Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Halse, mit gefalteten Händen und mit zwei weissen Handschuhen, mit einem grünen Kreuz und mit einem Königsgulden vor den Freistuhl führen, von dem er verurtheilt worden war; dort sollte er auf seine Kniee fallen und um Gnade bitten, worauf der Freigraf ihn beim Namen nennen, bei der Hand nehmen und aufstehen heissen, ihm Strick oder Seil vom Hals thun und ihn wieder in seinen frühern Frieden, Freiheit und Recht einsetzen soll.1) - Das Vervehmungsurtheil, welches zum Zweck der Vollziehung dem Ankläger ausgefertigt werden konnte, sollte von 7 Freischöffen besiegelt sein.2)

Ihre Thätigkeit versuchten die westphälischen Freigerichte selbst bis nach der Schweiz in seltenen Fällen auszudehnen.3) Zur vollständigen Durchführung gelangte der Vehmprocess Conrad Wenigers gegen die Stadt St. Gallen in den Jahren 1469 - 1471 und derjenige zwischen Gregor Steinmetz und dem Hochgericht Waltersburg im grauen Bunde in den Jahren 1494 und 1495.4) Im 15ten Jahrh. waren auch viele Schweizer Freischöffen gewesen.5)

Da das Handwerk nicht blos früher, sondern auch bei weitem nothwendiger und häufiger, auch verständlicher als die Kunst ist, tritt die Kunst nur leise und langsam und unbemerkt in das Handwerk ein und die Künstler bleiben überall noch lange mit den Handwerkern als ihren Genossen verbunden, weil die Handwerke dennoch die Wiege der Kunst sind und zur Ausführung aller Kunstwerke, vorzügIich aber der grossen Bauten, die Hülfe der Handwerker gebraucht wird. Die städtischen Gesetzgebungen und besonders die deutschen mittelalterlichen Gesetzgebungen, über welche letztere nur Kraut, Grundriss zu Vorlesungen über das deutsche Privatrecht, §. 90 ff., verglichen werden mag, beschäftigen sich einzig und allein

1) Wächter, S. 213.
2) Wächter, S. 216.
3) Segesser, Rechtsgesch. der Stadt und Republik Lucern, II. S. 124 ff.
4) Vergl. Reding und Näf-Oberteuffer, Urkunden zu Beleuchtung der westphälischen Gerichte in der Eidgenossenschaft, im Archiv für schweizerische Gesch., III. S. 291 ff.
5) Archiv, III. S. 395.

Halse, mit gefalteten Händen und mit zwei weissen Handschuhen, mit einem grünen Kreuz und mit einem Königsgulden vor den Freistuhl führen, von dem er verurtheilt worden war; dort sollte er auf seine Kniee fallen und um Gnade bitten, worauf der Freigraf ihn beim Namen nennen, bei der Hand nehmen und aufstehen heissen, ihm Strick oder Seil vom Hals thun und ihn wieder in seinen frühern Frieden, Freiheit und Recht einsetzen soll.1) – Das Vervehmungsurtheil, welches zum Zweck der Vollziehung dem Ankläger ausgefertigt werden konnte, sollte von 7 Freischöffen besiegelt sein.2)

Ihre Thätigkeit versuchten die westphälischen Freigerichte selbst bis nach der Schweiz in seltenen Fällen auszudehnen.3) Zur vollständigen Durchführung gelangte der Vehmprocess Conrad Wenigers gegen die Stadt St. Gallen in den Jahren 1469 – 1471 und derjenige zwischen Gregor Steinmetz und dem Hochgericht Waltersburg im grauen Bunde in den Jahren 1494 und 1495.4) Im 15ten Jahrh. waren auch viele Schweizer Freischöffen gewesen.5)

Da das Handwerk nicht blos früher, sondern auch bei weitem nothwendiger und häufiger, auch verständlicher als die Kunst ist, tritt die Kunst nur leise und langsam und unbemerkt in das Handwerk ein und die Künstler bleiben überall noch lange mit den Handwerkern als ihren Genossen verbunden, weil die Handwerke dennoch die Wiege der Kunst sind und zur Ausführung aller Kunstwerke, vorzügIich aber der grossen Bauten, die Hülfe der Handwerker gebraucht wird. Die städtischen Gesetzgebungen und besonders die deutschen mittelalterlichen Gesetzgebungen, über welche letztere nur Kraut, Grundriss zu Vorlesungen über das deutsche Privatrecht, §. 90 ff., verglichen werden mag, beschäftigen sich einzig und allein

1) Wächter, S. 213.
2) Wächter, S. 216.
3) Segesser, Rechtsgesch. der Stadt und Republik Lucern, II. S. 124 ff.
4) Vergl. Reding und Näf-Oberteuffer, Urkunden zu Beleuchtung der westphälischen Gerichte in der Eidgenossenschaft, im Archiv für schweizerische Gesch., III. S. 291 ff.
5) Archiv, III. S. 395.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0467" n="447"/>
Halse, mit gefalteten Händen und mit <hi rendition="#g">zwei weissen Handschuhen</hi>, mit einem grünen Kreuz und mit einem Königsgulden vor den Freistuhl führen, von dem er verurtheilt worden war; dort sollte er auf seine Kniee fallen und um Gnade bitten, worauf der Freigraf ihn beim Namen nennen, bei der Hand nehmen und aufstehen heissen, ihm Strick oder Seil vom Hals thun und ihn wieder in seinen frühern Frieden, Freiheit und Recht einsetzen soll.<note place="foot" n="1)">Wächter, S. 213.<lb/></note> &#x2013; Das Vervehmungsurtheil, welches zum Zweck der Vollziehung dem Ankläger ausgefertigt werden konnte, sollte von 7 Freischöffen besiegelt sein.<note place="foot" n="2)">Wächter, S. 216.<lb/></note></p>
        <p>
     Ihre Thätigkeit versuchten die westphälischen Freigerichte selbst bis nach der Schweiz in seltenen Fällen auszudehnen.<note place="foot" n="3)">Segesser, Rechtsgesch. der Stadt und Republik Lucern, II. S. 124 ff.<lb/></note> Zur vollständigen Durchführung gelangte der Vehmprocess Conrad Wenigers gegen die Stadt St. Gallen in den Jahren 1469 &#x2013; 1471 und derjenige zwischen Gregor Steinmetz und dem Hochgericht Waltersburg im grauen Bunde in den Jahren 1494 und 1495.<note place="foot" n="4)">Vergl. Reding und Näf-Oberteuffer, Urkunden zu Beleuchtung der westphälischen Gerichte in der Eidgenossenschaft, im Archiv für schweizerische Gesch., III. S. 291 ff.<lb/></note> Im 15ten Jahrh. waren auch viele Schweizer Freischöffen gewesen.<note place="foot" n="5)">Archiv, III. S. 395.</note></p>
        <p>
 Da das Handwerk nicht blos früher, sondern auch bei weitem nothwendiger und häufiger, auch verständlicher als die Kunst ist, tritt die Kunst nur leise und langsam und unbemerkt in das Handwerk ein und die Künstler bleiben überall noch lange mit den Handwerkern als ihren Genossen verbunden, weil die Handwerke dennoch die Wiege der Kunst sind und zur Ausführung aller Kunstwerke, vorzügIich aber der grossen Bauten, die Hülfe der Handwerker gebraucht wird. Die städtischen Gesetzgebungen und besonders die deutschen mittelalterlichen Gesetzgebungen, über welche letztere nur Kraut, Grundriss zu Vorlesungen über das deutsche Privatrecht, §. 90 ff., verglichen werden mag, beschäftigen sich einzig und allein
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[447/0467] Halse, mit gefalteten Händen und mit zwei weissen Handschuhen, mit einem grünen Kreuz und mit einem Königsgulden vor den Freistuhl führen, von dem er verurtheilt worden war; dort sollte er auf seine Kniee fallen und um Gnade bitten, worauf der Freigraf ihn beim Namen nennen, bei der Hand nehmen und aufstehen heissen, ihm Strick oder Seil vom Hals thun und ihn wieder in seinen frühern Frieden, Freiheit und Recht einsetzen soll. 1) – Das Vervehmungsurtheil, welches zum Zweck der Vollziehung dem Ankläger ausgefertigt werden konnte, sollte von 7 Freischöffen besiegelt sein. 2) Ihre Thätigkeit versuchten die westphälischen Freigerichte selbst bis nach der Schweiz in seltenen Fällen auszudehnen. 3) Zur vollständigen Durchführung gelangte der Vehmprocess Conrad Wenigers gegen die Stadt St. Gallen in den Jahren 1469 – 1471 und derjenige zwischen Gregor Steinmetz und dem Hochgericht Waltersburg im grauen Bunde in den Jahren 1494 und 1495. 4) Im 15ten Jahrh. waren auch viele Schweizer Freischöffen gewesen. 5) Da das Handwerk nicht blos früher, sondern auch bei weitem nothwendiger und häufiger, auch verständlicher als die Kunst ist, tritt die Kunst nur leise und langsam und unbemerkt in das Handwerk ein und die Künstler bleiben überall noch lange mit den Handwerkern als ihren Genossen verbunden, weil die Handwerke dennoch die Wiege der Kunst sind und zur Ausführung aller Kunstwerke, vorzügIich aber der grossen Bauten, die Hülfe der Handwerker gebraucht wird. Die städtischen Gesetzgebungen und besonders die deutschen mittelalterlichen Gesetzgebungen, über welche letztere nur Kraut, Grundriss zu Vorlesungen über das deutsche Privatrecht, §. 90 ff., verglichen werden mag, beschäftigen sich einzig und allein 1) Wächter, S. 213. 2) Wächter, S. 216. 3) Segesser, Rechtsgesch. der Stadt und Republik Lucern, II. S. 124 ff. 4) Vergl. Reding und Näf-Oberteuffer, Urkunden zu Beleuchtung der westphälischen Gerichte in der Eidgenossenschaft, im Archiv für schweizerische Gesch., III. S. 291 ff. 5) Archiv, III. S. 395.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/467
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/467>, abgerufen am 27.06.2024.