Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.
Die in der letzten Antwort berührten vier Haupttugenden nennt schon Plato in seiner Republik als die Weisheit, Stärke, Mässigung und Gerechtigkeit und sie heissen auch die Quadratur der Tugenden. Bei den Brahmanen sind die vier Haupttugenden Sanftmuth, Duldung, Selbstbeherrschung und dann Freigebigkeit und opfermässige Grossherzigkeit,1) und sie sind bei ihnen zu vier Gottheiten personificirt worden. In der verschiedenen Bezeichnung der vier Haupttugenden bei den Griechen und Indern spricht sich zugleich die tiefe Verschiedenheit des Denkens, Seins, Lebens und Strebens der beiden grossen Völker aus. Der Grieche liebt die Wissenschaften (und Künste), den Krieg und die durch das rechte Mass geordnete und geschützte Freiheit; der Inder duldet das Joch der eigenen und fremden Unterdrücker, scheuet jedes Blutvergiessen, gibt Almosen und büsset bis zur Selbstvernichtung. Die Quadratur der Tugenden findet sich in dem Systeme der rectificirten schottischen Maurerei als Gerechtigkeit, Mässigkeit, Klugkeit und Stärke (Löwenmuth in einem höheren Grade), justitia, temperantia, prudentia et fortitudo; die Tugenden der drei Johannisgrade sind Gerechtigkeit, Mässigkeit und Klugkeit, und diese Trias der Tugenden vollendet sich in dem folgenden Grade durch die Stärke zur Tetras, zur Quadratur. Hiemit steht es in Uebereinstimmung, dass in den höhern, vollendenden maurerischen Graden überhaupt an die Stelle des symbolischen Dreiecks das Quadrat oder Viereck und an die Stelle der Dreizahl die Vierzahl tritt, z. B. beim Hammerschlag, beim Händeschlag, beim Niedersetzen des Glases u. s. f. Diese Quadratur ist zugleich auch die Vollendung und nur eine andere Wendung der drei Pfeiler, welche die Loge stützen und tragen. An die Quadratur der Tugenden schliessen sich die vier höchsten Wahrheiten der Buddhisten an, nämlich dass alles Daseiende den Schmerzen der Geburt, des Todes und anderen unterworfen sei, dass daher die Sehnsucht 1) Müller, Glauben der alten Hindu's, S. 424.
Die in der letzten Antwort berührten vier Haupttugenden nennt schon Plato in seiner Republik als die Weisheit, Stärke, Mässigung und Gerechtigkeit und sie heissen auch die Quadratur der Tugenden. Bei den Brahmanen sind die vier Haupttugenden Sanftmuth, Duldung, Selbstbeherrschung und dann Freigebigkeit und opfermässige Grossherzigkeit,1) und sie sind bei ihnen zu vier Gottheiten personificirt worden. In der verschiedenen Bezeichnung der vier Haupttugenden bei den Griechen und Indern spricht sich zugleich die tiefe Verschiedenheit des Denkens, Seins, Lebens und Strebens der beiden grossen Völker aus. Der Grieche liebt die Wissenschaften (und Künste), den Krieg und die durch das rechte Mass geordnete und geschützte Freiheit; der Inder duldet das Joch der eigenen und fremden Unterdrücker, scheuet jedes Blutvergiessen, gibt Almosen und büsset bis zur Selbstvernichtung. Die Quadratur der Tugenden findet sich in dem Systeme der rectificirten schottischen Maurerei als Gerechtigkeit, Mässigkeit, Klugkeit und Stärke (Löwenmuth in einem höheren Grade), justitia, temperantia, prudentia et fortitudo; die Tugenden der drei Johannisgrade sind Gerechtigkeit, Mässigkeit und Klugkeit, und diese Trias der Tugenden vollendet sich in dem folgenden Grade durch die Stärke zur Tetras, zur Quadratur. Hiemit steht es in Uebereinstimmung, dass in den höhern, vollendenden maurerischen Graden überhaupt an die Stelle des symbolischen Dreiecks das Quadrat oder Viereck und an die Stelle der Dreizahl die Vierzahl tritt, z. B. beim Hammerschlag, beim Händeschlag, beim Niedersetzen des Glases u. s. f. Diese Quadratur ist zugleich auch die Vollendung und nur eine andere Wendung der drei Pfeiler, welche die Loge stützen und tragen. An die Quadratur der Tugenden schliessen sich die vier höchsten Wahrheiten der Buddhisten an, nämlich dass alles Daseiende den Schmerzen der Geburt, des Todes und anderen unterworfen sei, dass daher die Sehnsucht 1) Müller, Glauben der alten Hindu’s, S. 424.
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Fr. Was bedeuten die vier untern Winkel?
A. Die vier Tugenden, welche den Grundstein unseres Ordens ausmachen.
Die in der letzten Antwort berührten vier Haupttugenden nennt schon Plato in seiner Republik als die Weisheit, Stärke, Mässigung und Gerechtigkeit und sie heissen auch die Quadratur der Tugenden. Bei den Brahmanen sind die vier Haupttugenden Sanftmuth, Duldung, Selbstbeherrschung und dann Freigebigkeit und opfermässige Grossherzigkeit, 1) und sie sind bei ihnen zu vier Gottheiten personificirt worden. In der verschiedenen Bezeichnung der vier Haupttugenden bei den Griechen und Indern spricht sich zugleich die tiefe Verschiedenheit des Denkens, Seins, Lebens und Strebens der beiden grossen Völker aus. Der Grieche liebt die Wissenschaften (und Künste), den Krieg und die durch das rechte Mass geordnete und geschützte Freiheit; der Inder duldet das Joch der eigenen und fremden Unterdrücker, scheuet jedes Blutvergiessen, gibt Almosen und büsset bis zur Selbstvernichtung. Die Quadratur der Tugenden findet sich in dem Systeme der rectificirten schottischen Maurerei als Gerechtigkeit, Mässigkeit, Klugkeit und Stärke (Löwenmuth in einem höheren Grade), justitia, temperantia, prudentia et fortitudo; die Tugenden der drei Johannisgrade sind Gerechtigkeit, Mässigkeit und Klugkeit, und diese Trias der Tugenden vollendet sich in dem folgenden Grade durch die Stärke zur Tetras, zur Quadratur. Hiemit steht es in Uebereinstimmung, dass in den höhern, vollendenden maurerischen Graden überhaupt an die Stelle des symbolischen Dreiecks das Quadrat oder Viereck und an die Stelle der Dreizahl die Vierzahl tritt, z. B. beim Hammerschlag, beim Händeschlag, beim Niedersetzen des Glases u. s. f. Diese Quadratur ist zugleich auch die Vollendung und nur eine andere Wendung der drei Pfeiler, welche die Loge stützen und tragen. An die Quadratur der Tugenden schliessen sich die vier höchsten Wahrheiten der Buddhisten an, nämlich dass alles Daseiende den Schmerzen der Geburt, des Todes und anderen unterworfen sei, dass daher die Sehnsucht
1) Müller, Glauben der alten Hindu’s, S. 424.
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