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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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stehen zu dem Lichte des Ostens zurückkehren und dann unsterblich in ihm wohnen. Die Unterwelt und der Todtenrichter sind ein so nothwendiger Bestandtheil jedes alterthümlichen Gottglaubens, eines jeden Mysteriendienstes, dass sie auch bei den alten Bauleuten nicht gefehlt haben können und es als eine wirklich gedankenlose, völlig ungeschichtliche Behauptung erscheint, es sei die chthosche Mythe erst im 17. Jahrhundert in England der Maurerei zur Verschleierung politischer Pläne und Umtriebe aufgepfropft worden. Das gewaltsame Erschlagen des Hiram (des Lebenden) symbolisirt nur die alles bezwingende Macht des Todes, den[fremdsprachliches Material] der Griechen; alle Menschen, die grossen wie die kleinen, die reichen wie die armen, die alten wie die jungen werden einst die Beute des Todes. Sadi spricht:

Der stolze Fürst, der Nationen fesselt,
Der Derwisch, der sein täglich Brod erbettelt, -
Sie werden, wenn die Todesstund' wird schlagen,
Aus dieser Welt nichts als das Leintuch tragen.
Gilt es zu wandern in das Todtenreich,
Ist Armuth besser als ein Königreich.1)

Die dramatische Darstellung des Leidens und Sterbens des Hiram ist durchaus alterthümlich und war in verwandter Weise namentlich einstens auch an dem ennaeterischen oder neunjährigen, zur Zeit des Sommersolstitiums gefeierten Hauptfeste des Zeus bei dem achäischen Stamme gebräuchlich.2) Dem [fremdsprachliches Material] verwandt ist der Dionysos Zagreus (der Jäger3)) und die Persephone Thera (Jägerin), wie der Ares Thereitas (Jäger4)), indem die jagenden Todesgottheiten nur ein Bild des alleserjagenden und erreichenden Todes sind; selbst die allesrächenden Eumeniden erscheinen bei Aeschylos Eum. 69 ff. als Jägerinnen. Diese jagenden Todesgottheiten, denen auch die Walküren beigesellt werden dürfen, sind die jagenden und heulenden Stürme der Lüfte, die Sturmeswinde, daher

1) Wolf, Sadi's Rosengarten, Stuttgart 1841. S. 142.
2) Müller, II. S. 191 ff.
3) Preller, griech. Mythol., 1. S. 499 Anm.
4) Müller, III. S. 113 ff.

stehen zu dem Lichte des Ostens zurückkehren und dann unsterblich in ihm wohnen. Die Unterwelt und der Todtenrichter sind ein so nothwendiger Bestandtheil jedes alterthümlichen Gottglaubens, eines jeden Mysteriendienstes, dass sie auch bei den alten Bauleuten nicht gefehlt haben können und es als eine wirklich gedankenlose, völlig ungeschichtliche Behauptung erscheint, es sei die chthosche Mythe erst im 17. Jahrhundert in England der Maurerei zur Verschleierung politischer Pläne und Umtriebe aufgepfropft worden. Das gewaltsame Erschlagen des Hiram (des Lebenden) symbolisirt nur die alles bezwingende Macht des Todes, den[fremdsprachliches Material] der Griechen; alle Menschen, die grossen wie die kleinen, die reichen wie die armen, die alten wie die jungen werden einst die Beute des Todes. Sadi spricht:

Der stolze Fürst, der Nationen fesselt,
Der Derwisch, der sein täglich Brod erbettelt, –
Sie werden, wenn die Todesstund’ wird schlagen,
Aus dieser Welt nichts als das Leintuch tragen.
Gilt es zu wandern in das Todtenreich,
Ist Armuth besser als ein Königreich.1)

Die dramatische Darstellung des Leidens und Sterbens des Hiram ist durchaus alterthümlich und war in verwandter Weise namentlich einstens auch an dem ennaeterischen oder neunjährigen, zur Zeit des Sommersolstitiums gefeierten Hauptfeste des Zeus bei dem achäischen Stamme gebräuchlich.2) Dem [fremdsprachliches Material] verwandt ist der Dionysos Zagreus (der Jäger3)) und die Persephone Thera (Jägerin), wie der Ares Thereitas (Jäger4)), indem die jagenden Todesgottheiten nur ein Bild des alleserjagenden und erreichenden Todes sind; selbst die allesrächenden Eumeniden erscheinen bei Aeschylos Eum. 69 ff. als Jägerinnen. Diese jagenden Todesgottheiten, denen auch die Walküren beigesellt werden dürfen, sind die jagenden und heulenden Stürme der Lüfte, die Sturmeswinde, daher

1) Wolf, Sadi’s Rosengarten, Stuttgart 1841. S. 142.
2) Müller, II. S. 191 ff.
3) Preller, griech. Mythol., 1. S. 499 Anm.
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[779/0799] stehen zu dem Lichte des Ostens zurückkehren und dann unsterblich in ihm wohnen. Die Unterwelt und der Todtenrichter sind ein so nothwendiger Bestandtheil jedes alterthümlichen Gottglaubens, eines jeden Mysteriendienstes, dass sie auch bei den alten Bauleuten nicht gefehlt haben können und es als eine wirklich gedankenlose, völlig ungeschichtliche Behauptung erscheint, es sei die chthosche Mythe erst im 17. Jahrhundert in England der Maurerei zur Verschleierung politischer Pläne und Umtriebe aufgepfropft worden. Das gewaltsame Erschlagen des Hiram (des Lebenden) symbolisirt nur die alles bezwingende Macht des Todes, den_ der Griechen; alle Menschen, die grossen wie die kleinen, die reichen wie die armen, die alten wie die jungen werden einst die Beute des Todes. Sadi spricht: Der stolze Fürst, der Nationen fesselt, Der Derwisch, der sein täglich Brod erbettelt, – Sie werden, wenn die Todesstund’ wird schlagen, Aus dieser Welt nichts als das Leintuch tragen. Gilt es zu wandern in das Todtenreich, Ist Armuth besser als ein Königreich. 1) Die dramatische Darstellung des Leidens und Sterbens des Hiram ist durchaus alterthümlich und war in verwandter Weise namentlich einstens auch an dem ennaeterischen oder neunjährigen, zur Zeit des Sommersolstitiums gefeierten Hauptfeste des Zeus bei dem achäischen Stamme gebräuchlich. 2) Dem _ verwandt ist der Dionysos Zagreus (der Jäger 3)) und die Persephone Thera (Jägerin), wie der Ares Thereitas (Jäger 4)), indem die jagenden Todesgottheiten nur ein Bild des alleserjagenden und erreichenden Todes sind; selbst die allesrächenden Eumeniden erscheinen bei Aeschylos Eum. 69 ff. als Jägerinnen. Diese jagenden Todesgottheiten, denen auch die Walküren beigesellt werden dürfen, sind die jagenden und heulenden Stürme der Lüfte, die Sturmeswinde, daher 1) Wolf, Sadi’s Rosengarten, Stuttgart 1841. S. 142. 2) Müller, II. S. 191 ff. 3) Preller, griech. Mythol., 1. S. 499 Anm. 4) Müller, III. S. 113 ff.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 779. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/799>, abgerufen am 16.07.2024.