nun, wie bereits erzaͤhlt iſt, bey ſeinem wirklichen Ritte ſchon in den Schlaf gefallen war, ſo machte er doch in ſeinem zweyten Paroxiſmus alles nach, was er waͤhrend des erſten gethan hatte. Wie
er
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mit der linken Hand und dem Leibe ſolche Bewe-
gungen, als ein Reitender zu machen pflegt.
Unterdeß er einen Reuter vorſtellte, nahm er ver-
ſchiednemal die Muͤtze ab, und gruͤßte die ihm
Begegnenden. Als er eine Weile geritten war,
fing er das Lied an: Von Gott will ich nicht
laſſen. Er ſang es unverſtuͤmmelt ganz zu Ende,
doch ſo, daß er zuweilen laut, zuweilen ganz leiſe
ſang, vielleicht weil er ſeinen Geſang die ihm Be-
gegnenden nicht wollte hoͤren laſſen. Nach En-
digung des Liedes hatte er den ganzen uͤbrigen
Weg lauter gute Gedanken, welche er insgeſammt
ſchlafend herſagte. Er hielt auch einmal ſtille,
und forderte ein Maaß Bier, trank zweymal da-
von, und gab den Krug wiederum zuruͤck, mit
der Frage, ob das Bier einen Dreyer gaͤlte, griff
darauf in die Taſche, nahm verſchiedne Stuͤcke
Geld heraus, und aus dieſen einen Dreyer, den
er, als wenn er ihn dem Wirthe gaͤbe, aus der
Hand fallen ließ. Dann gebehrdete er ſich wieder
als ein Reitender, hielt darauf noch einmal ſtille,
ſtieg vom Pferde, und that, als ob er den los-
gegangnen Sattel wieder veſt guͤrtete, ſetzte ſich
wieder auf, und ritt weiter. Ungeachtet er nun,
wie bereits erzaͤhlt iſt, bey ſeinem wirklichen Ritte
ſchon in den Schlaf gefallen war, ſo machte er
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/140>, abgerufen am 22.11.2024.
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