Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Florenz 30,000 Einwohner von Tuchhandel und Weberei; es wurden jährlich 70 - 80,000 Stücke Tuch verfertigt und es bestanden 200 Gewölbe, welche sich später auf 275 vermehrten, für Wollenverkauf. Bezeichnend für die gewerbliche Entwicklung und Blüthe der oberrheinischen Städte ist es, dass z. B. nach einer Urkunde des Stiftes Creuzlingen von 1421 der Zunftmeister und die Zunft der Kürsner,1) welche somit zu Constanz eine besondere und alte Zunft ausmachten, 22 Pfund Pfenninge zu einem Baue ihrer Trinkstube entlehnten;2) in einer andern Creuzlinger Urkunde vom J. 1495 wird ein Zunftmeister der Rebleute zu Constanz erwähnt.3) Die Nothwendigkeit und Nützlichkeit der mit der Kleidung der Menschen sich beschäftigenden Gewerbe, wie auch der Gewerbe, welche die Ernährung, Unterbringung und Bewaffnung derselben zum Gegenstande haben, bewirkte selbstverständlich, dass sie nicht allein überall mit den Menschen fortbestanden, sondern auch von Denjenigen, welche sie noch nicht besassen, aufgenommen wurden. Da nicht einmal behauptet wird, es sei in Italien, Gallien und Britannien jemals die alte römische Bevölkerung vollständig untergegangen und ausgerottet worden, dauerten mit dem Volke auch die alte Bildung, Handwerke, Künste und Wissenschaften fort und übertrugen sich von ihm auf die später dahin gekommenen germanischen Völker. So lange diese Völker nur noch dem Ackerbau und auf dem Lande lebten, war die Betreibung der Gewerbe eine bäuerliche, eine ländliche und gutsherrliche, d. h. nur dem Dienste des Gutsherrn bestimmt, - die Handwerker waren gutsherrliche Diener und Dienstboten; nachdem aber die Germanen in Städten zu leben anfingen, wurden auch die Gewerbe städtisch und die Handwerker freie Stadtbürger unter anfänglich noch von den Grundherrn, bald aber selbst erwahlten Zunftmeistern; manche Gewerbe und vorzüglich der Handel, der Luxus, die Kunst und Wissenschaft zogen erst mit den Städten und in dieselben ein.

1) Vergl. über das hohe Alter der Kürsnerzunft Semper, I. S. 99 ff.
2) Mohr, Regesten, II. S. 31, Nr. 294.
3) Mohr, II. S. 39, Nr. 431.

Florenz 30,000 Einwohner von Tuchhandel und Weberei; es wurden jährlich 70 – 80,000 Stücke Tuch verfertigt und es bestanden 200 Gewölbe, welche sich später auf 275 vermehrten, für Wollenverkauf. Bezeichnend für die gewerbliche Entwicklung und Blüthe der oberrheinischen Städte ist es, dass z. B. nach einer Urkunde des Stiftes Creuzlingen von 1421 der Zunftmeister und die Zunft der Kürsner,1) welche somit zu Constanz eine besondere und alte Zunft ausmachten, 22 Pfund Pfenninge zu einem Baue ihrer Trinkstube entlehnten;2) in einer andern Creuzlinger Urkunde vom J. 1495 wird ein Zunftmeister der Rebleute zu Constanz erwähnt.3) Die Nothwendigkeit und Nützlichkeit der mit der Kleidung der Menschen sich beschäftigenden Gewerbe, wie auch der Gewerbe, welche die Ernährung, Unterbringung und Bewaffnung derselben zum Gegenstande haben, bewirkte selbstverständlich, dass sie nicht allein überall mit den Menschen fortbestanden, sondern auch von Denjenigen, welche sie noch nicht besassen, aufgenommen wurden. Da nicht einmal behauptet wird, es sei in Italien, Gallien und Britannien jemals die alte römische Bevölkerung vollständig untergegangen und ausgerottet worden, dauerten mit dem Volke auch die alte Bildung, Handwerke, Künste und Wissenschaften fort und übertrugen sich von ihm auf die später dahin gekommenen germanischen Völker. So lange diese Völker nur noch dem Ackerbau und auf dem Lande lebten, war die Betreibung der Gewerbe eine bäuerliche, eine ländliche und gutsherrliche, d. h. nur dem Dienste des Gutsherrn bestimmt, – die Handwerker waren gutsherrliche Diener und Dienstboten; nachdem aber die Germanen in Städten zu leben anfingen, wurden auch die Gewerbe städtisch und die Handwerker freie Stadtbürger unter anfänglich noch von den Grundherrn, bald aber selbst erwahlten Zunftmeistern; manche Gewerbe und vorzüglich der Handel, der Luxus, die Kunst und Wissenschaft zogen erst mit den Städten und in dieselben ein.

1) Vergl. über das hohe Alter der Kürsnerzunft Semper, I. S. 99 ff.
2) Mohr, Regesten, II. S. 31, Nr. 294.
3) Mohr, II. S. 39, Nr. 431.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0311" n="291"/>
Florenz 30,000 Einwohner von Tuchhandel und Weberei; es wurden jährlich 70 &#x2013; 80,000 Stücke Tuch verfertigt und es bestanden 200 Gewölbe, welche sich später auf 275 vermehrten, für Wollenverkauf. Bezeichnend für die gewerbliche Entwicklung und Blüthe der oberrheinischen Städte ist es, dass z. B. nach einer Urkunde des Stiftes Creuzlingen von 1421 der Zunftmeister und die Zunft der <hi rendition="#g">Kürsner</hi>,<note place="foot" n="1)">Vergl. über das hohe Alter der Kürsnerzunft Semper, I. S. 99 ff.<lb/></note> welche somit zu Constanz eine besondere und alte Zunft ausmachten, 22 Pfund Pfenninge zu einem Baue ihrer Trinkstube entlehnten;<note place="foot" n="2)">Mohr, Regesten, II. S. 31, Nr. 294.<lb/></note> in einer andern Creuzlinger Urkunde vom J. 1495 wird ein Zunftmeister der Rebleute zu Constanz erwähnt.<note place="foot" n="3)">Mohr, II. S. 39, Nr. 431.</note> Die Nothwendigkeit und Nützlichkeit der mit der Kleidung der Menschen sich beschäftigenden Gewerbe, wie auch der Gewerbe, welche die Ernährung, Unterbringung und Bewaffnung derselben zum Gegenstande haben, bewirkte selbstverständlich, dass sie nicht allein überall mit den Menschen fortbestanden, sondern auch von Denjenigen, welche sie noch nicht besassen, aufgenommen wurden. Da nicht einmal behauptet wird, es sei in Italien, Gallien und Britannien jemals die alte römische Bevölkerung vollständig untergegangen und ausgerottet worden, dauerten mit dem Volke auch die alte Bildung, Handwerke, Künste und Wissenschaften fort und übertrugen sich von ihm auf die später dahin gekommenen germanischen Völker. So lange diese Völker nur noch dem Ackerbau und auf dem Lande lebten, war die Betreibung der Gewerbe eine bäuerliche, eine ländliche und gutsherrliche, d. h. nur dem Dienste des Gutsherrn bestimmt, &#x2013; die Handwerker waren gutsherrliche Diener und Dienstboten; nachdem aber die Germanen in Städten zu leben anfingen, wurden auch die Gewerbe städtisch und die Handwerker freie Stadtbürger unter anfänglich noch von den Grundherrn, bald aber selbst erwahlten Zunftmeistern; manche Gewerbe und vorzüglich der Handel, der Luxus, die Kunst und Wissenschaft zogen erst mit den Städten und in dieselben ein.</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[291/0311] Florenz 30,000 Einwohner von Tuchhandel und Weberei; es wurden jährlich 70 – 80,000 Stücke Tuch verfertigt und es bestanden 200 Gewölbe, welche sich später auf 275 vermehrten, für Wollenverkauf. Bezeichnend für die gewerbliche Entwicklung und Blüthe der oberrheinischen Städte ist es, dass z. B. nach einer Urkunde des Stiftes Creuzlingen von 1421 der Zunftmeister und die Zunft der Kürsner, 1) welche somit zu Constanz eine besondere und alte Zunft ausmachten, 22 Pfund Pfenninge zu einem Baue ihrer Trinkstube entlehnten; 2) in einer andern Creuzlinger Urkunde vom J. 1495 wird ein Zunftmeister der Rebleute zu Constanz erwähnt. 3) Die Nothwendigkeit und Nützlichkeit der mit der Kleidung der Menschen sich beschäftigenden Gewerbe, wie auch der Gewerbe, welche die Ernährung, Unterbringung und Bewaffnung derselben zum Gegenstande haben, bewirkte selbstverständlich, dass sie nicht allein überall mit den Menschen fortbestanden, sondern auch von Denjenigen, welche sie noch nicht besassen, aufgenommen wurden. Da nicht einmal behauptet wird, es sei in Italien, Gallien und Britannien jemals die alte römische Bevölkerung vollständig untergegangen und ausgerottet worden, dauerten mit dem Volke auch die alte Bildung, Handwerke, Künste und Wissenschaften fort und übertrugen sich von ihm auf die später dahin gekommenen germanischen Völker. So lange diese Völker nur noch dem Ackerbau und auf dem Lande lebten, war die Betreibung der Gewerbe eine bäuerliche, eine ländliche und gutsherrliche, d. h. nur dem Dienste des Gutsherrn bestimmt, – die Handwerker waren gutsherrliche Diener und Dienstboten; nachdem aber die Germanen in Städten zu leben anfingen, wurden auch die Gewerbe städtisch und die Handwerker freie Stadtbürger unter anfänglich noch von den Grundherrn, bald aber selbst erwahlten Zunftmeistern; manche Gewerbe und vorzüglich der Handel, der Luxus, die Kunst und Wissenschaft zogen erst mit den Städten und in dieselben ein. 1) Vergl. über das hohe Alter der Kürsnerzunft Semper, I. S. 99 ff. 2) Mohr, Regesten, II. S. 31, Nr. 294. 3) Mohr, II. S. 39, Nr. 431.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/311
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/311>, abgerufen am 24.11.2024.