Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.diesen gezählt werden wollen und dürfen. Noch bestimmter und genauer kann dieses auch dahin ausgedrückt werden, dass in der Zeit, in welcher die Phönicier das Erz zu graben und zu giessen und die Aegypter die Pyramiden, Gräber, Tempel und Städte zu bauen begannen, ihre Kleidung die Schürze gewesen sei. Es verkündet sich ein tiefer historischer, ein weltgeschichtlicher Zug darin, dass die Götterkünstler und die göttlichen Baumeister ursprünglich dieselbe Kleidung tragen, somit die Erfindung des Erzgusses und der Baukunst in dieselbe Entwicklungszeit der Menschheit fallen und zwar in der Weise, dass jene dieser zur Unterlage und zum Vorbilde dient, aus dem Erzstyle der Baustyl hervorgeht.1) Semper, a. a. O., I. S. 215, sagt von dem Schurze als Kleidung der Menschen und der Götter: "Der Schurz, unter allen Motiven der Kleidung das unbildsamste, wurde von den Gräko-italern frühzeitig verlassen, blieb aber in Aegypten das heilige Kostüm und fand dort die höchste formelle Ausbildung, deren er nach symmetrischen Prinzipien der Anordnung fähig ist. Die ursprüngliche nothdürftige Schamverhüllung konnte dem Schicklichkeitsgefühle nicht genügen, man verlängerte den Schurz nach unten und nach oben, gab ihm zugleich bauschigere Formen. Er wurde, wenn die Verlängerung nach unten stattfand, mit einem Hüftgurt gehalten; bei gleichzeitiger Verlängerung nach oben diente ein Tragband über eine Schulter oder ein doppeltes Tragband über beide Schultern zum Halt des Kleides. Statt der Tragbänder kamen dann Umschlagtücher auf, deren Spitzen zwischen den Brüsten einen Knoten bildeten, der zugleich die Zipfel des Schurzes aufnahm und den Halter für letzteren abgab. In dieser veredelten Form tritt uns der ägyptische Schurz in den Isisstatuen entgegen und er fand selbst in der statuarischen Kunst der Griechen und Römer Aufnahme und Nachahmung (der Peplos ist eine Art von schurzähnlichem Ueberwurf der Pallas Athene)." 1) Semper, der Stil,
75 u. 76, und besonders S. 431 u. 439.
diesen gezählt werden wollen und dürfen. Noch bestimmter und genauer kann dieses auch dahin ausgedrückt werden, dass in der Zeit, in welcher die Phönicier das Erz zu graben und zu giessen und die Aegypter die Pyramiden, Gräber, Tempel und Städte zu bauen begannen, ihre Kleidung die Schürze gewesen sei. Es verkündet sich ein tiefer historischer, ein weltgeschichtlicher Zug darin, dass die Götterkünstler und die göttlichen Baumeister ursprünglich dieselbe Kleidung tragen, somit die Erfindung des Erzgusses und der Baukunst in dieselbe Entwicklungszeit der Menschheit fallen und zwar in der Weise, dass jene dieser zur Unterlage und zum Vorbilde dient, aus dem Erzstyle der Baustyl hervorgeht.1) Semper, a. a. O., I. S. 215, sagt von dem Schurze als Kleidung der Menschen und der Götter: „Der Schurz, unter allen Motiven der Kleidung das unbildsamste, wurde von den Gräko-italern frühzeitig verlassen, blieb aber in Aegypten das heilige Kostüm und fand dort die höchste formelle Ausbildung, deren er nach symmetrischen Prinzipien der Anordnung fähig ist. Die ursprüngliche nothdürftige Schamverhüllung konnte dem Schicklichkeitsgefühle nicht genügen, man verlängerte den Schurz nach unten und nach oben, gab ihm zugleich bauschigere Formen. Er wurde, wenn die Verlängerung nach unten stattfand, mit einem Hüftgurt gehalten; bei gleichzeitiger Verlängerung nach oben diente ein Tragband über eine Schulter oder ein doppeltes Tragband über beide Schultern zum Halt des Kleides. Statt der Tragbänder kamen dann Umschlagtücher auf, deren Spitzen zwischen den Brüsten einen Knoten bildeten, der zugleich die Zipfel des Schurzes aufnahm und den Halter für letzteren abgab. In dieser veredelten Form tritt uns der ägyptische Schurz in den Isisstatuen entgegen und er fand selbst in der statuarischen Kunst der Griechen und Römer Aufnahme und Nachahmung (der Peplos ist eine Art von schurzähnlichem Ueberwurf der Pallas Athene).“ 1) Semper, der Stil,
75 u. 76, und besonders S. 431 u. 439.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0088" n="72"/> diesen gezählt werden wollen und dürfen. Noch bestimmter und genauer kann dieses auch dahin ausgedrückt werden, dass in der Zeit, in welcher die Phönicier das Erz zu graben und zu giessen und die Aegypter die Pyramiden, Gräber, Tempel und Städte zu bauen begannen, ihre Kleidung die Schürze gewesen sei. Es verkündet sich ein <choice><sic>tiefer,</sic><corr>tiefer</corr></choice> historischer, ein weltgeschichtlicher Zug darin, dass die Götterkünstler und die göttlichen Baumeister ursprünglich dieselbe Kleidung tragen, somit die Erfindung des Erzgusses und der Baukunst in dieselbe Entwicklungszeit der Menschheit fallen und zwar in der Weise, dass jene dieser zur Unterlage und zum Vorbilde dient, aus dem Erzstyle der Baustyl hervorgeht.<note place="foot" n="1)">Semper, der Stil, 75 u. 76, und besonders S. 431 u. 439.</note> Semper, a. a. O., I. S. 215, sagt von dem Schurze als Kleidung der Menschen und der Götter:</p> <p> „Der Schurz, unter allen Motiven der Kleidung das unbildsamste, wurde von den Gräko-italern frühzeitig verlassen, blieb aber in Aegypten das heilige Kostüm und fand dort die höchste formelle Ausbildung, deren er nach symmetrischen Prinzipien der Anordnung fähig ist. Die ursprüngliche nothdürftige Schamverhüllung konnte dem Schicklichkeitsgefühle nicht genügen, man verlängerte den Schurz nach unten und nach oben, gab ihm zugleich bauschigere Formen. Er wurde, wenn die Verlängerung nach unten stattfand, mit einem Hüftgurt gehalten; bei gleichzeitiger Verlängerung nach oben diente ein Tragband über eine Schulter oder ein doppeltes Tragband über beide Schultern zum Halt des Kleides. Statt der Tragbänder kamen dann Umschlagtücher auf, deren Spitzen zwischen den Brüsten einen Knoten bildeten, der zugleich die Zipfel des Schurzes aufnahm und den Halter für letzteren abgab. In dieser veredelten Form tritt uns der ägyptische Schurz in den Isisstatuen entgegen und er fand selbst in der statuarischen Kunst der Griechen und Römer Aufnahme und Nachahmung (der Peplos ist eine Art von schurzähnlichem Ueberwurf der Pallas Athene).“</p> </div> </body> </text> </TEI> [72/0088]
diesen gezählt werden wollen und dürfen. Noch bestimmter und genauer kann dieses auch dahin ausgedrückt werden, dass in der Zeit, in welcher die Phönicier das Erz zu graben und zu giessen und die Aegypter die Pyramiden, Gräber, Tempel und Städte zu bauen begannen, ihre Kleidung die Schürze gewesen sei. Es verkündet sich ein tiefer historischer, ein weltgeschichtlicher Zug darin, dass die Götterkünstler und die göttlichen Baumeister ursprünglich dieselbe Kleidung tragen, somit die Erfindung des Erzgusses und der Baukunst in dieselbe Entwicklungszeit der Menschheit fallen und zwar in der Weise, dass jene dieser zur Unterlage und zum Vorbilde dient, aus dem Erzstyle der Baustyl hervorgeht. 1) Semper, a. a. O., I. S. 215, sagt von dem Schurze als Kleidung der Menschen und der Götter:
„Der Schurz, unter allen Motiven der Kleidung das unbildsamste, wurde von den Gräko-italern frühzeitig verlassen, blieb aber in Aegypten das heilige Kostüm und fand dort die höchste formelle Ausbildung, deren er nach symmetrischen Prinzipien der Anordnung fähig ist. Die ursprüngliche nothdürftige Schamverhüllung konnte dem Schicklichkeitsgefühle nicht genügen, man verlängerte den Schurz nach unten und nach oben, gab ihm zugleich bauschigere Formen. Er wurde, wenn die Verlängerung nach unten stattfand, mit einem Hüftgurt gehalten; bei gleichzeitiger Verlängerung nach oben diente ein Tragband über eine Schulter oder ein doppeltes Tragband über beide Schultern zum Halt des Kleides. Statt der Tragbänder kamen dann Umschlagtücher auf, deren Spitzen zwischen den Brüsten einen Knoten bildeten, der zugleich die Zipfel des Schurzes aufnahm und den Halter für letzteren abgab. In dieser veredelten Form tritt uns der ägyptische Schurz in den Isisstatuen entgegen und er fand selbst in der statuarischen Kunst der Griechen und Römer Aufnahme und Nachahmung (der Peplos ist eine Art von schurzähnlichem Ueberwurf der Pallas Athene).“
1) Semper, der Stil, 75 u. 76, und besonders S. 431 u. 439.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/88 |
Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/88>, abgerufen am 16.02.2025. |