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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

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Eins der sonderbarsten und in der Erklärung
mit den meisten Schwierigkeiten verwickelten Phä-
nomene, ist das sogenannte Nacht- oder eigentli-
cher Schlafwandeln, oder derjenige Zustand,
in welchem der Mensch nicht eigentlich und voll-
kommen wacht, aber doch Handlungen allerley
Art
vornimmt, welche sonst nur im Wachen
möglich zu seyn scheinen.

Jch halte dasselbe für eine Art von Verrückt-
heit, welche sich beym vollkommnen Wachen nur
darum nicht äußert, weil da die wirklichen Em-
pfindungen mit hinlänglicher Klarheit in die See-
le kommen, um dieselbe von allen Verhältnissen
ihrer Person benachrichtigen, und wenigstens

Hand-
Jch glaube auf den ersten und letzten Grund
(denn der zweyte ist schon oben berührt) Folgendes
antworten zu können:
1) Auch der gefälligste und menschenfreund-
lichste Mann kann verdrießlich werden, wenn er zu
oft beunruhigt wird; besonders im Anfange, ehe
seine Tugend seiner unangenehmen Empfindung
Herr wird.
2) Daß er die gewöhnliche Beschwerden nicht
fühlte, kam vielleicht daher, weil der nachherige
sehr ruhige Schlaf seine Nerven wieder gnug stärkte,
um nicht den Druck, den er sonst empfand, zu füh-
len, vielleicht war auch etwas anderes Ursach hie-
von, welches ich um so weniger angeben kann, da
ich kein Arzt bin.

Eins der ſonderbarſten und in der Erklaͤrung
mit den meiſten Schwierigkeiten verwickelten Phaͤ-
nomene, iſt das ſogenannte Nacht- oder eigentli-
cher Schlafwandeln, oder derjenige Zuſtand,
in welchem der Menſch nicht eigentlich und voll-
kommen wacht, aber doch Handlungen allerley
Art
vornimmt, welche ſonſt nur im Wachen
moͤglich zu ſeyn ſcheinen.

Jch halte daſſelbe fuͤr eine Art von Verruͤckt-
heit, welche ſich beym vollkommnen Wachen nur
darum nicht aͤußert, weil da die wirklichen Em-
pfindungen mit hinlaͤnglicher Klarheit in die See-
le kommen, um dieſelbe von allen Verhaͤltniſſen
ihrer Perſon benachrichtigen, und wenigſtens

Hand-
Jch glaube auf den erſten und letzten Grund
(denn der zweyte iſt ſchon oben beruͤhrt) Folgendes
antworten zu koͤnnen:
1) Auch der gefaͤlligſte und menſchenfreund-
lichſte Mann kann verdrießlich werden, wenn er zu
oft beunruhigt wird; beſonders im Anfange, ehe
ſeine Tugend ſeiner unangenehmen Empfindung
Herr wird.
2) Daß er die gewoͤhnliche Beſchwerden nicht
fuͤhlte, kam vielleicht daher, weil der nachherige
ſehr ruhige Schlaf ſeine Nerven wieder gnug ſtaͤrkte,
um nicht den Druck, den er ſonſt empfand, zu fuͤh-
len, vielleicht war auch etwas anderes Urſach hie-
von, welches ich um ſo weniger angeben kann, da
ich kein Arzt bin.
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[108/0132] Eins der ſonderbarſten und in der Erklaͤrung mit den meiſten Schwierigkeiten verwickelten Phaͤ- nomene, iſt das ſogenannte Nacht- oder eigentli- cher Schlafwandeln, oder derjenige Zuſtand, in welchem der Menſch nicht eigentlich und voll- kommen wacht, aber doch Handlungen allerley Art vornimmt, welche ſonſt nur im Wachen moͤglich zu ſeyn ſcheinen. Jch halte daſſelbe fuͤr eine Art von Verruͤckt- heit, welche ſich beym vollkommnen Wachen nur darum nicht aͤußert, weil da die wirklichen Em- pfindungen mit hinlaͤnglicher Klarheit in die See- le kommen, um dieſelbe von allen Verhaͤltniſſen ihrer Perſon benachrichtigen, und wenigſtens Hand- *) *) Jch glaube auf den erſten und letzten Grund (denn der zweyte iſt ſchon oben beruͤhrt) Folgendes antworten zu koͤnnen: 1) Auch der gefaͤlligſte und menſchenfreund- lichſte Mann kann verdrießlich werden, wenn er zu oft beunruhigt wird; beſonders im Anfange, ehe ſeine Tugend ſeiner unangenehmen Empfindung Herr wird. 2) Daß er die gewoͤhnliche Beſchwerden nicht fuͤhlte, kam vielleicht daher, weil der nachherige ſehr ruhige Schlaf ſeine Nerven wieder gnug ſtaͤrkte, um nicht den Druck, den er ſonſt empfand, zu fuͤh- len, vielleicht war auch etwas anderes Urſach hie- von, welches ich um ſo weniger angeben kann, da ich kein Arzt bin.

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/132>, abgerufen am 03.05.2024.