Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Jch war vierzehn Tage zuvor durch einen sehr
launigen Brief, in welchem auch namentlich des
Balls Erwähnung geschah, zu einer Familien-
hochzeit eingeladen worden; und mein Freund,
welcher mich einlud, hatte vor der Stadt ein
Gartenhaus, in welchem ich schon öfters in Ge-
sellschaft der Personen, von welchen ich träum-
te, getanzt hatte.

Da sich dieses nun mir vergegenwärtigte, und
meine Phantasie seit jener Einladung sich oft mit
Hochzeitsfeyerlichkeiten beschäftigt hatte; so konn-
ten jene Bilder sich sehr leicht zusammenfinden,
und weil ich einmal vom Tanzen träumte, mußte
ich wohl am natürlichsten, da meine Tanzkunde
sehr eingeschränkt ist, auf jene Quadrille kommen,
welche mir die bekannteste und liebste war.

Aber woher die Büsten der Mnemosyne und
ihrer Töchter? woher der römische Prätor mit
seinem Edikt, in der Gestalt Friedrichs des Zwey-
ten? -- Hier häsitirte ich eine Weile, ohne
die mindeste Verbindung entdecken zu können, und
wäre beynahe müde geworden, weiter zu forschen.
Endlich fiel mir ein, daß ich einige Zeit vorher in
Plutarchs Tischproblemen unter andern auch das
gelesen hatte, welches die neun Musen zum Ge-
genstand hat. Jch sprach über den Jnhalt dessel-
ben mit einigen andern, und prägte es mir da-
durch noch fester ein. Durch diese Entdeckung

nun

Jch war vierzehn Tage zuvor durch einen ſehr
launigen Brief, in welchem auch namentlich des
Balls Erwaͤhnung geſchah, zu einer Familien-
hochzeit eingeladen worden; und mein Freund,
welcher mich einlud, hatte vor der Stadt ein
Gartenhaus, in welchem ich ſchon oͤfters in Ge-
ſellſchaft der Perſonen, von welchen ich traͤum-
te, getanzt hatte.

Da ſich dieſes nun mir vergegenwaͤrtigte, und
meine Phantaſie ſeit jener Einladung ſich oft mit
Hochzeitsfeyerlichkeiten beſchaͤftigt hatte; ſo konn-
ten jene Bilder ſich ſehr leicht zuſammenfinden,
und weil ich einmal vom Tanzen traͤumte, mußte
ich wohl am natuͤrlichſten, da meine Tanzkunde
ſehr eingeſchraͤnkt iſt, auf jene Quadrille kommen,
welche mir die bekannteſte und liebſte war.

Aber woher die Buͤſten der Mnemoſyne und
ihrer Toͤchter? woher der roͤmiſche Praͤtor mit
ſeinem Edikt, in der Geſtalt Friedrichs des Zwey-
ten? — Hier haͤſitirte ich eine Weile, ohne
die mindeſte Verbindung entdecken zu koͤnnen, und
waͤre beynahe muͤde geworden, weiter zu forſchen.
Endlich fiel mir ein, daß ich einige Zeit vorher in
Plutarchs Tiſchproblemen unter andern auch das
geleſen hatte, welches die neun Muſen zum Ge-
genſtand hat. Jch ſprach uͤber den Jnhalt deſſel-
ben mit einigen andern, und praͤgte es mir da-
durch noch feſter ein. Durch dieſe Entdeckung

nun
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0120" n="96"/>
Jch war vierzehn Tage zuvor durch einen &#x017F;ehr<lb/>
launigen Brief, in welchem auch namentlich des<lb/>
Balls Erwa&#x0364;hnung ge&#x017F;chah, zu einer Familien-<lb/>
hochzeit eingeladen worden; und mein Freund,<lb/>
welcher mich einlud, hatte vor der Stadt ein<lb/>
Gartenhaus, in welchem ich &#x017F;chon o&#x0364;fters in Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft der Per&#x017F;onen, von welchen ich tra&#x0364;um-<lb/>
te, getanzt hatte.</p><lb/>
          <p>Da &#x017F;ich die&#x017F;es nun mir vergegenwa&#x0364;rtigte, und<lb/>
meine Phanta&#x017F;ie &#x017F;eit jener Einladung &#x017F;ich oft mit<lb/>
Hochzeitsfeyerlichkeiten be&#x017F;cha&#x0364;ftigt hatte; &#x017F;o konn-<lb/>
ten jene Bilder &#x017F;ich &#x017F;ehr leicht zu&#x017F;ammenfinden,<lb/>
und weil ich einmal vom Tanzen tra&#x0364;umte, mußte<lb/>
ich wohl am natu&#x0364;rlich&#x017F;ten, da meine Tanzkunde<lb/>
&#x017F;ehr einge&#x017F;chra&#x0364;nkt i&#x017F;t, auf jene Quadrille kommen,<lb/>
welche mir die bekannte&#x017F;te und lieb&#x017F;te war.</p><lb/>
          <p>Aber woher die Bu&#x0364;&#x017F;ten der Mnemo&#x017F;yne und<lb/>
ihrer To&#x0364;chter? woher der ro&#x0364;mi&#x017F;che Pra&#x0364;tor mit<lb/>
&#x017F;einem Edikt, in der Ge&#x017F;talt Friedrichs des Zwey-<lb/>
ten? &#x2014; Hier ha&#x0364;&#x017F;itirte ich eine Weile, ohne<lb/>
die minde&#x017F;te Verbindung entdecken zu ko&#x0364;nnen, und<lb/>
wa&#x0364;re beynahe mu&#x0364;de geworden, weiter zu for&#x017F;chen.<lb/>
Endlich fiel mir ein, daß ich einige Zeit vorher in<lb/>
Plutarchs Ti&#x017F;chproblemen unter andern auch das<lb/>
gele&#x017F;en hatte, welches die neun Mu&#x017F;en zum Ge-<lb/>
gen&#x017F;tand hat. Jch &#x017F;prach u&#x0364;ber den Jnhalt de&#x017F;&#x017F;el-<lb/>
ben mit einigen andern, und pra&#x0364;gte es mir da-<lb/>
durch noch fe&#x017F;ter ein. Durch die&#x017F;e Entdeckung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nun</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0120] Jch war vierzehn Tage zuvor durch einen ſehr launigen Brief, in welchem auch namentlich des Balls Erwaͤhnung geſchah, zu einer Familien- hochzeit eingeladen worden; und mein Freund, welcher mich einlud, hatte vor der Stadt ein Gartenhaus, in welchem ich ſchon oͤfters in Ge- ſellſchaft der Perſonen, von welchen ich traͤum- te, getanzt hatte. Da ſich dieſes nun mir vergegenwaͤrtigte, und meine Phantaſie ſeit jener Einladung ſich oft mit Hochzeitsfeyerlichkeiten beſchaͤftigt hatte; ſo konn- ten jene Bilder ſich ſehr leicht zuſammenfinden, und weil ich einmal vom Tanzen traͤumte, mußte ich wohl am natuͤrlichſten, da meine Tanzkunde ſehr eingeſchraͤnkt iſt, auf jene Quadrille kommen, welche mir die bekannteſte und liebſte war. Aber woher die Buͤſten der Mnemoſyne und ihrer Toͤchter? woher der roͤmiſche Praͤtor mit ſeinem Edikt, in der Geſtalt Friedrichs des Zwey- ten? — Hier haͤſitirte ich eine Weile, ohne die mindeſte Verbindung entdecken zu koͤnnen, und waͤre beynahe muͤde geworden, weiter zu forſchen. Endlich fiel mir ein, daß ich einige Zeit vorher in Plutarchs Tiſchproblemen unter andern auch das geleſen hatte, welches die neun Muſen zum Ge- genſtand hat. Jch ſprach uͤber den Jnhalt deſſel- ben mit einigen andern, und praͤgte es mir da- durch noch feſter ein. Durch dieſe Entdeckung nun

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/120
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/120>, abgerufen am 25.11.2024.