Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Fabel von Reinhart hat auch die deutsche Baukunst nicht selten Darstellungen entlehnt. Das Strassburger Münster hatte gegenüber der Kanzel, unter den Capitälern zweier Pfeiler, in Stein gehauene Thiergestalten, die offenbar zu der Fabel von Reinhart gehörten und nach Grimm, S. CCXVIII, nichts Anderes als das Todtenamt für den seheintodten Fuchs und den feierlichen Leichenzug darstellten.1)) Der (lateinische) Reinardus hat überhaupt insofern eine gewisse maurerische Bedeutung, als sich daraus die damals begonnenen Streitigkeiten zwischen den Benediktinern nach der alten Regel von Cluniaeum (Clugny) in Burgund, zwischen den Pflegern eines reinern Christenthums, und den Cistereiensern von Claraevallis (Clairvaux), den heuchlerischen Wölfen der Fabel, der päbstlichen Geistlichkeit und dem Pabstthum, mehr oder weniger erkennen lassen.2) Uebrigens findet sich die Thierfabel auch bei den Negern und Th. Waitz, Anthropologie der Naturvölker, II. S. 180, vermuthet, dass dieselbe dort wie bei uns aus den Zeiten stamme, in welchen man den Thieren höhere Verstandeskräfte zugeschrieben.

In dem Tempel des Jupiter Ammon in der Siwah-Oase sind an dem Dache auf mit Sternen besäetem Grunde hintereinander fliegende Adler und Geier abgebildet mit ausgestreckten Flügeln, die alle, nach den noch vorhandenen Farbenspuren zu schliessen, ursprünglich roth uncl blau bemalt waren.3) Die obige Farbensymbolik ist somit hier nicht überall anwendbar; der Adler jedoch ist roth mit Hinsicht auf den rothen Blitz und die Sonne, der Geier entweder mit Hinsicht auf den blauen Blitz oder den blauen Himmelsäther. Auf dem im Jahr 1711 zu Paris unter der Kathedrale an altheiliger Stelle aufgefundenen Denkmale der Nautae Parisiaci sind dem keltischen Donner- und Stiergotte, Taran, Taranis, Esus, - dem Donnerstiere drei Kraniche beigegeben, daher er die Aufschrift trägt Tarvos trigaranus von kymr. tarw, korn. tarow, taro, brit. tarv,

1) Vergl. Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 237 Anm. und S. 267 ff.
2) Grimm, a. a. O., S. CCLVI.
3) Ausland für 1849, S. 490 a.

Fabel von Reinhart hat auch die deutsche Baukunst nicht selten Darstellungen entlehnt. Das Strassburger Münster hatte gegenüber der Kanzel, unter den Capitälern zweier Pfeiler, in Stein gehauene Thiergestalten, die offenbar zu der Fabel von Reinhart gehörten und nach Grimm, S. CCXVIII, nichts Anderes als das Todtenamt für den seheintodten Fuchs und den feierlichen Leichenzug darstellten.1)) Der (lateinische) Reinardus hat überhaupt insofern eine gewisse maurerische Bedeutung, als sich daraus die damals begonnenen Streitigkeiten zwischen den Benediktinern nach der alten Regel von Cluniaeum (Clugny) in Burgund, zwischen den Pflegern eines reinern Christenthums, und den Cistereiensern von Claraevallis (Clairvaux), den heuchlerischen Wölfen der Fabel, der päbstlichen Geistlichkeit und dem Pabstthum, mehr oder weniger erkennen lassen.2) Uebrigens findet sich die Thierfabel auch bei den Negern und Th. Waitz, Anthropologie der Naturvölker, II. S. 180, vermuthet, dass dieselbe dort wie bei uns aus den Zeiten stamme, in welchen man den Thieren höhere Verstandeskräfte zugeschrieben.

In dem Tempel des Jupiter Ammon in der Siwah-Oase sind an dem Dache auf mit Sternen besäetem Grunde hintereinander fliegende Adler und Geier abgebildet mit ausgestreckten Flügeln, die alle, nach den noch vorhandenen Farbenspuren zu schliessen, ursprünglich roth uncl blau bemalt waren.3) Die obige Farbensymbolik ist somit hier nicht überall anwendbar; der Adler jedoch ist roth mit Hinsicht auf den rothen Blitz und die Sonne, der Geier entweder mit Hinsicht auf den blauen Blitz oder den blauen Himmelsäther. Auf dem im Jahr 1711 zu Paris unter der Kathedrale an altheiliger Stelle aufgefundenen Denkmale der Nautae Parisiaci sind dem keltischen Donner- und Stiergotte, Taran, Taranis, Esus, – dem Donnerstiere drei Kraniche beigegeben, daher er die Aufschrift trägt Tarvos trigaranus von kymr. tarw, korn. tarow, taro, brit. tarv,

1) Vergl. Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 237 Anm. und S. 267 ff.
2) Grimm, a. a. O., S. CCLVI.
3) Ausland für 1849, S. 490 a.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0407" n="387"/>
Fabel von Reinhart hat auch die deutsche Baukunst nicht selten Darstellungen entlehnt. Das Strassburger Münster hatte gegenüber der Kanzel, unter den Capitälern zweier Pfeiler, in Stein gehauene Thiergestalten, die offenbar zu der Fabel von Reinhart gehörten und nach Grimm, S. CCXVIII, nichts Anderes als das Todtenamt für den seheintodten Fuchs und den feierlichen Leichenzug darstellten.<note place="foot" n="1)">Vergl. Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 237 Anm. und S. 267 ff.<lb/></note>) Der (lateinische) Reinardus hat überhaupt insofern eine gewisse maurerische Bedeutung, als sich daraus die damals begonnenen Streitigkeiten zwischen den Benediktinern nach der alten Regel von Cluniaeum (Clugny) in Burgund, zwischen den Pflegern eines reinern Christenthums, und den Cistereiensern von Claraevallis (Clairvaux), den heuchlerischen Wölfen der Fabel, der päbstlichen Geistlichkeit und dem Pabstthum, mehr oder weniger erkennen lassen.<note place="foot" n="2)">Grimm, a. a. O., S. CCLVI.<lb/></note> Uebrigens findet sich die Thierfabel auch bei den Negern und Th. Waitz, Anthropologie der Naturvölker, II. S. 180, vermuthet, dass dieselbe dort wie bei uns aus den Zeiten stamme, in welchen man den Thieren höhere Verstandeskräfte zugeschrieben.</p>
        <p>
     In dem Tempel des Jupiter Ammon in der Siwah-Oase sind an dem Dache auf mit Sternen besäetem Grunde hintereinander fliegende Adler und Geier abgebildet mit ausgestreckten Flügeln, die alle, nach den noch vorhandenen Farbenspuren zu schliessen, ursprünglich roth uncl blau bemalt waren.<note place="foot" n="3)">Ausland für 1849, S. 490 a.<lb/></note> Die obige Farbensymbolik ist somit hier nicht überall anwendbar; der Adler jedoch ist roth mit Hinsicht auf den rothen Blitz und die Sonne, der Geier entweder mit Hinsicht auf den blauen Blitz oder den blauen Himmelsäther. Auf dem im Jahr 1711 zu Paris unter der Kathedrale an altheiliger Stelle aufgefundenen Denkmale der Nautae Parisiaci sind dem keltischen Donner- und Stiergotte, Taran, Taranis, Esus, &#x2013; dem Donnerstiere <hi rendition="#g">drei</hi> Kraniche beigegeben, daher er die Aufschrift trägt Tarvos trigaranus von kymr. tarw, korn. tarow, taro, brit. tarv,</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[387/0407] Fabel von Reinhart hat auch die deutsche Baukunst nicht selten Darstellungen entlehnt. Das Strassburger Münster hatte gegenüber der Kanzel, unter den Capitälern zweier Pfeiler, in Stein gehauene Thiergestalten, die offenbar zu der Fabel von Reinhart gehörten und nach Grimm, S. CCXVIII, nichts Anderes als das Todtenamt für den seheintodten Fuchs und den feierlichen Leichenzug darstellten. 1)) Der (lateinische) Reinardus hat überhaupt insofern eine gewisse maurerische Bedeutung, als sich daraus die damals begonnenen Streitigkeiten zwischen den Benediktinern nach der alten Regel von Cluniaeum (Clugny) in Burgund, zwischen den Pflegern eines reinern Christenthums, und den Cistereiensern von Claraevallis (Clairvaux), den heuchlerischen Wölfen der Fabel, der päbstlichen Geistlichkeit und dem Pabstthum, mehr oder weniger erkennen lassen. 2) Uebrigens findet sich die Thierfabel auch bei den Negern und Th. Waitz, Anthropologie der Naturvölker, II. S. 180, vermuthet, dass dieselbe dort wie bei uns aus den Zeiten stamme, in welchen man den Thieren höhere Verstandeskräfte zugeschrieben. In dem Tempel des Jupiter Ammon in der Siwah-Oase sind an dem Dache auf mit Sternen besäetem Grunde hintereinander fliegende Adler und Geier abgebildet mit ausgestreckten Flügeln, die alle, nach den noch vorhandenen Farbenspuren zu schliessen, ursprünglich roth uncl blau bemalt waren. 3) Die obige Farbensymbolik ist somit hier nicht überall anwendbar; der Adler jedoch ist roth mit Hinsicht auf den rothen Blitz und die Sonne, der Geier entweder mit Hinsicht auf den blauen Blitz oder den blauen Himmelsäther. Auf dem im Jahr 1711 zu Paris unter der Kathedrale an altheiliger Stelle aufgefundenen Denkmale der Nautae Parisiaci sind dem keltischen Donner- und Stiergotte, Taran, Taranis, Esus, – dem Donnerstiere drei Kraniche beigegeben, daher er die Aufschrift trägt Tarvos trigaranus von kymr. tarw, korn. tarow, taro, brit. tarv, 1) Vergl. Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 237 Anm. und S. 267 ff. 2) Grimm, a. a. O., S. CCLVI. 3) Ausland für 1849, S. 490 a.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/407
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/407>, abgerufen am 22.11.2024.