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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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ihr bestimmt. Erwachte er im Keller oder auf
der Straße völlig aus seinem Schlafe, so wußte
er doch immer, wo er war, und begab sich tap-
pend auf seine Stube, oder in sein Bette zurück.
Jmmer überfiel ihn indeß beym Erwachen ein
Herzklopfen und heftiges Zittern an allen Glie-
dern.

Ein gewisser Ripertus ging im Schlafe mit
Stelzen über einen Bach, der in einem nahgele-
genen Thale floß, und ziemlich angeschwollen
war; aber beym Erwachen am jenseitigen Ufer
hatte er nicht das Herz, zurückzukehren, bevor es
Tag ward und das Wasser sich einigermaßen
verlief.

Ein Bedienter, erzählt derselbe Schriftsteller,
ward an einem Morgen allenthalben vermißt,
bis man ihn schlafend auf dem Kranz oben an der
Kirchmauer fand. Man war klug genug, ihn
nicht aufzuwecken, weil dies gewöhnlich solchen
Personen, wenn sie sich in einer gefährlichen Lage
befinden, das Leben zu kosten pflegt. Wirklich
erzählt man von einem Nachtwandler, der in ei-
nem Flusse schwimmend gefunden ward, und wie
man ihn durch Zurufen aufweckte, vor Furcht
ertrank.

Es läßt sich die Kühnheit und Unerschrocken-
heit der Schlafwandrer aus ihrem nicht von völli-
gem Bewußtseyn und vollkommner Besonnenheit

be-

ihr beſtimmt. Erwachte er im Keller oder auf
der Straße voͤllig aus ſeinem Schlafe, ſo wußte
er doch immer, wo er war, und begab ſich tap-
pend auf ſeine Stube, oder in ſein Bette zuruͤck.
Jmmer uͤberfiel ihn indeß beym Erwachen ein
Herzklopfen und heftiges Zittern an allen Glie-
dern.

Ein gewiſſer Ripertus ging im Schlafe mit
Stelzen uͤber einen Bach, der in einem nahgele-
genen Thale floß, und ziemlich angeſchwollen
war; aber beym Erwachen am jenſeitigen Ufer
hatte er nicht das Herz, zuruͤckzukehren, bevor es
Tag ward und das Waſſer ſich einigermaßen
verlief.

Ein Bedienter, erzaͤhlt derſelbe Schriftſteller,
ward an einem Morgen allenthalben vermißt,
bis man ihn ſchlafend auf dem Kranz oben an der
Kirchmauer fand. Man war klug genug, ihn
nicht aufzuwecken, weil dies gewoͤhnlich ſolchen
Perſonen, wenn ſie ſich in einer gefaͤhrlichen Lage
befinden, das Leben zu koſten pflegt. Wirklich
erzaͤhlt man von einem Nachtwandler, der in ei-
nem Fluſſe ſchwimmend gefunden ward, und wie
man ihn durch Zurufen aufweckte, vor Furcht
ertrank.

Es laͤßt ſich die Kuͤhnheit und Unerſchrocken-
heit der Schlafwandrer aus ihrem nicht von voͤlli-
gem Bewußtſeyn und vollkommner Beſonnenheit

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[110/0134] ihr beſtimmt. Erwachte er im Keller oder auf der Straße voͤllig aus ſeinem Schlafe, ſo wußte er doch immer, wo er war, und begab ſich tap- pend auf ſeine Stube, oder in ſein Bette zuruͤck. Jmmer uͤberfiel ihn indeß beym Erwachen ein Herzklopfen und heftiges Zittern an allen Glie- dern. Ein gewiſſer Ripertus ging im Schlafe mit Stelzen uͤber einen Bach, der in einem nahgele- genen Thale floß, und ziemlich angeſchwollen war; aber beym Erwachen am jenſeitigen Ufer hatte er nicht das Herz, zuruͤckzukehren, bevor es Tag ward und das Waſſer ſich einigermaßen verlief. Ein Bedienter, erzaͤhlt derſelbe Schriftſteller, ward an einem Morgen allenthalben vermißt, bis man ihn ſchlafend auf dem Kranz oben an der Kirchmauer fand. Man war klug genug, ihn nicht aufzuwecken, weil dies gewoͤhnlich ſolchen Perſonen, wenn ſie ſich in einer gefaͤhrlichen Lage befinden, das Leben zu koſten pflegt. Wirklich erzaͤhlt man von einem Nachtwandler, der in ei- nem Fluſſe ſchwimmend gefunden ward, und wie man ihn durch Zurufen aufweckte, vor Furcht ertrank. Es laͤßt ſich die Kuͤhnheit und Unerſchrocken- heit der Schlafwandrer aus ihrem nicht von voͤlli- gem Bewußtſeyn und vollkommner Beſonnenheit be-

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 110. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/134>, abgerufen am 22.11.2024.