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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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sieben Planeten umjaget.1) Der höchste Musengesang wäre die Weltharmonie, der Weltaccord, der Sphärengesang. Auch die Lyra des Apollo hat daher sieben und nur sieben , nicht neun Saiten. Nach Schwartz, Ursprung der Mythologie S. 167, ist die Bedeutung der Musen als Windgottheiten ziemlich unzweifelhaft, sie sind die Winde, als die himmlischen Sängerinnen und Tänzerinnen [fremdsprachliches Material]. Diese Musen sind zugleich die singenden weissen Schwäne des Apollo, die weissen Wolken, welche mit ihm im Frühling nach Lesbos ziehen.2) Der Schwanengesang als Sterbegesang, als Gesang vor dem nahenden Tode ist der Gesang der sich auflösenden weissen Wolken. Wenn die Musen gewöhnlich als begeisternde Quell- und Flussnymphen aufgefasst werden und besonders die Lydier die Musen Nymphen genannt haben sollen, ist dieses insofern richtig, als die Musen ursprünglich Wolkengöttinnen, Göttinnen des himmlischen Wolkenmeeres waren, deren Sitz später nach dem ganz allgemeinen Verlaufe der griechischen Mythologie an die Quellen und Flüsse der Erde verlegt, irdisch localisirt wurde; auf die Weise entstand die Vielzahl der blossen Localmusen, der begeisternden Quellen so mannichfacher Orte. Sehr unmythologisch wäre es, wollte man die olympischen Musen als eine Vergeistigung und Erhebung der irdischen betrachten, wie Buttmann, a. a. O. S. 288, von einer Idealisirung der Musen-Nymphen in die olympischen Musen spricht. Nach dem Gange der Mythologie werden die Götter nicht erst verhimmlischt, idealisirt, sondern humanisirt und localisirt, d. h. von dem Himmel als Menschen unter die Menschen auf die Erde herabgezogen. Den Apollo aus dem Norden zurückbringenden wehenden und singenden Musen, einer anderen Gestalt der dunkeln Wolkenmutter Leto oder Latona, schliesst sich an der römische Gott des Monats April, des das Wachsthum der Pflanzen und die Erde selbst wieder eröffnenden (aperire eröffnen) Monats, indem er auf antiken Denkmälern als mit einer Klapper und Hirtenpfeife hin- und her-

1) Simrock, Mythol. S. 245.
2) Schwartz, a. a. O., S. 195.

sieben Planeten umjaget.1) Der höchste Musengesang wäre die Weltharmonie, der Weltaccord, der Sphärengesang. Auch die Lyra des Apollo hat daher sieben und nur sieben , nicht neun Saiten. Nach Schwartz, Ursprung der Mythologie S. 167, ist die Bedeutung der Musen als Windgottheiten ziemlich unzweifelhaft, sie sind die Winde, als die himmlischen Sängerinnen und Tänzerinnen [fremdsprachliches Material]. Diese Musen sind zugleich die singenden weissen Schwäne des Apollo, die weissen Wolken, welche mit ihm im Frühling nach Lesbos ziehen.2) Der Schwanengesang als Sterbegesang, als Gesang vor dem nahenden Tode ist der Gesang der sich auflösenden weissen Wolken. Wenn die Musen gewöhnlich als begeisternde Quell- und Flussnymphen aufgefasst werden und besonders die Lydier die Musen Nymphen genannt haben sollen, ist dieses insofern richtig, als die Musen ursprünglich Wolkengöttinnen, Göttinnen des himmlischen Wolkenmeeres waren, deren Sitz später nach dem ganz allgemeinen Verlaufe der griechischen Mythologie an die Quellen und Flüsse der Erde verlegt, irdisch localisirt wurde; auf die Weise entstand die Vielzahl der blossen Localmusen, der begeisternden Quellen so mannichfacher Orte. Sehr unmythologisch wäre es, wollte man die olympischen Musen als eine Vergeistigung und Erhebung der irdischen betrachten, wie Buttmann, a. a. O. S. 288, von einer Idealisirung der Musen-Nymphen in die olympischen Musen spricht. Nach dem Gange der Mythologie werden die Götter nicht erst verhimmlischt, idealisirt, sondern humanisirt und localisirt, d. h. von dem Himmel als Menschen unter die Menschen auf die Erde herabgezogen. Den Apollo aus dem Norden zurückbringenden wehenden und singenden Musen, einer anderen Gestalt der dunkeln Wolkenmutter Leto oder Latona, schliesst sich an der römische Gott des Monats April, des das Wachsthum der Pflanzen und die Erde selbst wieder eröffnenden (aperire eröffnen) Monats, indem er auf antiken Denkmälern als mit einer Klapper und Hirtenpfeife hin- und her-

1) Simrock, Mythol. S. 245.
2) Schwartz, a. a. O., S. 195.
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[456/0476] sieben Planeten umjaget. 1) Der höchste Musengesang wäre die Weltharmonie, der Weltaccord, der Sphärengesang. Auch die Lyra des Apollo hat daher sieben und nur sieben , nicht neun Saiten. Nach Schwartz, Ursprung der Mythologie S. 167, ist die Bedeutung der Musen als Windgottheiten ziemlich unzweifelhaft, sie sind die Winde, als die himmlischen Sängerinnen und Tänzerinnen _ . Diese Musen sind zugleich die singenden weissen Schwäne des Apollo, die weissen Wolken, welche mit ihm im Frühling nach Lesbos ziehen. 2) Der Schwanengesang als Sterbegesang, als Gesang vor dem nahenden Tode ist der Gesang der sich auflösenden weissen Wolken. Wenn die Musen gewöhnlich als begeisternde Quell- und Flussnymphen aufgefasst werden und besonders die Lydier die Musen Nymphen genannt haben sollen, ist dieses insofern richtig, als die Musen ursprünglich Wolkengöttinnen, Göttinnen des himmlischen Wolkenmeeres waren, deren Sitz später nach dem ganz allgemeinen Verlaufe der griechischen Mythologie an die Quellen und Flüsse der Erde verlegt, irdisch localisirt wurde; auf die Weise entstand die Vielzahl der blossen Localmusen, der begeisternden Quellen so mannichfacher Orte. Sehr unmythologisch wäre es, wollte man die olympischen Musen als eine Vergeistigung und Erhebung der irdischen betrachten, wie Buttmann, a. a. O. S. 288, von einer Idealisirung der Musen-Nymphen in die olympischen Musen spricht. Nach dem Gange der Mythologie werden die Götter nicht erst verhimmlischt, idealisirt, sondern humanisirt und localisirt, d. h. von dem Himmel als Menschen unter die Menschen auf die Erde herabgezogen. Den Apollo aus dem Norden zurückbringenden wehenden und singenden Musen, einer anderen Gestalt der dunkeln Wolkenmutter Leto oder Latona, schliesst sich an der römische Gott des Monats April, des das Wachsthum der Pflanzen und die Erde selbst wieder eröffnenden (aperire eröffnen) Monats, indem er auf antiken Denkmälern als mit einer Klapper und Hirtenpfeife hin- und her- 1) Simrock, Mythol. S. 245. 2) Schwartz, a. a. O., S. 195.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/476>, abgerufen am 22.11.2024.