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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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O Prophet! Rasch solchem Stammeln Einhalt thu',
Bauern nur sagt jenes Hei des Stammlers zu.
Zorn im Herz Muhammeds glüht, mit Ernst er spricht:
Seiner Gnade tief Geheimniss kennt ihr nicht.
Wisst, dass unserm Gotte dieses Stammlers Hei
Schöner als die schönste Red' und Aussprach' sei.
Wem ein reiner Hauch nun beim Gebete fehlt,
Fleh' zum Reinheitsquell, bis dass er ihn erhält.
Da vor Gott einst Moses zum Gebet hintrat,
Also Gott zu ihm voll Ernst gesprochen hat:
Mose! nur mit solchem Munde ruf' mich an,
Der noch nie 'ne Sünde hat vor mir gethan!
Moses tief im Geist erschreckt, mit Beben spricht:
Weh' mir dann! Ich habe solche Lippen nicht.
Gott darauf: Ein Mund bei mir in Gnaden steht,
Schuldlos ist der Mund, der um Vergebung fleht.
Wiss' o Mose! Schuldig sind die Lippen nicht,
Drauf ohn' Unterlass Gebet um Gnade liegt.1)

In einem andern szufitischen Gedichte heisst es:

Nur wer der Reinheit Sam' in's Herze sä'te,
Nur dem zu Gott gestattet sind Gebete.
Hast du nicht ganz dein eignes Ich verspielet,
Was Beten ist hast nimmer du gefühlet.
Nur weinn dein ganzes Sein frei von Befleckung,
Nur dann das Beten wird fürwahr Erquickung.2)

Bei den Indern ist Gott, Brahma, der Herr des Gebetes, Brihaspati oder Brahman' aspati, und Herr der Rede, Vak' aspati,3) d. h. das Gebet und alle Rede, das Wort ([fremdsprachliches Material]) ist göttlich, ist eine Regung, eine That des göttlichen Geistes in uns. Wir beten zu Gott, wir nennen und bekennen Gott, wenn er unser Herz und unsern Geist bewegt und erfüllt. Daher haben die Inder die Rede vergöttlicht und rufen dieselbe als Sarasvati, als die Erregerin wahrer Reden und guter Gedanken an, und ebenso den Lobgesang Ila oder Id'a.4) Der Redende, der Betende und der Lobsingende, - das Wort und der Gesang sind die Verkündigung Gottes durch den Menschen, der gött-

1) Tholuk, Blüthensammlung aus der morgenländischen Mystik, S. 159
2) Tholuk. a. a. O., S. 208.
3) Lassen. a. a. O., I. S. 766 und 767.
4) Lassen, a. a. O., I. S. 767.

O Prophet! Rasch solchem Stammeln Einhalt thu’,
Bauern nur sagt jenes Hei des Stammlers zu.
Zorn im Herz Muhammeds glüht, mit Ernst er spricht:
Seiner Gnade tief Geheimniss kennt ihr nicht.
Wisst, dass unserm Gotte dieses Stammlers Hei
Schöner als die schönste Red’ und Aussprach’ sei.
Wem ein reiner Hauch nun beim Gebete fehlt,
Fleh’ zum Reinheitsquell, bis dass er ihn erhält.
Da vor Gott einst Moses zum Gebet hintrat,
Also Gott zu ihm voll Ernst gesprochen hat:
Mose! nur mit solchem Munde ruf’ mich an,
Der noch nie ’ne Sünde hat vor mir gethan!
Moses tief im Geist erschreckt, mit Beben spricht:
Weh’ mir dann! Ich habe solche Lippen nicht.
Gott darauf: Ein Mund bei mir in Gnaden steht,
Schuldlos ist der Mund, der um Vergebung fleht.
Wiss’ o Mose! Schuldig sind die Lippen nicht,
Drauf ohn’ Unterlass Gebet um Gnade liegt.1)

In einem andern szufitischen Gedichte heisst es:

Nur wer der Reinheit Sam’ in’s Herze sä’te,
Nur dem zu Gott gestattet sind Gebete.
Hast du nicht ganz dein eignes Ich verspielet,
Was Beten ist hast nimmer du gefühlet.
Nur weinn dein ganzes Sein frei von Befleckung,
Nur dann das Beten wird fürwahr Erquickung.2)

Bei den Indern ist Gott, Brahma, der Herr des Gebetes, Brihaspati oder Brahman’ aspati, und Herr der Rede, Vâk’ aspati,3) d. h. das Gebet und alle Rede, das Wort ([fremdsprachliches Material]) ist göttlich, ist eine Regung, eine That des göttlichen Geistes in uns. Wir beten zu Gott, wir nennen und bekennen Gott, wenn er unser Herz und unsern Geist bewegt und erfüllt. Daher haben die Inder die Rede vergöttlicht und rufen dieselbe als Sarasvati, als die Erregerin wahrer Reden und guter Gedanken an, und ebenso den Lobgesang Ilâ oder Id’â.4) Der Redende, der Betende und der Lobsingende, – das Wort und der Gesang sind die Verkündigung Gottes durch den Menschen, der gött-

1) Tholuk, Blüthensammlung aus der morgenländischen Mystik, S. 159
2) Tholuk. a. a. O., S. 208.
3) Lassen. a. a. O., I. S. 766 und 767.
4) Lassen, a. a. O., I. S. 767.
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[104/0124] O Prophet! Rasch solchem Stammeln Einhalt thu’, Bauern nur sagt jenes Hei des Stammlers zu. Zorn im Herz Muhammeds glüht, mit Ernst er spricht: Seiner Gnade tief Geheimniss kennt ihr nicht. Wisst, dass unserm Gotte dieses Stammlers Hei Schöner als die schönste Red’ und Aussprach’ sei. Wem ein reiner Hauch nun beim Gebete fehlt, Fleh’ zum Reinheitsquell, bis dass er ihn erhält. Da vor Gott einst Moses zum Gebet hintrat, Also Gott zu ihm voll Ernst gesprochen hat: Mose! nur mit solchem Munde ruf’ mich an, Der noch nie ’ne Sünde hat vor mir gethan! Moses tief im Geist erschreckt, mit Beben spricht: Weh’ mir dann! Ich habe solche Lippen nicht. Gott darauf: Ein Mund bei mir in Gnaden steht, Schuldlos ist der Mund, der um Vergebung fleht. Wiss’ o Mose! Schuldig sind die Lippen nicht, Drauf ohn’ Unterlass Gebet um Gnade liegt. 1) In einem andern szufitischen Gedichte heisst es: Nur wer der Reinheit Sam’ in’s Herze sä’te, Nur dem zu Gott gestattet sind Gebete. Hast du nicht ganz dein eignes Ich verspielet, Was Beten ist hast nimmer du gefühlet. Nur weinn dein ganzes Sein frei von Befleckung, Nur dann das Beten wird fürwahr Erquickung. 2) Bei den Indern ist Gott, Brahma, der Herr des Gebetes, Brihaspati oder Brahman’ aspati, und Herr der Rede, Vâk’ aspati, 3) d. h. das Gebet und alle Rede, das Wort (_ ) ist göttlich, ist eine Regung, eine That des göttlichen Geistes in uns. Wir beten zu Gott, wir nennen und bekennen Gott, wenn er unser Herz und unsern Geist bewegt und erfüllt. Daher haben die Inder die Rede vergöttlicht und rufen dieselbe als Sarasvati, als die Erregerin wahrer Reden und guter Gedanken an, und ebenso den Lobgesang Ilâ oder Id’â. 4) Der Redende, der Betende und der Lobsingende, – das Wort und der Gesang sind die Verkündigung Gottes durch den Menschen, der gött- 1) Tholuk, Blüthensammlung aus der morgenländischen Mystik, S. 159 2) Tholuk. a. a. O., S. 208. 3) Lassen. a. a. O., I. S. 766 und 767. 4) Lassen, a. a. O., I. S. 767.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/124>, abgerufen am 13.05.2024.