freylich ihr Gegenstand; aber sie betrachtet dieselben nicht blos, wie der grosse Hause, durch das Wort verführt, als verabscheuungs- würdige Handlungen, und den Verbrecher als einen Bösewicht, der des Hasses der Men- schen werth ist; sie führt tiefer in das Innre der Handlungen und des Handelnden hinein, und findet in dem Gewebe der Vorstellungen, Neigungen und Triebe, an welches sich die Handlung knüpfte, nie blos den Finger des Bösen, oft statt der verabscheuungswürdigen Gesinnung, die der Schein zu verrathen schien, mitleidswürdige Schwäche, und zu Handlun- gen, die wegen ihrer äussern Illegalität auch unmoralisch zu seyn scheinen, Motive, die von Stärke und Vortrefflichkeit der Seele zeugen. --
Auf diese Weise lehrt das Studium der Fehler und der Fehlenden, indem es den Blick gewöhnt, durch die äussere Hülle in das Innre zu dringen, Behutsamkeit im Ur-
theil:
G 4
freylich ihr Gegenſtand; aber ſie betrachtet dieſelben nicht blos, wie der groſse Hauſe, durch das Wort verführt, als verabſcheuungs- würdige Handlungen, und den Verbrecher als einen Böſewicht, der des Haſſes der Men- ſchen werth iſt; ſie führt tiefer in das Innre der Handlungen und des Handelnden hinein, und findet in dem Gewebe der Vorſtellungen, Neigungen und Triebe, an welches ſich die Handlung knüpfte, nie blos den Finger des Böſen, oft ſtatt der verabſcheuungswürdigen Geſinnung, die der Schein zu verrathen ſchien, mitleidswürdige Schwäche, und zu Handlun- gen, die wegen ihrer äuſsern Illegalität auch unmoraliſch zu ſeyn ſcheinen, Motive, die von Stärke und Vortrefflichkeit der Seele zeugen. —
Auf dieſe Weiſe lehrt das Studium der Fehler und der Fehlenden, indem es den Blick gewöhnt, durch die äuſsere Hülle in das Innre zu dringen, Behutſamkeit im Ur-
theil:
G 4
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[103/0105]
freylich ihr Gegenſtand; aber ſie betrachtet
dieſelben nicht blos, wie der groſse Hauſe,
durch das Wort verführt, als verabſcheuungs-
würdige Handlungen, und den Verbrecher
als einen Böſewicht, der des Haſſes der Men-
ſchen werth iſt; ſie führt tiefer in das Innre
der Handlungen und des Handelnden hinein,
und findet in dem Gewebe der Vorſtellungen,
Neigungen und Triebe, an welches ſich die
Handlung knüpfte, nie blos den Finger des
Böſen, oft ſtatt der verabſcheuungswürdigen
Geſinnung, die der Schein zu verrathen ſchien,
mitleidswürdige Schwäche, und zu Handlun-
gen, die wegen ihrer äuſsern Illegalität auch
unmoraliſch zu ſeyn ſcheinen, Motive, die
von Stärke und Vortrefflichkeit der Seele
zeugen. —
Auf dieſe Weiſe lehrt das Studium der
Fehler und der Fehlenden, indem es den
Blick gewöhnt, durch die äuſsere Hülle in
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Ideen zu einer Kriminalpsychologie. Halle, 1792, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_crimipsyche_1792/105>, abgerufen am 16.02.2025.
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