Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Flecken Potniae in Böotien, welcher im Alterthum durch seine Pferdezucht berühmt war, stammenden Rossen zerrissen und verzehrt wird.1) Das Schicksal dieses Glaukos hatte Aeschylos in seinem Trauerspiele [fremdsprachliches Material], besungen, von welchem nur wenige Fragmente auf uns gekommen sind, die aber noch durch einige darauf bezügliche Anspielungen beim Aristophanes ergänzt werden. Auch Demeter und Proserpina führten den Beinamen der potnischen Göttinnen,2) d. h. wurden zugleich unter dem Bilde des Meeres oder als das Meer gedacht, und es war ihnen zu Potniae ein Brunnen heilig, der die Kraft hatte, die Trinkenden rasend zu machen, und aus welchem eben, die Pferde des Glaukos getrunken haben sollten.3) Dieser potnische Brunnen ist das Wolken- und Erdmeer, welches im Herbst und besonders zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche heftig zu stürmen, zu rasen beginnt, und dieses brausenden Wolken und Wogen, die Aequinoktialstürme, die rasenden Rosse und wilden Titanen zerreissen den Glaukos4) und den Dionysos, den Himmel, das Meer und die Erde, - führen das Leben zum Tode, machen die überweltliche Aphrodite zur unterweltlichen Proserpina oder Persephone, - rauben der Mutter Erde die blühende Tochter und den Sohn (Hiram). So treten Osiris, Dionysos, Glaukos und Hiram in die innigste Verwandtschaft und sind alle nur Bilder des den Herbststürmen unterliegenden Naturlebens. Der sich selbst in seiner Raserei, in den Herbststürmen in das Meer stürzende und dort unsterblich fortlebende Glaukos steht gleichfalls wieder dem auf dem Scheiterhaufen sich selbst verbrennenden Herakles oder dem in seinem eigenen Neste verbrannten Vogel Phönix5) zur Seite. Preller, griech. Mythol., II. S. 53, vergleicht treffend den von seinen Rossen zerrissenen Glau-

1) Gaedechens, Glaukos, S. 198 ff.
2) Preller, Demeter und Persephone, S. 194 Anm. 24.
3) Funke, Real-Schullexikon unter Potniae deae; Gaedechens, a. a. O., S. 201 Anm. 2.
4) Ueber den bakchischen Charakter des Glaukos vergl. Gaedechens, S. 113 ff.
5) Kanne, allgemeine Mythol., S. 292; Dunker, Geschichte des Alterthms, I. S. 58.

Flecken Potniae in Böotien, welcher im Alterthum durch seine Pferdezucht berühmt war, stammenden Rossen zerrissen und verzehrt wird.1) Das Schicksal dieses Glaukos hatte Aeschylos in seinem Trauerspiele [fremdsprachliches Material], besungen, von welchem nur wenige Fragmente auf uns gekommen sind, die aber noch durch einige darauf bezügliche Anspielungen beim Aristophanes ergänzt werden. Auch Demeter und Proserpina führten den Beinamen der potnischen Göttinnen,2) d. h. wurden zugleich unter dem Bilde des Meeres oder als das Meer gedacht, und es war ihnen zu Potniae ein Brunnen heilig, der die Kraft hatte, die Trinkenden rasend zu machen, und aus welchem eben, die Pferde des Glaukos getrunken haben sollten.3) Dieser potnische Brunnen ist das Wolken- und Erdmeer, welches im Herbst und besonders zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche heftig zu stürmen, zu rasen beginnt, und dieses brausenden Wolken und Wogen, die Aequinoktialstürme, die rasenden Rosse und wilden Titanen zerreissen den Glaukos4) und den Dionysos, den Himmel, das Meer und die Erde, - führen das Leben zum Tode, machen die überweltliche Aphrodite zur unterweltlichen Proserpina oder Persephone, - rauben der Mutter Erde die blühende Tochter und den Sohn (Hiram). So treten Osiris, Dionysos, Glaukos und Hiram in die innigste Verwandtschaft und sind alle nur Bilder des den Herbststürmen unterliegenden Naturlebens. Der sich selbst in seiner Raserei, in den Herbststürmen in das Meer stürzende und dort unsterblich fortlebende Glaukos steht gleichfalls wieder dem auf dem Scheiterhaufen sich selbst verbrennenden Herakles oder dem in seinem eigenen Neste verbrannten Vogel Phönix5) zur Seite. Preller, griech. Mythol., II. S. 53, vergleicht treffend den von seinen Rossen zerrissenen Glau-

1) Gaedechens, Glaukos, S. 198 ff.
2) Preller, Demeter und Persephone, S. 194 Anm. 24.
3) Funke, Real-Schullexikon unter Potniae deae; Gaedechens, a. a. O., S. 201 Anm. 2.
4) Ueber den bakchischen Charakter des Glaukos vergl. Gaedechens, S. 113 ff.
5) Kanne, allgemeine Mythol., S. 292; Dunker, Geschichte des Alterthms, I. S. 58.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0611" n="591"/>
Flecken Potniae in Böotien, welcher im Alterthum durch seine Pferdezucht berühmt war, stammenden Rossen zerrissen und verzehrt wird.<note place="foot" n="1)">Gaedechens, Glaukos, S. 198 ff.<lb/></note> Das Schicksal dieses Glaukos hatte Aeschylos in seinem Trauerspiele <foreign xml:lang="ell"><gap reason="fm"/></foreign>, besungen, von welchem nur wenige Fragmente auf uns gekommen sind, die aber noch durch einige darauf bezügliche Anspielungen beim Aristophanes ergänzt werden. Auch Demeter und Proserpina führten den Beinamen der potnischen Göttinnen,<note place="foot" n="2)">Preller, Demeter und Persephone, S. 194 Anm. 24.<lb/></note> d. h. wurden zugleich unter dem Bilde des Meeres oder als das Meer gedacht, und es war ihnen zu Potniae ein <hi rendition="#g">Brunnen</hi> heilig, der die Kraft hatte, die Trinkenden rasend zu machen, und aus welchem eben, die Pferde des Glaukos getrunken haben sollten.<note place="foot" n="3)">Funke, Real-Schullexikon unter Potniae deae; Gaedechens, a. a. O., S. 201 Anm. 2.<lb/></note> Dieser potnische Brunnen ist das Wolken- und Erdmeer, welches im Herbst und besonders zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche heftig zu stürmen, zu rasen beginnt, und dieses brausenden Wolken und Wogen, die Aequinoktialstürme, die rasenden Rosse und wilden Titanen zerreissen den Glaukos<note place="foot" n="4)">Ueber den bakchischen Charakter des Glaukos vergl. Gaedechens, S. 113 ff.<lb/></note> und den Dionysos, den Himmel, das Meer und die Erde, - führen das Leben zum Tode, machen die überweltliche Aphrodite zur unterweltlichen Proserpina oder Persephone, - rauben der Mutter Erde die blühende Tochter und den Sohn (Hiram). So treten Osiris, Dionysos, Glaukos und Hiram in die innigste Verwandtschaft und sind alle nur Bilder des den Herbststürmen unterliegenden Naturlebens. Der sich selbst in seiner Raserei, in den Herbststürmen in das Meer stürzende und dort unsterblich fortlebende Glaukos steht gleichfalls wieder dem auf dem Scheiterhaufen sich selbst verbrennenden Herakles oder dem in seinem eigenen Neste verbrannten Vogel Phönix<note place="foot" n="5)">Kanne, allgemeine Mythol., S. 292; Dunker, Geschichte des Alterthms, I. S. 58.<lb/></note> zur Seite. Preller, griech. Mythol., II. S. 53, vergleicht treffend den von seinen Rossen zerrissenen Glau-</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[591/0611] Flecken Potniae in Böotien, welcher im Alterthum durch seine Pferdezucht berühmt war, stammenden Rossen zerrissen und verzehrt wird. 1) Das Schicksal dieses Glaukos hatte Aeschylos in seinem Trauerspiele _ , besungen, von welchem nur wenige Fragmente auf uns gekommen sind, die aber noch durch einige darauf bezügliche Anspielungen beim Aristophanes ergänzt werden. Auch Demeter und Proserpina führten den Beinamen der potnischen Göttinnen, 2) d. h. wurden zugleich unter dem Bilde des Meeres oder als das Meer gedacht, und es war ihnen zu Potniae ein Brunnen heilig, der die Kraft hatte, die Trinkenden rasend zu machen, und aus welchem eben, die Pferde des Glaukos getrunken haben sollten. 3) Dieser potnische Brunnen ist das Wolken- und Erdmeer, welches im Herbst und besonders zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche heftig zu stürmen, zu rasen beginnt, und dieses brausenden Wolken und Wogen, die Aequinoktialstürme, die rasenden Rosse und wilden Titanen zerreissen den Glaukos 4) und den Dionysos, den Himmel, das Meer und die Erde, - führen das Leben zum Tode, machen die überweltliche Aphrodite zur unterweltlichen Proserpina oder Persephone, - rauben der Mutter Erde die blühende Tochter und den Sohn (Hiram). So treten Osiris, Dionysos, Glaukos und Hiram in die innigste Verwandtschaft und sind alle nur Bilder des den Herbststürmen unterliegenden Naturlebens. Der sich selbst in seiner Raserei, in den Herbststürmen in das Meer stürzende und dort unsterblich fortlebende Glaukos steht gleichfalls wieder dem auf dem Scheiterhaufen sich selbst verbrennenden Herakles oder dem in seinem eigenen Neste verbrannten Vogel Phönix 5) zur Seite. Preller, griech. Mythol., II. S. 53, vergleicht treffend den von seinen Rossen zerrissenen Glau- 1) Gaedechens, Glaukos, S. 198 ff. 2) Preller, Demeter und Persephone, S. 194 Anm. 24. 3) Funke, Real-Schullexikon unter Potniae deae; Gaedechens, a. a. O., S. 201 Anm. 2. 4) Ueber den bakchischen Charakter des Glaukos vergl. Gaedechens, S. 113 ff. 5) Kanne, allgemeine Mythol., S. 292; Dunker, Geschichte des Alterthms, I. S. 58.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/611
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 591. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/611>, abgerufen am 19.05.2024.