Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite
Drauf erhebt er sich wieder, und ist noch, und
denkt noch und fluchet,
Daß er noch ist, und spritzt mit bleichen, sterben-
den Händen
Himmelan Blut, Gott flucht er und wollt' ihn
gerne noch leugnen.
Also betäubt sprang Kaiphas auf -- -- --

Ganz aus der Seele seines Helden, hat der
Dichter des einzigen Romans, den Traum des-
selben geschrieben. Agathon hat zu Delphi und
Athen sein Herz zu vertraut mit der Tugend und
der Liebe zu seiner tugendhaften Psyche gemacht,
als daß die Ueppigkeiten des asiatischen Sitzes der
Wollust, selbst der volle Genuß der Liebe der
schönsten Danae etwas mehr vermogt hätten, als
die Gedanken an Tugend und Psyche auf eine
Zeitlang in Schatten zu stellen. Es bedurfte nur
eines einzigen Strahls aus der Sonne seiner vor-
maligen Vernunft, denselben wieder Licht zu geben,
und dieser wohlthätige Strahl verlangte nur einen
Schlag an die zarteste Seite seines Herzens, um
wie ein Cherubim mit flammendem Schwerdte her-
vorzuspringen, und tief in die Seele Agathons
seine Erscheinung einzugraben. -- Und dies
geschah grade an dem Tage, als sein Verführer
Hippias glaubte, sich seines Siegs über ihn er-
freuen zu können. --

Hip-
Drauf erhebt er ſich wieder, und iſt noch, und
denkt noch und fluchet,
Daß er noch iſt, und ſpritzt mit bleichen, ſterben-
den Haͤnden
Himmelan Blut, Gott flucht er und wollt' ihn
gerne noch leugnen.
Alſo betaͤubt ſprang Kaiphas auf — — —

Ganz aus der Seele ſeines Helden, hat der
Dichter des einzigen Romans, den Traum deſ-
ſelben geſchrieben. Agathon hat zu Delphi und
Athen ſein Herz zu vertraut mit der Tugend und
der Liebe zu ſeiner tugendhaften Pſyche gemacht,
als daß die Ueppigkeiten des aſiatiſchen Sitzes der
Wolluſt, ſelbſt der volle Genuß der Liebe der
ſchoͤnſten Danae etwas mehr vermogt haͤtten, als
die Gedanken an Tugend und Pſyche auf eine
Zeitlang in Schatten zu ſtellen. Es bedurfte nur
eines einzigen Strahls aus der Sonne ſeiner vor-
maligen Vernunft, denſelben wieder Licht zu geben,
und dieſer wohlthaͤtige Strahl verlangte nur einen
Schlag an die zarteſte Seite ſeines Herzens, um
wie ein Cherubim mit flammendem Schwerdte her-
vorzuſpringen, und tief in die Seele Agathons
ſeine Erſcheinung einzugraben. — Und dies
geſchah grade an dem Tage, als ſein Verfuͤhrer
Hippias glaubte, ſich ſeines Siegs uͤber ihn er-
freuen zu koͤnnen. —

Hip-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <cit>
            <quote><pb facs="#f0100" n="76"/>
Drauf erhebt er &#x017F;ich wieder, und i&#x017F;t noch, und<lb/><hi rendition="#et">denkt noch und fluchet,</hi><lb/>
Daß er noch i&#x017F;t, und &#x017F;pritzt mit bleichen, &#x017F;terben-<lb/><hi rendition="#et">den Ha&#x0364;nden</hi><lb/>
Himmelan Blut, Gott flucht er und wollt' ihn<lb/><hi rendition="#et">gerne noch leugnen.</hi><lb/>
Al&#x017F;o beta&#x0364;ubt &#x017F;prang Kaiphas auf &#x2014; &#x2014; &#x2014;</quote>
          </cit><lb/>
          <p>Ganz aus der Seele &#x017F;eines Helden, hat der<lb/>
Dichter des <hi rendition="#b">einzigen</hi> Romans, den Traum de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elben ge&#x017F;chrieben. Agathon hat zu Delphi und<lb/>
Athen &#x017F;ein Herz zu vertraut mit der Tugend und<lb/>
der Liebe zu &#x017F;einer tugendhaften P&#x017F;yche gemacht,<lb/>
als daß die Ueppigkeiten des a&#x017F;iati&#x017F;chen Sitzes der<lb/>
Wollu&#x017F;t, &#x017F;elb&#x017F;t der volle Genuß der Liebe der<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Danae etwas mehr vermogt ha&#x0364;tten, als<lb/>
die Gedanken an Tugend und P&#x017F;yche auf eine<lb/>
Zeitlang in Schatten zu &#x017F;tellen. Es bedurfte nur<lb/>
eines einzigen Strahls aus der Sonne &#x017F;einer vor-<lb/>
maligen Vernunft, den&#x017F;elben wieder Licht zu geben,<lb/>
und die&#x017F;er wohltha&#x0364;tige Strahl verlangte nur einen<lb/>
Schlag an die zarte&#x017F;te Seite &#x017F;eines Herzens, um<lb/>
wie ein Cherubim mit flammendem Schwerdte her-<lb/>
vorzu&#x017F;pringen, und tief in die Seele Agathons<lb/>
&#x017F;eine Er&#x017F;cheinung einzugraben. &#x2014; Und dies<lb/>
ge&#x017F;chah grade an dem Tage, als &#x017F;ein Verfu&#x0364;hrer<lb/>
Hippias glaubte, &#x017F;ich &#x017F;eines Siegs u&#x0364;ber ihn er-<lb/>
freuen zu ko&#x0364;nnen. &#x2014;</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Hip-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[76/0100] Drauf erhebt er ſich wieder, und iſt noch, und denkt noch und fluchet, Daß er noch iſt, und ſpritzt mit bleichen, ſterben- den Haͤnden Himmelan Blut, Gott flucht er und wollt' ihn gerne noch leugnen. Alſo betaͤubt ſprang Kaiphas auf — — — Ganz aus der Seele ſeines Helden, hat der Dichter des einzigen Romans, den Traum deſ- ſelben geſchrieben. Agathon hat zu Delphi und Athen ſein Herz zu vertraut mit der Tugend und der Liebe zu ſeiner tugendhaften Pſyche gemacht, als daß die Ueppigkeiten des aſiatiſchen Sitzes der Wolluſt, ſelbſt der volle Genuß der Liebe der ſchoͤnſten Danae etwas mehr vermogt haͤtten, als die Gedanken an Tugend und Pſyche auf eine Zeitlang in Schatten zu ſtellen. Es bedurfte nur eines einzigen Strahls aus der Sonne ſeiner vor- maligen Vernunft, denſelben wieder Licht zu geben, und dieſer wohlthaͤtige Strahl verlangte nur einen Schlag an die zarteſte Seite ſeines Herzens, um wie ein Cherubim mit flammendem Schwerdte her- vorzuſpringen, und tief in die Seele Agathons ſeine Erſcheinung einzugraben. — Und dies geſchah grade an dem Tage, als ſein Verfuͤhrer Hippias glaubte, ſich ſeines Siegs uͤber ihn er- freuen zu koͤnnen. — Hip-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/100
Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/100>, abgerufen am 22.11.2024.