Fr. Was bedeuten die vier untern Winkel? A. Die vier Tugenden, welche den Grundstein unseres Ordens ausmachen.
Die in der letzten Antwort berührten vier Haupttugenden nennt schon Plato in seiner Republik als die Weisheit, Stärke, Mässigung und Gerechtigkeit und sie heissen auch die Quadratur der Tugenden. Bei den Brahmanen sind die vier Haupttugenden Sanftmuth, Duldung, Selbstbeherrschung und dann Freigebigkeit und opfermässige Grossherzigkeit,1) und sie sind bei ihnen zu vier Gottheiten personificirt worden. In der verschiedenen Bezeichnung der vier Haupttugenden bei den Griechen und Indern spricht sich zugleich die tiefe Verschiedenheit des Denkens, Seins, Lebens und Strebens der beiden grossen Völker aus. Der Grieche liebt die Wissenschaften (und Künste), den Krieg und die durch das rechte Mass geordnete und geschützte Freiheit; der Inder duldet das Joch der eigenen und fremden Unterdrücker, scheuet jedes Blutvergiessen, gibt Almosen und büsset bis zur Selbstvernichtung. Die Quadratur der Tugenden findet sich in dem Systeme der rectificirten schottischen Maurerei als Gerechtigkeit, Mässigkeit, Klugkeit und Stärke (Löwenmuth in einem höheren Grade), justitia, temperantia, prudentia et fortitudo; die Tugenden der drei Johannisgrade sind Gerechtigkeit, Mässigkeit und Klugkeit, und diese Trias der Tugenden vollendet sich in dem folgenden Grade durch die Stärke zur Tetras, zur Quadratur. Hiemit steht es in Uebereinstimmung, dass in den höhern, vollendenden maurerischen Graden überhaupt an die Stelle des symbolischen Dreiecks das Quadrat oder Viereck und an die Stelle der Dreizahl die Vierzahl tritt, z. B. beim Hammerschlag, beim Händeschlag, beim Niedersetzen des Glases u. s. f. Diese Quadratur ist zugleich auch die Vollendung und nur eine andere Wendung der drei Pfeiler, welche die Loge stützen und tragen. An die Quadratur der Tugenden schliessen sich die vier höchsten Wahrheiten der Buddhisten an, nämlich dass alles Daseiende den Schmerzen der Geburt, des Todes und anderen unterworfen sei, dass daher die Sehnsucht
1) Müller, Glauben der alten Hindu's, S. 424.
Fr. Was bedeuten die vier untern Winkel? A. Die vier Tugenden, welche den Grundstein unseres Ordens ausmachen.
Die in der letzten Antwort berührten vier Haupttugenden nennt schon Plato in seiner Republik als die Weisheit, Stärke, Mässigung und Gerechtigkeit und sie heissen auch die Quadratur der Tugenden. Bei den Brahmanen sind die vier Haupttugenden Sanftmuth, Duldung, Selbstbeherrschung und dann Freigebigkeit und opfermässige Grossherzigkeit,1) und sie sind bei ihnen zu vier Gottheiten personificirt worden. In der verschiedenen Bezeichnung der vier Haupttugenden bei den Griechen und Indern spricht sich zugleich die tiefe Verschiedenheit des Denkens, Seins, Lebens und Strebens der beiden grossen Völker aus. Der Grieche liebt die Wissenschaften (und Künste), den Krieg und die durch das rechte Mass geordnete und geschützte Freiheit; der Inder duldet das Joch der eigenen und fremden Unterdrücker, scheuet jedes Blutvergiessen, gibt Almosen und büsset bis zur Selbstvernichtung. Die Quadratur der Tugenden findet sich in dem Systeme der rectificirten schottischen Maurerei als Gerechtigkeit, Mässigkeit, Klugkeit und Stärke (Löwenmuth in einem höheren Grade), justitia, temperantia, prudentia et fortitudo; die Tugenden der drei Johannisgrade sind Gerechtigkeit, Mässigkeit und Klugkeit, und diese Trias der Tugenden vollendet sich in dem folgenden Grade durch die Stärke zur Tetras, zur Quadratur. Hiemit steht es in Uebereinstimmung, dass in den höhern, vollendenden maurerischen Graden überhaupt an die Stelle des symbolischen Dreiecks das Quadrat oder Viereck und an die Stelle der Dreizahl die Vierzahl tritt, z. B. beim Hammerschlag, beim Händeschlag, beim Niedersetzen des Glases u. s. f. Diese Quadratur ist zugleich auch die Vollendung und nur eine andere Wendung der drei Pfeiler, welche die Loge stützen und tragen. An die Quadratur der Tugenden schliessen sich die vier höchsten Wahrheiten der Buddhisten an, nämlich dass alles Daseiende den Schmerzen der Geburt, des Todes und anderen unterworfen sei, dass daher die Sehnsucht
1) Müller, Glauben der alten Hindu’s, S. 424.
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0529"n="509"/><citrendition="#c"><quote><p>
Fr. Was bedeuten die vier untern Winkel?<lb/>
A. Die vier Tugenden, welche den Grundstein unseres Ordens ausmachen.</p></quote></cit><p>
Die in der letzten Antwort berührten vier Haupttugenden nennt schon Plato in seiner Republik als die Weisheit, Stärke, Mässigung und Gerechtigkeit und sie heissen auch die Quadratur der Tugenden. Bei den Brahmanen sind die vier Haupttugenden Sanftmuth, Duldung, Selbstbeherrschung und dann Freigebigkeit und opfermässige Grossherzigkeit,<noteplace="foot"n="1)">Müller, Glauben der alten Hindu’s, S. 424.<lb/></note> und sie sind bei ihnen zu vier Gottheiten personificirt worden. In der verschiedenen Bezeichnung der vier Haupttugenden bei den Griechen und Indern spricht sich zugleich die tiefe Verschiedenheit des Denkens, Seins, Lebens und Strebens der beiden grossen Völker aus. Der Grieche liebt die Wissenschaften (und Künste), den Krieg und die durch das rechte Mass geordnete und geschützte Freiheit; der Inder duldet das Joch der eigenen und fremden Unterdrücker, scheuet jedes Blutvergiessen, gibt Almosen und büsset bis zur Selbstvernichtung. Die Quadratur der Tugenden findet sich in dem Systeme der rectificirten schottischen Maurerei als Gerechtigkeit, Mässigkeit, Klugkeit und Stärke (Löwenmuth in einem höheren Grade), justitia, temperantia, prudentia et fortitudo; die Tugenden der drei Johannisgrade sind Gerechtigkeit, Mässigkeit und Klugkeit, und diese Trias der Tugenden vollendet sich in dem folgenden Grade durch die Stärke zur Tetras, zur Quadratur. Hiemit steht es in Uebereinstimmung, dass in den höhern, vollendenden maurerischen Graden überhaupt an die Stelle des symbolischen Dreiecks das Quadrat oder Viereck und an die Stelle der Dreizahl die Vierzahl tritt, z. B. beim Hammerschlag, beim Händeschlag, beim Niedersetzen des Glases u. s. f. Diese Quadratur ist zugleich auch die Vollendung und nur eine andere Wendung der drei Pfeiler, welche die Loge stützen und tragen. An die Quadratur der Tugenden schliessen sich die vier höchsten Wahrheiten der Buddhisten an, nämlich dass alles Daseiende den Schmerzen der Geburt, des Todes und anderen unterworfen sei, dass daher die Sehnsucht
</p></div></body></text></TEI>
[509/0529]
Fr. Was bedeuten die vier untern Winkel?
A. Die vier Tugenden, welche den Grundstein unseres Ordens ausmachen.
Die in der letzten Antwort berührten vier Haupttugenden nennt schon Plato in seiner Republik als die Weisheit, Stärke, Mässigung und Gerechtigkeit und sie heissen auch die Quadratur der Tugenden. Bei den Brahmanen sind die vier Haupttugenden Sanftmuth, Duldung, Selbstbeherrschung und dann Freigebigkeit und opfermässige Grossherzigkeit, 1) und sie sind bei ihnen zu vier Gottheiten personificirt worden. In der verschiedenen Bezeichnung der vier Haupttugenden bei den Griechen und Indern spricht sich zugleich die tiefe Verschiedenheit des Denkens, Seins, Lebens und Strebens der beiden grossen Völker aus. Der Grieche liebt die Wissenschaften (und Künste), den Krieg und die durch das rechte Mass geordnete und geschützte Freiheit; der Inder duldet das Joch der eigenen und fremden Unterdrücker, scheuet jedes Blutvergiessen, gibt Almosen und büsset bis zur Selbstvernichtung. Die Quadratur der Tugenden findet sich in dem Systeme der rectificirten schottischen Maurerei als Gerechtigkeit, Mässigkeit, Klugkeit und Stärke (Löwenmuth in einem höheren Grade), justitia, temperantia, prudentia et fortitudo; die Tugenden der drei Johannisgrade sind Gerechtigkeit, Mässigkeit und Klugkeit, und diese Trias der Tugenden vollendet sich in dem folgenden Grade durch die Stärke zur Tetras, zur Quadratur. Hiemit steht es in Uebereinstimmung, dass in den höhern, vollendenden maurerischen Graden überhaupt an die Stelle des symbolischen Dreiecks das Quadrat oder Viereck und an die Stelle der Dreizahl die Vierzahl tritt, z. B. beim Hammerschlag, beim Händeschlag, beim Niedersetzen des Glases u. s. f. Diese Quadratur ist zugleich auch die Vollendung und nur eine andere Wendung der drei Pfeiler, welche die Loge stützen und tragen. An die Quadratur der Tugenden schliessen sich die vier höchsten Wahrheiten der Buddhisten an, nämlich dass alles Daseiende den Schmerzen der Geburt, des Todes und anderen unterworfen sei, dass daher die Sehnsucht
1) Müller, Glauben der alten Hindu’s, S. 424.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2013-08-21T13:44:32Z)
Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 509. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/529>, abgerufen am 26.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.