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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

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schen Katakomben noch dadurch in eine ganz besondere Beziehung, dass auch sie während des 4ten Jahrhunderts zahlreichen christlichen Einsiedlern zum Wohnorte dienten, wie diese sog. thebaische Wüste auch jetzt noch in ähnlicher Weise von mehreren hundert Arabern bewohnt wird. Fast gleichzeitig findet man demnach in einer höchstmerkwürdigen Uebereinstimmung die buddhistischen und brahmanischen frommen Einsiedler in Vorderindien, die christlichen in Aegypten und in Italien in dunkelen Felsenhöhlen und Felsengrotten, in Felsentempeln und Felsenwohnungen. Ein Auswuchs und Nebenzweig des gottgefälligen Lebens in den Felsen sind die sog. Styliten oder Säulenheiligen, welche sich auf hohe steinerne Säulen zurückzogen und darauf lange Jahre verweilten. Der Stifter der Styliten-Sekte, der fanatische Säulenheilige Sisanites, Sohn eines syrischen Hirten, soll 37 Jahre in heiliger Beschauung auf fünf Säulen von steigender Höhe zugebracht haben. Er starb um das J. 461. Die letzte Säule, die er bewohnte, war 40 Ellen hoch. 700 Jahre lang gab es Menschen, welche diese Lebensart nachahmten und Sancti columnares (Säulenheilige) hiessen. Selbst in Deutschland, im Trierschen, versuchte man Luftklöster anzulegen, aber die Bischöfe widersetzten sich der gefahrvollen Unternehmung.1) Auch in der Schweiz werden deutliche Spuren des frommen Einsiedlerlebens in den Felsen getroffen, z. B. bei Solothurn und beim Uebergange über die Gemmi von Lenk aus. - Nach Pyl, die griechischen Rundbauten, S. 56, würde das Wort [fremdsprachliches Material] gleichbedeutend mit Höhle sein und namentlich wäre das Gortynische Höhlenlabyrinth auf Kreta der dortigen Höhle gleichzustellen, in welcher Zeus geboren sein sollte.

Die schlüsseltragenden oder die eröffnenden und beschliessenden Gottheiten, wie Osiris und Isis bei den Aegyptern, - Hades, Pluto und Hekate,2) Athene bei den Griechen, Janus und Diana, Jana bei den Römern,3) oder

1) Humboldt, Ansichten der Natur, I. S. 221.
2) Wieseler, Denkmäler, II. Nr. 884, 891 und 894 a.
3) Vergl. darüber besonders Böttiger, Ideen zur Kunstmythologie, I. S. 247 ff.

schen Katakomben noch dadurch in eine ganz besondere Beziehung, dass auch sie während des 4ten Jahrhunderts zahlreichen christlichen Einsiedlern zum Wohnorte dienten, wie diese sog. thebaische Wüste auch jetzt noch in ähnlicher Weise von mehreren hundert Arabern bewohnt wird. Fast gleichzeitig findet man demnach in einer höchstmerkwürdigen Uebereinstimmung die buddhistischen und brahmanischen frommen Einsiedler in Vorderindien, die christlichen in Aegypten und in Italien in dunkelen Felsenhöhlen und Felsengrotten, in Felsentempeln und Felsenwohnungen. Ein Auswuchs und Nebenzweig des gottgefälligen Lebens in den Felsen sind die sog. Styliten oder Säulenheiligen, welche sich auf hohe steinerne Säulen zurückzogen und darauf lange Jahre verweilten. Der Stifter der Styliten-Sekte, der fanatische Säulenheilige Sisanites, Sohn eines syrischen Hirten, soll 37 Jahre in heiliger Beschauung auf fünf Säulen von steigender Höhe zugebracht haben. Er starb um das J. 461. Die letzte Säule, die er bewohnte, war 40 Ellen hoch. 700 Jahre lang gab es Menschen, welche diese Lebensart nachahmten und Sancti columnares (Säulenheilige) hiessen. Selbst in Deutschland, im Trierschen, versuchte man Luftklöster anzulegen, aber die Bischöfe widersetzten sich der gefahrvollen Unternehmung.1) Auch in der Schweiz werden deutliche Spuren des frommen Einsiedlerlebens in den Felsen getroffen, z. B. bei Solothurn und beim Uebergange über die Gemmi von Lenk aus. – Nach Pyl, die griechischen Rundbauten, S. 56, würde das Wort [fremdsprachliches Material] gleichbedeutend mit Höhle sein und namentlich wäre das Gortynische Höhlenlabyrinth auf Kreta der dortigen Höhle gleichzustellen, in welcher Zeus geboren sein sollte.

Die schlüsseltragenden oder die eröffnenden und beschliessenden Gottheiten, wie Osiris und Isis bei den Aegyptern, – Hades, Pluto und Hekate,2) Athene bei den Griechen, Janus und Diana, Jana bei den Römern,3) oder

1) Humboldt, Ansichten der Natur, I. S. 221.
2) Wieseler, Denkmäler, II. Nr. 884, 891 und 894 a.
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schen Katakomben noch dadurch in eine ganz besondere Beziehung, dass auch sie während des 4ten Jahrhunderts zahlreichen christlichen Einsiedlern zum Wohnorte dienten, wie diese sog. thebaische Wüste auch jetzt noch in ähnlicher Weise von mehreren hundert Arabern bewohnt wird. Fast gleichzeitig findet man demnach in einer höchstmerkwürdigen Uebereinstimmung die buddhistischen und brahmanischen frommen Einsiedler in Vorderindien, die christlichen in Aegypten und in Italien in dunkelen Felsenhöhlen und Felsengrotten, in Felsentempeln und Felsenwohnungen. Ein Auswuchs und Nebenzweig des gottgefälligen Lebens in den Felsen sind die sog. Styliten oder Säulenheiligen, welche sich auf hohe steinerne Säulen zurückzogen und darauf lange Jahre verweilten. Der Stifter der Styliten-Sekte, der fanatische Säulenheilige Sisanites, Sohn eines syrischen Hirten, soll 37 Jahre in heiliger Beschauung auf fünf Säulen von steigender Höhe zugebracht haben. Er starb um das J. 461. Die letzte Säule, die er bewohnte, war 40 Ellen hoch. 700 Jahre lang gab es Menschen, welche diese Lebensart nachahmten und Sancti columnares (Säulenheilige) hiessen. Selbst in Deutschland, im Trierschen, versuchte man Luftklöster anzulegen, aber die Bischöfe widersetzten sich der gefahrvollen Unternehmung.<note place="foot" n="1)">Humboldt, Ansichten der Natur, I. S. 221.<lb/></note> Auch in der Schweiz werden deutliche Spuren des frommen Einsiedlerlebens in den Felsen getroffen, z. B. bei Solothurn und beim Uebergange über die Gemmi von Lenk aus. &#x2013; Nach Pyl, die griechischen Rundbauten, S. 56, würde das Wort <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm"/></foreign> gleichbedeutend mit Höhle sein und namentlich wäre das Gortynische Höhlenlabyrinth auf Kreta der dortigen Höhle gleichzustellen, in welcher Zeus geboren sein sollte.</p>
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[54/0074] schen Katakomben noch dadurch in eine ganz besondere Beziehung, dass auch sie während des 4ten Jahrhunderts zahlreichen christlichen Einsiedlern zum Wohnorte dienten, wie diese sog. thebaische Wüste auch jetzt noch in ähnlicher Weise von mehreren hundert Arabern bewohnt wird. Fast gleichzeitig findet man demnach in einer höchstmerkwürdigen Uebereinstimmung die buddhistischen und brahmanischen frommen Einsiedler in Vorderindien, die christlichen in Aegypten und in Italien in dunkelen Felsenhöhlen und Felsengrotten, in Felsentempeln und Felsenwohnungen. Ein Auswuchs und Nebenzweig des gottgefälligen Lebens in den Felsen sind die sog. Styliten oder Säulenheiligen, welche sich auf hohe steinerne Säulen zurückzogen und darauf lange Jahre verweilten. Der Stifter der Styliten-Sekte, der fanatische Säulenheilige Sisanites, Sohn eines syrischen Hirten, soll 37 Jahre in heiliger Beschauung auf fünf Säulen von steigender Höhe zugebracht haben. Er starb um das J. 461. Die letzte Säule, die er bewohnte, war 40 Ellen hoch. 700 Jahre lang gab es Menschen, welche diese Lebensart nachahmten und Sancti columnares (Säulenheilige) hiessen. Selbst in Deutschland, im Trierschen, versuchte man Luftklöster anzulegen, aber die Bischöfe widersetzten sich der gefahrvollen Unternehmung. 1) Auch in der Schweiz werden deutliche Spuren des frommen Einsiedlerlebens in den Felsen getroffen, z. B. bei Solothurn und beim Uebergange über die Gemmi von Lenk aus. – Nach Pyl, die griechischen Rundbauten, S. 56, würde das Wort _ gleichbedeutend mit Höhle sein und namentlich wäre das Gortynische Höhlenlabyrinth auf Kreta der dortigen Höhle gleichzustellen, in welcher Zeus geboren sein sollte. Die schlüsseltragenden oder die eröffnenden und beschliessenden Gottheiten, wie Osiris und Isis bei den Aegyptern, – Hades, Pluto und Hekate, 2) Athene bei den Griechen, Janus und Diana, Jana bei den Römern, 3) oder 1) Humboldt, Ansichten der Natur, I. S. 221. 2) Wieseler, Denkmäler, II. Nr. 884, 891 und 894 a. 3) Vergl. darüber besonders Böttiger, Ideen zur Kunstmythologie, I. S. 247 ff.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/74>, abgerufen am 06.05.2024.