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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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Schrift, altn. runa f. linea neben raun litera, kymr. rhin f. mysterium, brit. rin, pl. rinyou m. mysterium, incantatio, - gadh. raun, pl. rauintean, mysteriuni, consilium, - ruine f. secretum, silentium, - finn. runo carmen.1) Mit allen Mysterien ist nothwendig auch eine nur den Eingeweihten mitzutheilende und verständliche Geheimschrift verbunden, wie dieselben ihre besondern und geheimen Erkennungsworte und Erkennungszeichen haben; die Eingeweihten erkennen einander an dem Worte, an den Zeichen der Hand und des Fusses, oder an der Schrift. Bei den Grussmauern des Mittelalters bestand diese Geheimschrift darin, dass die Vocale a, e, i, o und u mit den Zahlen 1, 2, 3, 4 und 5 bezeichnet und der erste Buchstabe allezeit vor den letzten Buchstaben des Wortes gesetzt wurden; c3h 2rh4ffv2 heisst daher: ich verhoffe. Ursprünglich war alle Schrift, wie überhaupt alles Wissen, insofern ein Geheimniss, ein Mysterium, eine Rune, als sie nur den Eingeweihten gelehrt und mitgetheilt wurde. Finn. heisst daher rudnet dicere, loqui, - rund artificium, scientia, - rundak sapiens, altn. ryndr literatus, magus; lett. runnat loqui, runnas collegium, sermo.2) Wer das Mysterium, die Rune besitzt, ist ein Weiser, hat die Kunst und Wissenschaft, kann reden und schreiben, ist ein Zauberer und Meister, ein Künstler. Auf diese Weise fällt im Alterthume lange Zeit die Ausbreitung der Bildung und des Wissens mit der Ausbreitung der Mysterien, mit dem Eingeweihtwerden zusammen und die höhere Geschichte der Menschheit ist mehr oder weniger gleichbedeutend mit der Geschichte der Mysterien. Die Kunst, mit den Händen Zeichen zu geben, war schon bei den Römern sehr ausgebildet und vermuthlich auch bei den römischen Baucorporafionen geübt worden, wie sie in den Klöstern des Mittelalters gebräuchlich war.3) Obwohl das Wissen der Mysterien ein geheimes, ein nur den Eingeweihten an gehörendes oder bevorrechtetes (privilegium) war, lag dennoch darin ein bedeutendes Moment der allgemeinen Frei-

1) Diefenbach, a. a. O., S. 410.
2) Diefenbach, a. a. O.
3) Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 67, Anm.

Schrift, altn. runa f. linea neben rûn litera, kymr. rhin f. mysterium, brit. rin, pl. rinyou m. mysterium, incantatio, – gadh. rûn, pl. rûintean, mysteriuni, consilium, – ruine f. secretum, silentium, – finn. runo carmen.1) Mit allen Mysterien ist nothwendig auch eine nur den Eingeweihten mitzutheilende und verständliche Geheimschrift verbunden, wie dieselben ihre besondern und geheimen Erkennungsworte und Erkennungszeichen haben; die Eingeweihten erkennen einander an dem Worte, an den Zeichen der Hand und des Fusses, oder an der Schrift. Bei den Grussmauern des Mittelalters bestand diese Geheimschrift darin, dass die Vocale a, e, i, o und u mit den Zahlen 1, 2, 3, 4 und 5 bezeichnet und der erste Buchstabe allezeit vor den letzten Buchstaben des Wortes gesetzt wurden; c3h 2rh4ffv2 heisst daher: ich verhoffe. Ursprünglich war alle Schrift, wie überhaupt alles Wissen, insofern ein Geheimniss, ein Mysterium, eine Rune, als sie nur den Eingeweihten gelehrt und mitgetheilt wurde. Finn. heisst daher rudnet dicere, loqui, – rund artificium, scientia, – rundak sapiens, altn. ryndr literatus, magus; lett. runnât loqui, runnas collegium, sermo.2) Wer das Mysterium, die Rune besitzt, ist ein Weiser, hat die Kunst und Wissenschaft, kann reden und schreiben, ist ein Zauberer und Meister, ein Künstler. Auf diese Weise fällt im Alterthume lange Zeit die Ausbreitung der Bildung und des Wissens mit der Ausbreitung der Mysterien, mit dem Eingeweihtwerden zusammen und die höhere Geschichte der Menschheit ist mehr oder weniger gleichbedeutend mit der Geschichte der Mysterien. Die Kunst, mit den Händen Zeichen zu geben, war schon bei den Römern sehr ausgebildet und vermuthlich auch bei den römischen Baucorporafionen geübt worden, wie sie in den Klöstern des Mittelalters gebräuchlich war.3) Obwohl das Wissen der Mysterien ein geheimes, ein nur den Eingeweihten an gehörendes oder bevorrechtetes (privilegium) war, lag dennoch darin ein bedeutendes Moment der allgemeinen Frei-

1) Diefenbach, a. a. O., S. 410.
2) Diefenbach, a. a. O.
3) Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 67, Anm.
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[257/0277] Schrift, altn. runa f. linea neben rûn litera, kymr. rhin f. mysterium, brit. rin, pl. rinyou m. mysterium, incantatio, – gadh. rûn, pl. rûintean, mysteriuni, consilium, – ruine f. secretum, silentium, – finn. runo carmen. 1) Mit allen Mysterien ist nothwendig auch eine nur den Eingeweihten mitzutheilende und verständliche Geheimschrift verbunden, wie dieselben ihre besondern und geheimen Erkennungsworte und Erkennungszeichen haben; die Eingeweihten erkennen einander an dem Worte, an den Zeichen der Hand und des Fusses, oder an der Schrift. Bei den Grussmauern des Mittelalters bestand diese Geheimschrift darin, dass die Vocale a, e, i, o und u mit den Zahlen 1, 2, 3, 4 und 5 bezeichnet und der erste Buchstabe allezeit vor den letzten Buchstaben des Wortes gesetzt wurden; c3h 2rh4ffv2 heisst daher: ich verhoffe. Ursprünglich war alle Schrift, wie überhaupt alles Wissen, insofern ein Geheimniss, ein Mysterium, eine Rune, als sie nur den Eingeweihten gelehrt und mitgetheilt wurde. Finn. heisst daher rudnet dicere, loqui, – rund artificium, scientia, – rundak sapiens, altn. ryndr literatus, magus; lett. runnât loqui, runnas collegium, sermo. 2) Wer das Mysterium, die Rune besitzt, ist ein Weiser, hat die Kunst und Wissenschaft, kann reden und schreiben, ist ein Zauberer und Meister, ein Künstler. Auf diese Weise fällt im Alterthume lange Zeit die Ausbreitung der Bildung und des Wissens mit der Ausbreitung der Mysterien, mit dem Eingeweihtwerden zusammen und die höhere Geschichte der Menschheit ist mehr oder weniger gleichbedeutend mit der Geschichte der Mysterien. Die Kunst, mit den Händen Zeichen zu geben, war schon bei den Römern sehr ausgebildet und vermuthlich auch bei den römischen Baucorporafionen geübt worden, wie sie in den Klöstern des Mittelalters gebräuchlich war. 3) Obwohl das Wissen der Mysterien ein geheimes, ein nur den Eingeweihten an gehörendes oder bevorrechtetes (privilegium) war, lag dennoch darin ein bedeutendes Moment der allgemeinen Frei- 1) Diefenbach, a. a. O., S. 410. 2) Diefenbach, a. a. O. 3) Krause, Kunsturkunden, II. 2. S. 67, Anm.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/277>, abgerufen am 25.11.2024.