Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Von dem Donnergotte oder vielmehr von seinem Bocke trägt auch der vorzüglichste der Frankenweine, der an der Burg zu Würzburg gewachsene Wein, den Namen Bocksbeutel und eben darauf sind die Böckereien genannten Volkslustbarkeiten und Volksmummereien zu beziehen. Eine Böckerei ist eine Bacchanterei, eine Art Dionysosfest, - in der Schweiz besonders ein Neujahrs- und Fastnachtschwank. Die Böcken, Böggen der Schweiz sind die zu allen Jahreszeiten getragenen Masken, vermummten Menschen, - die Neujahrs-, Fassnachts- und Herbstnarren. Hieran reihen sich auch die deutschen kirchlichen Schauspiele des Mittelalters, besonders die Passions- und Osterspiele, wie dieselben sich bis auf den heutigen Tag in Baiern1) und Oesterreich erhalten haben und worüber besonders Mone, altdeutsche Schauspiele, Quedlinburg und Leipzig 1841, S. 13 ff., zu vergleichen ist. Das deutsche Schauspiel ist aus dem lateinischen Kirchendienst und Kirchenspiel hervorgegangen. Es steht zu vermuthen, dass auch diese kirchlichen Schauspiele dem Bestreben der Geistlichkeitt, die ähnlichen heidnischen Darstellungen zu verdrängen und zu ersetzen, ihren Ursprung verdanken. Sie wurden vornehmlich an drei Festtagen, die nächst der Weihnacht fielen, aufgeführt, am Stephans-, Johannes-Evangelisten- und unschuldigen Kindleinstag, vom 26. bis 28. Dezember, welche Feiertage an und für sich keine Veranlassung zu dramatischen Aufzügen haben. Zu dieser Zeit passen nur die Drei-Königsspiele, nicht die Passions- und Osterspiele, die nach den vorhandenen Stücken häufiger waren und in die Charwoche gehören. Auf diesem Ursprunge der geistlichen Schauspiele beruht es auch, dass bald zum grossen Aergernisse der Besonnenen die weltlichen Zwischenspiele, die Volkskomödie, in das geistliche Drama Eingang fanden, obgleich weder Verfasser noch Zuhörer den Willen hatten, damit den religiösen Inhalt der Stücke zu verspotten. Es ist daher nicht zu verwundern, dass diese Spiele unterdrückt wurden und jetzt ihre Handschriften sehr selten sind. Die antike und heutige dramatische Kunst beruht

1) Vergl. Schmid, das Passions-Spiel im Oberammergau, in der Gartenlaube für 1860, Nr. 24 und 35.

Von dem Donnergotte oder vielmehr von seinem Bocke trägt auch der vorzüglichste der Frankenweine, der an der Burg zu Würzburg gewachsene Wein, den Namen Bocksbeutel und eben darauf sind die Böckereien genannten Volkslustbarkeiten und Volksmummereien zu beziehen. Eine Böckerei ist eine Bacchanterei, eine Art Dionysosfest, – in der Schweiz besonders ein Neujahrs- und Fastnachtschwank. Die Böcken, Böggen der Schweiz sind die zu allen Jahreszeiten getragenen Masken, vermummten Menschen, – die Neujahrs-, Fassnachts- und Herbstnarren. Hieran reihen sich auch die deutschen kirchlichen Schauspiele des Mittelalters, besonders die Passions- und Osterspiele, wie dieselben sich bis auf den heutigen Tag in Baiern1) und Oesterreich erhalten haben und worüber besonders Mone, altdeutsche Schauspiele, Quedlinburg und Leipzig 1841, S. 13 ff., zu vergleichen ist. Das deutsche Schauspiel ist aus dem lateinischen Kirchendienst und Kirchenspiel hervorgegangen. Es steht zu vermuthen, dass auch diese kirchlichen Schauspiele dem Bestreben der Geistlichkeitt, die ähnlichen heidnischen Darstellungen zu verdrängen und zu ersetzen, ihren Ursprung verdanken. Sie wurden vornehmlich an drei Festtagen, die nächst der Weihnacht fielen, aufgeführt, am Stephans-, Johannes-Evangelisten- und unschuldigen Kindleinstag, vom 26. bis 28. Dezember, welche Feiertage an und für sich keine Veranlassung zu dramatischen Aufzügen haben. Zu dieser Zeit passen nur die Drei-Königsspiele, nicht die Passions- und Osterspiele, die nach den vorhandenen Stücken häufiger waren und in die Charwoche gehören. Auf diesem Ursprunge der geistlichen Schauspiele beruht es auch, dass bald zum grossen Aergernisse der Besonnenen die weltlichen Zwischenspiele, die Volkskomödie, in das geistliche Drama Eingang fanden, obgleich weder Verfasser noch Zuhörer den Willen hatten, damit den religiösen Inhalt der Stücke zu verspotten. Es ist daher nicht zu verwundern, dass diese Spiele unterdrückt wurden und jetzt ihre Handschriften sehr selten sind. Die antike und heutige dramatische Kunst beruht

1) Vergl. Schmid, das Passions-Spiel im Oberammergau, in der Gartenlaube für 1860, Nr. 24 und 35.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0636" n="620"/>
        <p> Von dem Donnergotte oder vielmehr von seinem Bocke trägt auch der vorzüglichste der
 Frankenweine, der an der Burg zu Würzburg gewachsene Wein, den Namen Bocksbeutel und eben darauf
 sind die Böckereien genannten Volkslustbarkeiten und Volksmummereien zu beziehen. Eine Böckerei ist
 eine Bacchanterei, eine Art Dionysosfest, &#x2013; in der Schweiz besonders ein Neujahrs- und
 Fastnachtschwank. Die Böcken, Böggen der Schweiz sind die zu allen Jahreszeiten getragenen Masken,
 vermummten Menschen, &#x2013; die Neujahrs-, Fassnachts- und Herbstnarren. Hieran reihen sich auch die
 deutschen kirchlichen Schauspiele des Mittelalters, besonders die Passions- und Osterspiele, wie
 dieselben sich bis auf den heutigen Tag in Baiern<note place="foot" n="1)">Vergl. Schmid, das
 Passions-Spiel im Oberammergau, in der Gartenlaube für 1860, Nr. 24 und 35. </note> und Oesterreich
 erhalten haben und worüber besonders Mone, altdeutsche Schauspiele, Quedlinburg und Leipzig 1841, S.
 13 ff., zu vergleichen ist. Das deutsche Schauspiel ist aus dem lateinischen Kirchendienst und
 Kirchenspiel hervorgegangen. Es steht zu vermuthen, dass auch diese kirchlichen Schauspiele dem
 Bestreben der Geistlichkeitt, die ähnlichen heidnischen Darstellungen zu verdrängen und zu ersetzen,
 ihren Ursprung verdanken. Sie wurden vornehmlich an drei Festtagen, die nächst der Weihnacht fielen,
 aufgeführt, am Stephans-, Johannes-Evangelisten- und unschuldigen Kindleinstag, vom 26. bis 28.
 Dezember, welche Feiertage an und für sich keine Veranlassung zu dramatischen Aufzügen haben. Zu
 dieser Zeit passen nur die Drei-Königsspiele, nicht die Passions- und Osterspiele, die nach den
 vorhandenen Stücken häufiger waren und in die Charwoche gehören. Auf diesem Ursprunge der
 geistlichen Schauspiele beruht es auch, dass bald zum grossen Aergernisse der Besonnenen die
 weltlichen Zwischenspiele, die Volkskomödie, in das geistliche Drama Eingang fanden, obgleich weder
 Verfasser noch Zuhörer den Willen hatten, damit den religiösen Inhalt der Stücke zu verspotten. Es
 ist daher nicht zu verwundern, dass diese Spiele unterdrückt wurden und jetzt ihre Handschriften
 sehr selten sind. Die antike und heutige dramatische Kunst beruht
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[620/0636] Von dem Donnergotte oder vielmehr von seinem Bocke trägt auch der vorzüglichste der Frankenweine, der an der Burg zu Würzburg gewachsene Wein, den Namen Bocksbeutel und eben darauf sind die Böckereien genannten Volkslustbarkeiten und Volksmummereien zu beziehen. Eine Böckerei ist eine Bacchanterei, eine Art Dionysosfest, – in der Schweiz besonders ein Neujahrs- und Fastnachtschwank. Die Böcken, Böggen der Schweiz sind die zu allen Jahreszeiten getragenen Masken, vermummten Menschen, – die Neujahrs-, Fassnachts- und Herbstnarren. Hieran reihen sich auch die deutschen kirchlichen Schauspiele des Mittelalters, besonders die Passions- und Osterspiele, wie dieselben sich bis auf den heutigen Tag in Baiern 1) und Oesterreich erhalten haben und worüber besonders Mone, altdeutsche Schauspiele, Quedlinburg und Leipzig 1841, S. 13 ff., zu vergleichen ist. Das deutsche Schauspiel ist aus dem lateinischen Kirchendienst und Kirchenspiel hervorgegangen. Es steht zu vermuthen, dass auch diese kirchlichen Schauspiele dem Bestreben der Geistlichkeitt, die ähnlichen heidnischen Darstellungen zu verdrängen und zu ersetzen, ihren Ursprung verdanken. Sie wurden vornehmlich an drei Festtagen, die nächst der Weihnacht fielen, aufgeführt, am Stephans-, Johannes-Evangelisten- und unschuldigen Kindleinstag, vom 26. bis 28. Dezember, welche Feiertage an und für sich keine Veranlassung zu dramatischen Aufzügen haben. Zu dieser Zeit passen nur die Drei-Königsspiele, nicht die Passions- und Osterspiele, die nach den vorhandenen Stücken häufiger waren und in die Charwoche gehören. Auf diesem Ursprunge der geistlichen Schauspiele beruht es auch, dass bald zum grossen Aergernisse der Besonnenen die weltlichen Zwischenspiele, die Volkskomödie, in das geistliche Drama Eingang fanden, obgleich weder Verfasser noch Zuhörer den Willen hatten, damit den religiösen Inhalt der Stücke zu verspotten. Es ist daher nicht zu verwundern, dass diese Spiele unterdrückt wurden und jetzt ihre Handschriften sehr selten sind. Die antike und heutige dramatische Kunst beruht 1) Vergl. Schmid, das Passions-Spiel im Oberammergau, in der Gartenlaube für 1860, Nr. 24 und 35.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/636
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/636>, abgerufen am 22.11.2024.