Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.und kühnsten gothisch-deutschen Unternehmungen, unvollendet geblieben sind, freilich mit manchem andern gothischen Kirchenbaue, z. B. der Kathedrale von Auxerre (abgebildet bei Lübke, S. 399), der Barbarakirche zu Kuttenberg in Böhmen (Lübke, S. 464), dem Münster zu Ulm, dem Stephansdome zu Wien, dem Dome zu Siena (Lübke, S. 416), dem Dome St. Veit zu Prag (Schnaase, VI. S. 309 ff.); man hatte weniger die Kräfte, als die Lebensdauer des bauenden Geistes überschätzt, welchen letztern bald darauf die religiöse Zwietracht für immer gebrochen und gespalten hat. Die Dome von Cöln und Strassburg tragen die den Säulen des salomonischen Tempels entgegengesetzte Aufschrift der Schwäche und des Verfalls. Nicht die gothische Baukunst ist, wie Schnaase und Lübke (S. 395) behaupten, eine zerklüftete, aber Deutschland ist über seinen gothischen Bauten, "über Steinwerk" nachdem Ausdrucke der gemeinen deutschen Steinmetzordnung, für immer zerklüftet worden und liegt nun als die gebrochene Säule, das eine Stück durch des Eroberers Gewalt vor dem französischen Dome zu Strassburg, das andere Stück durch Gottes Zulassung beim Dome zu Cöln unter Preussens König. Lübke, S. 407, in Vergleichung des griechischen Tempels mit dem gothischen Dome sagt: "Fassen wir Alles in ein Wort zusammen, so ist dem antiken Tempel der Charakter strenger Objectivität und Männlichkeit eigen, während der gothische Dom als Ausdruck subjectiver Empfindung, zarter Weiblichkeit sich darstellt." Mit solchen neu-Hegel'schen oder ächt-Berliner Phrasen ist gar Nichts bezeichnet, zumal in gewissem Sinne der griechische Tempel und der gothische Dom nur zu ihrem gegenseitigen Nachtheile mit einander verglichen werden können und beide auf den entgegengesetztesten Gefühlen, Gedanken und Absichten beruhen. Der griechische Tempel ist die freundliche und würdige Wohnung des aus seinem Götterhimmel zu den Menschen in Menschengestalt herabgestiegenen vereinsamten Gottes und Gottesbildes, - musste und konnte daher als menschliche Wohnung beschränkt, klar und leicht verständlich sein. Der gothische Dom ist das aus dem begeisterten und kühnsten gothisch-deutschen Unternehmungen, unvollendet geblieben sind, freilich mit manchem andern gothischen Kirchenbaue, z. B. der Kathedrale von Auxerre (abgebildet bei Lübke, S. 399), der Barbarakirche zu Kuttenberg in Böhmen (Lübke, S. 464), dem Münster zu Ulm, dem Stephansdome zu Wien, dem Dome zu Siena (Lübke, S. 416), dem Dome St. Veit zu Prag (Schnaase, VI. S. 309 ff.); man hatte weniger die Kräfte, als die Lebensdauer des bauenden Geistes überschätzt, welchen letztern bald darauf die religiöse Zwietracht für immer gebrochen und gespalten hat. Die Dome von Cöln und Strassburg tragen die den Säulen des salomonischen Tempels entgegengesetzte Aufschrift der Schwäche und des Verfalls. Nicht die gothische Baukunst ist, wie Schnaase und Lübke (S. 395) behaupten, eine zerklüftete, aber Deutschland ist über seinen gothischen Bauten, „über Steinwerk“ nachdem Ausdrucke der gemeinen deutschen Steinmetzordnung, für immer zerklüftet worden und liegt nun als die gebrochene Säule, das eine Stück durch des Eroberers Gewalt vor dem französischen Dome zu Strassburg, das andere Stück durch Gottes Zulassung beim Dome zu Cöln unter Preussens König. Lübke, S. 407, in Vergleichung des griechischen Tempels mit dem gothischen Dome sagt: „Fassen wir Alles in ein Wort zusammen, so ist dem antiken Tempel der Charakter strenger Objectivität und Männlichkeit eigen, während der gothische Dom als Ausdruck subjectiver Empfindung, zarter Weiblichkeit sich darstellt.“ Mit solchen neu-Hegel’schen oder ächt-Berliner Phrasen ist gar Nichts bezeichnet, zumal in gewissem Sinne der griechische Tempel und der gothische Dom nur zu ihrem gegenseitigen Nachtheile mit einander verglichen werden können und beide auf den entgegengesetztesten Gefühlen, Gedanken und Absichten beruhen. Der griechische Tempel ist die freundliche und würdige Wohnung des aus seinem Götterhimmel zu den Menschen in Menschengestalt herabgestiegenen vereinsamten Gottes und Gottesbildes, – musste und konnte daher als menschliche Wohnung beschränkt, klar und leicht verständlich sein. 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