anlassung jammern wird, daß sie eine Nadel ver- wunde, oder der Dornstrauch ihr feines Gesicht- chen zerfetze. Das Gesumse der Mücken um das nächtliche Lager läßt den Capellmeister von Concerten, den Krieger von Trompeten- und Paukenschall träumen, und Jndigestionen oder Drücken des Magens und Herzens den furchtsa- men Hypochondristen von Erdrosseln und Ersti- cken, und das abergläubische Mütterchen vom Drücken des unförmlichen Alps.
Weil aber die Empfindungen sich leicht ver- ändern, und den angenehmen unangenehme und umgekehrt folgen; so können auch die Träume bald verändert werden. So kann zum Beyspiel die durch irgend eine Ursach gehemmte Cirkulation des Bluts uns im Traume in die Fesseln unsrer Feinde versetzen, und mit gewaltiger Angst er- füllen. Es wird dieses Uebel weggeräumt, und siehe, unser Traum wird leichter, wir glauben den Fesseln unsrer Feinde entwischt und in Si- cherheit zu seyn. Ein Wohlbehagen des Kör- pers und der freye und rasche Umlauf des Bluts läßt uns im Traume fliegen; irgend etwas hemmt denselben, und wir träumen von Niederfallen und erschrecken.
Ritter Hüon in dem Meisterstück Wielands, dem Oberon, legt sich nach einem ritterlichen
Schmau-
F 2
anlaſſung jammern wird, daß ſie eine Nadel ver- wunde, oder der Dornſtrauch ihr feines Geſicht- chen zerfetze. Das Geſumſe der Muͤcken um das naͤchtliche Lager laͤßt den Capellmeiſter von Concerten, den Krieger von Trompeten- und Paukenſchall traͤumen, und Jndigeſtionen oder Druͤcken des Magens und Herzens den furchtſa- men Hypochondriſten von Erdroſſeln und Erſti- cken, und das aberglaͤubiſche Muͤtterchen vom Druͤcken des unfoͤrmlichen Alps.
Weil aber die Empfindungen ſich leicht ver- aͤndern, und den angenehmen unangenehme und umgekehrt folgen; ſo koͤnnen auch die Traͤume bald veraͤndert werden. So kann zum Beyſpiel die durch irgend eine Urſach gehemmte Cirkulation des Bluts uns im Traume in die Feſſeln unſrer Feinde verſetzen, und mit gewaltiger Angſt er- fuͤllen. Es wird dieſes Uebel weggeraͤumt, und ſiehe, unſer Traum wird leichter, wir glauben den Feſſeln unſrer Feinde entwiſcht und in Si- cherheit zu ſeyn. Ein Wohlbehagen des Koͤr- pers und der freye und raſche Umlauf des Bluts laͤßt uns im Traume fliegen; irgend etwas hemmt denſelben, und wir traͤumen von Niederfallen und erſchrecken.
Ritter Huͤon in dem Meiſterſtuͤck Wielands, dem Oberon, legt ſich nach einem ritterlichen
Schmau-
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anlaſſung jammern wird, daß ſie eine Nadel ver-
wunde, oder der Dornſtrauch ihr feines Geſicht-
chen zerfetze. Das Geſumſe der Muͤcken um
das naͤchtliche Lager laͤßt den Capellmeiſter von
Concerten, den Krieger von Trompeten- und
Paukenſchall traͤumen, und Jndigeſtionen oder
Druͤcken des Magens und Herzens den furchtſa-
men Hypochondriſten von Erdroſſeln und Erſti-
cken, und das aberglaͤubiſche Muͤtterchen vom
Druͤcken des unfoͤrmlichen Alps.
Weil aber die Empfindungen ſich leicht ver-
aͤndern, und den angenehmen unangenehme und
umgekehrt folgen; ſo koͤnnen auch die Traͤume
bald veraͤndert werden. So kann zum Beyſpiel
die durch irgend eine Urſach gehemmte Cirkulation
des Bluts uns im Traume in die Feſſeln unſrer
Feinde verſetzen, und mit gewaltiger Angſt er-
fuͤllen. Es wird dieſes Uebel weggeraͤumt, und
ſiehe, unſer Traum wird leichter, wir glauben
den Feſſeln unſrer Feinde entwiſcht und in Si-
cherheit zu ſeyn. Ein Wohlbehagen des Koͤr-
pers und der freye und raſche Umlauf des Bluts
laͤßt uns im Traume fliegen; irgend etwas hemmt
denſelben, und wir traͤumen von Niederfallen und
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Ritter Huͤon in dem Meiſterſtuͤck Wielands,
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/107>, abgerufen am 16.02.2025.
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