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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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I. S. 4, hält diese Leichensitte für einen Ueberrest des uralten ägyptischen Todtengerichtes, was sie leicht sein könnte, zumal die Gerichtsfrage des Iman in einer merkwürdigen Weise mit den ähnlichen maurerischen Fragen bei der Eröffnung der Trauerloge zusammentrifft.

Aus dem Glauben der alten Aegypter an die Fortdauer des Lebens nach dem Tode, an die Unsterblichkeit der Seele und die Bestrafung des Bösen und die Belohnung des Guten in jener Welt, in der Unterwelt erzeugten sich folgende weitere Vorstellungen über das Schicksal der Seele nach dem Tode:

Nach dem Tode steigt die Seele im Westen mit der sinkenden Sonne hinab unter die Erde und der Tod erscheint somit sehr schön und tief bedeutungsvoll nur als ein Sonnenuntergang, dem die Wiederauferstehung folgen soll und gewiss auch wird. Am Thore der Unterwelt oder des Amentes, welcher letztere nach Uhlemann, das Todtengericht bei den alten Aegyptern, Berlin 1854, S. 10, einen dunkelen Ort unter der Erde von den koptischen Wurzeln ham-en-to bezeichnet, sitzt der Wächter oder der Verschlinger der Unterwelt, ein Ungethüm mit weit aufgesperrtem Rachen, als das Symbol des Alles verschlingenden, furchtbaren Todes. In dem Vorhofe der Unterwelt, in dem doppelten Saale der strafenden und lohnenden ewigen Gerechtigkeit, hält Osiris, umgeben von den 42 Todtenrichtern, über die ankommende Seele Gericht; 42 Todtenrichter sind, weil die Aegypter 42 Todsünden annahmen, von welchen allen der Verstorbene sich in dem letzten Gerichte zu reinigen hatte, indem er versicherte, keine Bosheit geübt, nicht gestohlen, Niemanden mit Absicht getödtet zu haben u. s. w. Nachdem der Todte sich auf diese Weise von den 42 Todsünden gereinigt und seine Unschuld betheuert hat,1) wird sein Herz auf der Wage der Gerechtigkeit gewogen, wobei das Herz, d. h. die guten und die schlechten Thaten des Verstorbenen, in der einen Wagschale und in der andern Wagschale als der prüfende Gewichtstein die Straussfeder des Rechtes und der Wahrheit liegen. An der einen Seite der Todtenwage steht

1) Vergl. Bunsen, Aegyptens Stelle, Va. S. 549 ff.

I. S. 4, hält diese Leichensitte für einen Ueberrest des uralten ägyptischen Todtengerichtes, was sie leicht sein könnte, zumal die Gerichtsfrage des Iman in einer merkwürdigen Weise mit den ähnlichen maurerischen Fragen bei der Eröffnung der Trauerloge zusammentrifft.

Aus dem Glauben der alten Aegypter an die Fortdauer des Lebens nach dem Tode, an die Unsterblichkeit der Seele und die Bestrafung des Bösen und die Belohnung des Guten in jener Welt, in der Unterwelt erzeugten sich folgende weitere Vorstellungen über das Schicksal der Seele nach dem Tode:

Nach dem Tode steigt die Seele im Westen mit der sinkenden Sonne hinab unter die Erde und der Tod erscheint somit sehr schön und tief bedeutungsvoll nur als ein Sonnenuntergang, dem die Wiederauferstehung folgen soll und gewiss auch wird. Am Thore der Unterwelt oder des Amentes, welcher letztere nach Uhlemann, das Todtengericht bei den alten Aegyptern, Berlin 1854, S. 10, einen dunkelen Ort unter der Erde von den koptischen Wurzeln ham-en-to bezeichnet, sitzt der Wächter oder der Verschlinger der Unterwelt, ein Ungethüm mit weit aufgesperrtem Rachen, als das Symbol des Alles verschlingenden, furchtbaren Todes. In dem Vorhofe der Unterwelt, in dem doppelten Saale der strafenden und lohnenden ewigen Gerechtigkeit, hält Osiris, umgeben von den 42 Todtenrichtern, über die ankommende Seele Gericht; 42 Todtenrichter sind, weil die Aegypter 42 Todsünden annahmen, von welchen allen der Verstorbene sich in dem letzten Gerichte zu reinigen hatte, indem er versicherte, keine Bosheit geübt, nicht gestohlen, Niemanden mit Absicht getödtet zu haben u. s. w. Nachdem der Todte sich auf diese Weise von den 42 Todsünden gereinigt und seine Unschuld betheuert hat,1) wird sein Herz auf der Wage der Gerechtigkeit gewogen, wobei das Herz, d. h. die guten und die schlechten Thaten des Verstorbenen, in der einen Wagschale und in der andern Wagschale als der prüfende Gewichtstein die Straussfeder des Rechtes und der Wahrheit liegen. An der einen Seite der Todtenwage steht

1) Vergl. Bunsen, Aegyptens Stelle, Va. S. 549 ff.
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 Aus dem Glauben der alten Aegypter an die Fortdauer des Lebens nach dem Tode, an die Unsterblichkeit der Seele und die Bestrafung des Bösen und die Belohnung des Guten in jener Welt, in der Unterwelt erzeugten sich folgende weitere Vorstellungen über das Schicksal der Seele nach dem Tode:</p>
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[4/0024] I. S. 4, hält diese Leichensitte für einen Ueberrest des uralten ägyptischen Todtengerichtes, was sie leicht sein könnte, zumal die Gerichtsfrage des Iman in einer merkwürdigen Weise mit den ähnlichen maurerischen Fragen bei der Eröffnung der Trauerloge zusammentrifft. Aus dem Glauben der alten Aegypter an die Fortdauer des Lebens nach dem Tode, an die Unsterblichkeit der Seele und die Bestrafung des Bösen und die Belohnung des Guten in jener Welt, in der Unterwelt erzeugten sich folgende weitere Vorstellungen über das Schicksal der Seele nach dem Tode: Nach dem Tode steigt die Seele im Westen mit der sinkenden Sonne hinab unter die Erde und der Tod erscheint somit sehr schön und tief bedeutungsvoll nur als ein Sonnenuntergang, dem die Wiederauferstehung folgen soll und gewiss auch wird. Am Thore der Unterwelt oder des Amentes, welcher letztere nach Uhlemann, das Todtengericht bei den alten Aegyptern, Berlin 1854, S. 10, einen dunkelen Ort unter der Erde von den koptischen Wurzeln ham-en-to bezeichnet, sitzt der Wächter oder der Verschlinger der Unterwelt, ein Ungethüm mit weit aufgesperrtem Rachen, als das Symbol des Alles verschlingenden, furchtbaren Todes. In dem Vorhofe der Unterwelt, in dem doppelten Saale der strafenden und lohnenden ewigen Gerechtigkeit, hält Osiris, umgeben von den 42 Todtenrichtern, über die ankommende Seele Gericht; 42 Todtenrichter sind, weil die Aegypter 42 Todsünden annahmen, von welchen allen der Verstorbene sich in dem letzten Gerichte zu reinigen hatte, indem er versicherte, keine Bosheit geübt, nicht gestohlen, Niemanden mit Absicht getödtet zu haben u. s. w. Nachdem der Todte sich auf diese Weise von den 42 Todsünden gereinigt und seine Unschuld betheuert hat, 1) wird sein Herz auf der Wage der Gerechtigkeit gewogen, wobei das Herz, d. h. die guten und die schlechten Thaten des Verstorbenen, in der einen Wagschale und in der andern Wagschale als der prüfende Gewichtstein die Straussfeder des Rechtes und der Wahrheit liegen. An der einen Seite der Todtenwage steht 1) Vergl. Bunsen, Aegyptens Stelle, Va. S. 549 ff.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/24>, abgerufen am 24.11.2024.