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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

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uranfängliche Tiefe und Leere und das ganz unten in der Tiefe befindliche trübe schwarze Wasser hinuntergeblickt und sein Bild sich darin wiedergespiegelt habe, dadurch Petahil oder Fetahil, auch Gabriel genannt (die Seele, des Urmenschen), entstanden sei, der die Doppelnatur des Lichtes und des trüben Wassers hat.1) Die Unschuld, die Reinheit, die Fleckenlosigkeit wird daher bei den Germanen im Feuer und im weissen Kleide bewährt, indem der Angeschuldigte im "gewihsset hemde", d. h. in einem mit Wachs bestrichenen Hemde, unversehrt durch das Feuer geht, wie auf diese Weise die Kaiserin Richardis, die Gemahlin Karls des Dicken, ihre Unschuld wegen Ehebruchs bewiesen haben soll.2) Dem Genius, dem Geiste, dem Lichte musste bei den Römern in weissen oder lichtvollen Kleidern geopfert werden und nach Horat. Od. I. 35, 21 hatten Diejenigen, welche der Fides opferten, das Haupt mit einem weissen Tuch umhüllt. Bei den Muhammedanern auf Java ist Weiss die Farbe der Trauer, um anzudeuten, dass der Verstorbene in das Licht hinübergegangen sei.3) Die schöne Frau des Raubschlosses Neuenbürg in Unterfranken erscheint in einem weissen oder himmelblauen Gewande und mit sehr feinem Schleier.4) Im Umkreis von Remiremont im Departement des Vosges ist ein weisses Huhn das Symbol der Unschuld und ein solches wird daher einer reinen Jungfrau an ihrem Hochzeitstage zum Ehrengeschenk dargebracht.5) In keltischen Sagen kommen auch die weissgekleideten Todten auf dem Angstweier in kleinen Barken vor.6) - Gewiss aus der alten Janusgestalt, aus den zwei Tempelsäulen hervorgegangen ist auch das mittelalterliche Bild der Welt, eine nach der vordern Seite blühende und liebenswürdige Frau,

1) Petermann, Reisen im Orient, II. S. 450.
2) Stüber, Sagen des Elsasses, St. Gallen 1858, Nr. 131; Grimm, deutsche Sagen, II. S. 459.
3) Ida Pfeiffer, meine zweite Weltreise, II. S. 134.
4) Wolf, Zeitschrift, I. S. 293.
5) Eckermann, Lehrbuch der Religionsgeschichte und Mythologie, III. 1, S. 26.
6) Eckermann, III. 1. S. 29.

uranfängliche Tiefe und Leere und das ganz unten in der Tiefe befindliche trübe schwarze Wasser hinuntergeblickt und sein Bild sich darin wiedergespiegelt habe, dadurch Petáhil oder Fetáhil, auch Gabriel genannt (die Seele, des Urmenschen), entstanden sei, der die Doppelnatur des Lichtes und des trüben Wassers hat.1) Die Unschuld, die Reinheit, die Fleckenlosigkeit wird daher bei den Germanen im Feuer und im weissen Kleide bewährt, indem der Angeschuldigte im „gewihsset hemde“, d. h. in einem mit Wachs bestrichenen Hemde, unversehrt durch das Feuer geht, wie auf diese Weise die Kaiserin Richardis, die Gemahlin Karls des Dicken, ihre Unschuld wegen Ehebruchs bewiesen haben soll.2) Dem Genius, dem Geiste, dem Lichte musste bei den Römern in weissen oder lichtvollen Kleidern geopfert werden und nach Horat. Od. I. 35, 21 hatten Diejenigen, welche der Fides opferten, das Haupt mit einem weissen Tuch umhüllt. Bei den Muhammedanern auf Java ist Weiss die Farbe der Trauer, um anzudeuten, dass der Verstorbene in das Licht hinübergegangen sei.3) Die schöne Frau des Raubschlosses Neuenbürg in Unterfranken erscheint in einem weissen oder himmelblauen Gewande und mit sehr feinem Schleier.4) Im Umkreis von Remiremont im Departement des Vosges ist ein weisses Huhn das Symbol der Unschuld und ein solches wird daher einer reinen Jungfrau an ihrem Hochzeitstage zum Ehrengeschenk dargebracht.5) In keltischen Sagen kommen auch die weissgekleideten Todten auf dem Angstweier in kleinen Barken vor.6) – Gewiss aus der alten Janusgestalt, aus den zwei Tempelsäulen hervorgegangen ist auch das mittelalterliche Bild der Welt, eine nach der vordern Seite blühende und liebenswürdige Frau,

1) Petermann, Reisen im Orient, II. S. 450.
2) Stüber, Sagen des Elsasses, St. Gallen 1858, Nr. 131; Grimm, deutsche Sagen, II. S. 459.
3) Ida Pfeiffer, meine zweite Weltreise, II. S. 134.
4) Wolf, Zeitschrift, I. S. 293.
5) Eckermann, Lehrbuch der Religionsgeschichte und Mythologie, III. 1, S. 26.
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[34/0054] uranfängliche Tiefe und Leere und das ganz unten in der Tiefe befindliche trübe schwarze Wasser hinuntergeblickt und sein Bild sich darin wiedergespiegelt habe, dadurch Petáhil oder Fetáhil, auch Gabriel genannt (die Seele, des Urmenschen), entstanden sei, der die Doppelnatur des Lichtes und des trüben Wassers hat. 1) Die Unschuld, die Reinheit, die Fleckenlosigkeit wird daher bei den Germanen im Feuer und im weissen Kleide bewährt, indem der Angeschuldigte im „gewihsset hemde“, d. h. in einem mit Wachs bestrichenen Hemde, unversehrt durch das Feuer geht, wie auf diese Weise die Kaiserin Richardis, die Gemahlin Karls des Dicken, ihre Unschuld wegen Ehebruchs bewiesen haben soll. 2) Dem Genius, dem Geiste, dem Lichte musste bei den Römern in weissen oder lichtvollen Kleidern geopfert werden und nach Horat. Od. I. 35, 21 hatten Diejenigen, welche der Fides opferten, das Haupt mit einem weissen Tuch umhüllt. Bei den Muhammedanern auf Java ist Weiss die Farbe der Trauer, um anzudeuten, dass der Verstorbene in das Licht hinübergegangen sei. 3) Die schöne Frau des Raubschlosses Neuenbürg in Unterfranken erscheint in einem weissen oder himmelblauen Gewande und mit sehr feinem Schleier. 4) Im Umkreis von Remiremont im Departement des Vosges ist ein weisses Huhn das Symbol der Unschuld und ein solches wird daher einer reinen Jungfrau an ihrem Hochzeitstage zum Ehrengeschenk dargebracht. 5) In keltischen Sagen kommen auch die weissgekleideten Todten auf dem Angstweier in kleinen Barken vor. 6) – Gewiss aus der alten Janusgestalt, aus den zwei Tempelsäulen hervorgegangen ist auch das mittelalterliche Bild der Welt, eine nach der vordern Seite blühende und liebenswürdige Frau, 1) Petermann, Reisen im Orient, II. S. 450. 2) Stüber, Sagen des Elsasses, St. Gallen 1858, Nr. 131; Grimm, deutsche Sagen, II. S. 459. 3) Ida Pfeiffer, meine zweite Weltreise, II. S. 134. 4) Wolf, Zeitschrift, I. S. 293. 5) Eckermann, Lehrbuch der Religionsgeschichte und Mythologie, III. 1, S. 26. 6) Eckermann, III. 1. S. 29.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/54>, abgerufen am 06.05.2024.