Meisterloge die die Wände deckenden Todtenköpfe drei Mal drei oder neun Thränen, denn novenario dissolvitur. Diese Thränen weint die verlassene und trauernde Mutter Erde des Winters, die Isis, die Demeter, die Ariadne, die Freyja, Frau Hulla u. s. w.1) Wenn der Sonnen- und Naturgott länger als drei Tage oder drei Monate schlafend und ruhend gedacht wird, ersteht er nicht zur Zeit der Wintersonnenwende, sondern erst im Frühlinge aus seinem Grabe, wie der griechische Apollo, der römische Mars u. s. w., und kehret mit den tödtenden Pfeilen, mit den tödtenden Blitzen und Lichtstrahlen zurück. Nach der scharfsinnigen Vermuthung von Menzel, Odin, S. 162 und 340, ist vielleicht selbst der schweizerische, jedenfalls rein mythische Befreier und Erlöser Tell nur der mit den Sonnenpfeilen siegende Frühlingsgott.
In der ägyptischen Architektur ist die symbolische Vierzahl gleichfalls angewandt. Eine Säulenform ist nämlich der vegetativen Natur nachgebildet, indem vier kolossale Pflanzenstengel mit geschlossenen Lotoskelchen durch einen Bund zusammengebunden werden und über ihren Kelchen eine Deckplatte tragen. Diese Säulenform soll nach Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte, dritte Ausgabe, I. (Stuttgart 1856), S. 57, die aufstrebende Kraft der irdischen Welt versinnbildlichen. In den Tempelbauten zu Luxor aus dem Ende der achtzehnten Dynastie ist diese Säulenform am vollständigsten ausgebildet und hier besteht die Lotossäule aus 12, mehrfach umgürteten Lotosstengeln, Braun, Geschichte der Kunst, I. 41 und 69, sieht die vierstengel'sche ägyptische Pflanzensäule als aus dem viereckigen Pfeiler hervorgegangen an, wornach alsdann die Vierzahl ihre symbolische Bedeutung verlieren würde. Wir können Braun nicht zustimmen und sehen die Vier- und Zwölfzahl der Pflanzensäule als eine symbolische an, zumal die vierstengel'sche Pflanzensäule über dem Capitäl auch noch mit vier Masken der Göttin Hathor geschmückt erscheint, so dass durch die ganze Säule hindurch von ihrer Basis bis über das Capitäl hinauf die Vierzahl als Symbol der ägyptischen viereinigen Gottheit
1) Grimm, Mythol., S. 282.
Meisterloge die die Wände deckenden Todtenköpfe drei Mal drei oder neun Thränen, denn novenario dissolvitur. Diese Thränen weint die verlassene und trauernde Mutter Erde des Winters, die Isis, die Demeter, die Ariadne, die Freyja, Frau Hulla u. s. w.1) Wenn der Sonnen- und Naturgott länger als drei Tage oder drei Monate schlafend und ruhend gedacht wird, ersteht er nicht zur Zeit der Wintersonnenwende, sondern erst im Frühlinge aus seinem Grabe, wie der griechische Apollo, der römische Mars u. s. w., und kehret mit den tödtenden Pfeilen, mit den tödtenden Blitzen und Lichtstrahlen zurück. Nach der scharfsinnigen Vermuthung von Menzel, Odin, S. 162 und 340, ist vielleicht selbst der schweizerische, jedenfalls rein mythische Befreier und Erlöser Tell nur der mit den Sonnenpfeilen siegende Frühlingsgott.
In der ägyptischen Architektur ist die symbolische Vierzahl gleichfalls angewandt. Eine Säulenform ist nämlich der vegetativen Natur nachgebildet, indem vier kolossale Pflanzenstengel mit geschlossenen Lotoskelchen durch einen Bund zusammengebunden werden und über ihren Kelchen eine Deckplatte tragen. Diese Säulenform soll nach Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte, dritte Ausgabe, I. (Stuttgart 1856), S. 57, die aufstrebende Kraft der irdischen Welt versinnbildlichen. In den Tempelbauten zu Luxor aus dem Ende der achtzehnten Dynastie ist diese Säulenform am vollständigsten ausgebildet und hier besteht die Lotossäule aus 12, mehrfach umgürteten Lotosstengeln, Braun, Geschichte der Kunst, I. 41 und 69, sieht die vierstengel’sche ägyptische Pflanzensäule als aus dem viereckigen Pfeiler hervorgegangen an, wornach alsdann die Vierzahl ihre symbolische Bedeutung verlieren würde. Wir können Braun nicht zustimmen und sehen die Vier- und Zwölfzahl der Pflanzensäule als eine symbolische an, zumal die vierstengel’sche Pflanzensäule über dem Capitäl auch noch mit vier Masken der Göttin Hathor geschmückt erscheint, so dass durch die ganze Säule hindurch von ihrer Basis bis über das Capitäl hinauf die Vierzahl als Symbol der ägyptischen viereinigen Gottheit
1) Grimm, Mythol., S. 282.
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Meisterloge die die Wände deckenden Todtenköpfe drei Mal drei oder neun Thränen, denn novenario dissolvitur. Diese Thränen weint die verlassene und trauernde Mutter Erde des Winters, die Isis, die Demeter, die Ariadne, die Freyja, Frau Hulla u. s. w.<noteplace="foot"n="1)">Grimm, Mythol., S. 282.<lb/></note> Wenn der Sonnen- und Naturgott länger als drei Tage oder drei Monate schlafend und ruhend gedacht wird, ersteht er nicht zur Zeit der Wintersonnenwende, sondern erst im Frühlinge aus seinem Grabe, wie der griechische Apollo, der römische Mars u. s. w., und kehret mit den tödtenden Pfeilen, mit den tödtenden Blitzen und Lichtstrahlen zurück. Nach der scharfsinnigen Vermuthung von Menzel, Odin, S. 162 und 340, ist vielleicht selbst der schweizerische, jedenfalls rein mythische Befreier und Erlöser Tell nur der mit den Sonnenpfeilen siegende Frühlingsgott.</p><p>
In der ägyptischen Architektur ist die symbolische Vierzahl gleichfalls angewandt. Eine Säulenform ist nämlich der vegetativen Natur nachgebildet, indem vier kolossale Pflanzenstengel mit geschlossenen Lotoskelchen durch einen Bund zusammengebunden werden und über ihren Kelchen eine Deckplatte tragen. Diese Säulenform soll nach Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte, dritte Ausgabe, I. (Stuttgart 1856), S. 57, die aufstrebende Kraft der irdischen Welt versinnbildlichen. In den Tempelbauten zu Luxor aus dem Ende der achtzehnten Dynastie ist diese Säulenform am vollständigsten ausgebildet und hier besteht die Lotossäule aus 12, mehrfach umgürteten Lotosstengeln, Braun, Geschichte der Kunst, I. 41 und 69, sieht die vierstengel’sche ägyptische Pflanzensäule als aus dem viereckigen Pfeiler hervorgegangen an, wornach alsdann die Vierzahl ihre symbolische Bedeutung verlieren würde. Wir können Braun nicht zustimmen und sehen die Vier- und Zwölfzahl der Pflanzensäule als eine symbolische an, zumal die vierstengel’sche Pflanzensäule über dem Capitäl auch noch mit vier Masken der Göttin Hathor geschmückt erscheint, so dass durch die ganze Säule hindurch von ihrer Basis bis über das Capitäl hinauf die Vierzahl als Symbol der ägyptischen viereinigen Gottheit
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Meisterloge die die Wände deckenden Todtenköpfe drei Mal drei oder neun Thränen, denn novenario dissolvitur. Diese Thränen weint die verlassene und trauernde Mutter Erde des Winters, die Isis, die Demeter, die Ariadne, die Freyja, Frau Hulla u. s. w. 1) Wenn der Sonnen- und Naturgott länger als drei Tage oder drei Monate schlafend und ruhend gedacht wird, ersteht er nicht zur Zeit der Wintersonnenwende, sondern erst im Frühlinge aus seinem Grabe, wie der griechische Apollo, der römische Mars u. s. w., und kehret mit den tödtenden Pfeilen, mit den tödtenden Blitzen und Lichtstrahlen zurück. Nach der scharfsinnigen Vermuthung von Menzel, Odin, S. 162 und 340, ist vielleicht selbst der schweizerische, jedenfalls rein mythische Befreier und Erlöser Tell nur der mit den Sonnenpfeilen siegende Frühlingsgott.
In der ägyptischen Architektur ist die symbolische Vierzahl gleichfalls angewandt. Eine Säulenform ist nämlich der vegetativen Natur nachgebildet, indem vier kolossale Pflanzenstengel mit geschlossenen Lotoskelchen durch einen Bund zusammengebunden werden und über ihren Kelchen eine Deckplatte tragen. Diese Säulenform soll nach Kugler, Handbuch der Kunstgeschichte, dritte Ausgabe, I. (Stuttgart 1856), S. 57, die aufstrebende Kraft der irdischen Welt versinnbildlichen. In den Tempelbauten zu Luxor aus dem Ende der achtzehnten Dynastie ist diese Säulenform am vollständigsten ausgebildet und hier besteht die Lotossäule aus 12, mehrfach umgürteten Lotosstengeln, Braun, Geschichte der Kunst, I. 41 und 69, sieht die vierstengel’sche ägyptische Pflanzensäule als aus dem viereckigen Pfeiler hervorgegangen an, wornach alsdann die Vierzahl ihre symbolische Bedeutung verlieren würde. Wir können Braun nicht zustimmen und sehen die Vier- und Zwölfzahl der Pflanzensäule als eine symbolische an, zumal die vierstengel’sche Pflanzensäule über dem Capitäl auch noch mit vier Masken der Göttin Hathor geschmückt erscheint, so dass durch die ganze Säule hindurch von ihrer Basis bis über das Capitäl hinauf die Vierzahl als Symbol der ägyptischen viereinigen Gottheit
1) Grimm, Mythol., S. 282.
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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 523. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/543>, abgerufen am 28.07.2024.
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