Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.auf dem Rücken und einem Besen in der Hand vor die Häuser der Wohlhabenden geführt. Während einige Stücke gespielt werden, holt die Hausfrau Eier, Kuchen und Speck und legt diese Opfergaben in den Tragkorb. Ist der zu einem Schmause nöthige Stoff eingesammelt, so wird unter scheinbarem Weinen und Wehklagen an einem wenig besuchten Orte ein tiefes Loch in die Erde gemacht und in dasselbe eine Anzahl zerschlagener Flaschen, Gläser, etwas Kuchen, eine menschenähnliche Puppe und eine mit Branntwein gefüllte Flasche, die sogenannte Kirmessflasche, begraben. Im Kreise Homberg wird der vermummte Bursche noch mit Erbsenstroh umwickelt, um so die krank gewordene Kirmesse vorzustellen. Er wankt und schwankt, bricht zusammen, und benimmt sich überhaupt so, als würde er im nächsten Augenblicke den Geist aufgeben. Am Begräbnissorte wird das Stroh verbrannt. Während dieses Drama unter fortwährendem Weinen der Kirmessburschen und der Zuschauer aufgeführt wird, spielen die Musikanten ein Trauerstück, worauf die Versammlung ins Dorf zurückkehrt und sich zerstreut." Wir finden hier also eine förmliche Beerdigung (des Gottes) des Lebens und der Freude unter Wehklagen, Weinen und Trauer, wobei die Geschenke, die den Leidtragenden und Beerdigenden gegeben werden, an die Stelle der früher und ursprünglich den heidnischen Priestern verabreichten Todtenopfer getreten sind. Die begrabene Branntweinflasche stellt in freilich nicht ansprechender Weise die unzerstörbare und unsterbliche Lebenskraft des dem Grabe übergebenen Gottes vor, weshalb die Feier der nächsten dreitägigen Kirmess nach dem Morgengottesdienste auch damit ihren Anfang nimmt, dass von den Kirmessburschen die vergrabene Kirmessflasche ausgegraben und geleert und dann ein Umgang durch den ganzen Ort, unter beständigem Zutrinken an Reiche und Arme, Junge und Alte aus vollen Flaschen, vorgenommen wird, zum Symbole, dass der alte Trank, die alte Freude, das verlorene Meisterwort wiedergefunden sei und unerschöpflich, unsterblich fortlebe. So viel ich mich aus meiner Jugendzeit noch erinnere, wird in den mittleren auf dem Rücken und einem Besen in der Hand vor die Häuser der Wohlhabenden geführt. Während einige Stücke gespielt werden, holt die Hausfrau Eier, Kuchen und Speck und legt diese Opfergaben in den Tragkorb. Ist der zu einem Schmause nöthige Stoff eingesammelt, so wird unter scheinbarem Weinen und Wehklagen an einem wenig besuchten Orte ein tiefes Loch in die Erde gemacht und in dasselbe eine Anzahl zerschlagener Flaschen, Gläser, etwas Kuchen, eine menschenähnliche Puppe und eine mit Branntwein gefüllte Flasche, die sogenannte Kirmessflasche, begraben. Im Kreise Homberg wird der vermummte Bursche noch mit Erbsenstroh umwickelt, um so die krank gewordene Kirmesse vorzustellen. Er wankt und schwankt, bricht zusammen, und benimmt sich überhaupt so, als würde er im nächsten Augenblicke den Geist aufgeben. Am Begräbnissorte wird das Stroh verbrannt. Während dieses Drama unter fortwährendem Weinen der Kirmessburschen und der Zuschauer aufgeführt wird, spielen die Musikanten ein Trauerstück, worauf die Versammlung ins Dorf zurückkehrt und sich zerstreut.“ Wir finden hier also eine förmliche Beerdigung (des Gottes) des Lebens und der Freude unter Wehklagen, Weinen und Trauer, wobei die Geschenke, die den Leidtragenden und Beerdigenden gegeben werden, an die Stelle der früher und ursprünglich den heidnischen Priestern verabreichten Todtenopfer getreten sind. Die begrabene Branntweinflasche stellt in freilich nicht ansprechender Weise die unzerstörbare und unsterbliche Lebenskraft des dem Grabe übergebenen Gottes vor, weshalb die Feier der nächsten dreitägigen Kirmess nach dem Morgengottesdienste auch damit ihren Anfang nimmt, dass von den Kirmessburschen die vergrabene Kirmessflasche ausgegraben und geleert und dann ein Umgang durch den ganzen Ort, unter beständigem Zutrinken an Reiche und Arme, Junge und Alte aus vollen Flaschen, vorgenommen wird, zum Symbole, dass der alte Trank, die alte Freude, das verlorene Meisterwort wiedergefunden sei und unerschöpflich, unsterblich fortlebe. So viel ich mich aus meiner Jugendzeit noch erinnere, wird in den mittleren <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0632" n="616"/> <cit rendition="#et"> <quote> auf dem Rücken und einem Besen in der Hand vor die Häuser der Wohlhabenden geführt. Während einige Stücke gespielt werden, holt die Hausfrau Eier, Kuchen und Speck und legt diese Opfergaben in den Tragkorb. Ist der zu einem Schmause nöthige Stoff eingesammelt, so wird unter scheinbarem Weinen und Wehklagen an einem wenig besuchten Orte ein tiefes Loch in die Erde gemacht und in dasselbe eine Anzahl zerschlagener Flaschen, Gläser, etwas Kuchen, eine menschenähnliche Puppe und eine mit Branntwein gefüllte Flasche, die sogenannte Kirmessflasche, begraben. Im Kreise Homberg wird der vermummte Bursche noch mit Erbsenstroh umwickelt, um so die krank gewordene Kirmesse vorzustellen. Er wankt und schwankt, bricht zusammen, und benimmt sich überhaupt so, als würde er im nächsten Augenblicke den Geist aufgeben. Am Begräbnissorte wird das Stroh verbrannt. Während dieses Drama unter fortwährendem Weinen der Kirmessburschen und der Zuschauer aufgeführt wird, spielen die Musikanten ein Trauerstück, worauf die Versammlung ins Dorf zurückkehrt und sich zerstreut.“</quote> </cit> <p> Wir finden hier also eine förmliche Beerdigung (des Gottes) des Lebens und der Freude unter Wehklagen, Weinen und Trauer, wobei die Geschenke, die den Leidtragenden und Beerdigenden gegeben werden, an die Stelle der früher und ursprünglich den heidnischen Priestern verabreichten Todtenopfer getreten sind. Die begrabene Branntweinflasche stellt in freilich nicht ansprechender Weise die unzerstörbare und unsterbliche Lebenskraft des dem Grabe übergebenen Gottes vor, weshalb die Feier der nächsten dreitägigen Kirmess nach dem Morgengottesdienste auch damit ihren Anfang nimmt, dass von den Kirmessburschen die vergrabene Kirmessflasche ausgegraben und geleert und dann ein Umgang durch den ganzen Ort, unter beständigem Zutrinken an Reiche und Arme, Junge und Alte aus vollen Flaschen, vorgenommen wird, zum Symbole, dass der alte Trank, die alte Freude, das verlorene Meisterwort wiedergefunden sei und unerschöpflich, unsterblich fortlebe. So viel ich mich aus meiner Jugendzeit noch erinnere, wird in den mittleren </p> </div> </body> </text> </TEI> [616/0632]
auf dem Rücken und einem Besen in der Hand vor die Häuser der Wohlhabenden geführt. Während einige Stücke gespielt werden, holt die Hausfrau Eier, Kuchen und Speck und legt diese Opfergaben in den Tragkorb. Ist der zu einem Schmause nöthige Stoff eingesammelt, so wird unter scheinbarem Weinen und Wehklagen an einem wenig besuchten Orte ein tiefes Loch in die Erde gemacht und in dasselbe eine Anzahl zerschlagener Flaschen, Gläser, etwas Kuchen, eine menschenähnliche Puppe und eine mit Branntwein gefüllte Flasche, die sogenannte Kirmessflasche, begraben. Im Kreise Homberg wird der vermummte Bursche noch mit Erbsenstroh umwickelt, um so die krank gewordene Kirmesse vorzustellen. Er wankt und schwankt, bricht zusammen, und benimmt sich überhaupt so, als würde er im nächsten Augenblicke den Geist aufgeben. Am Begräbnissorte wird das Stroh verbrannt. Während dieses Drama unter fortwährendem Weinen der Kirmessburschen und der Zuschauer aufgeführt wird, spielen die Musikanten ein Trauerstück, worauf die Versammlung ins Dorf zurückkehrt und sich zerstreut.“ Wir finden hier also eine förmliche Beerdigung (des Gottes) des Lebens und der Freude unter Wehklagen, Weinen und Trauer, wobei die Geschenke, die den Leidtragenden und Beerdigenden gegeben werden, an die Stelle der früher und ursprünglich den heidnischen Priestern verabreichten Todtenopfer getreten sind. Die begrabene Branntweinflasche stellt in freilich nicht ansprechender Weise die unzerstörbare und unsterbliche Lebenskraft des dem Grabe übergebenen Gottes vor, weshalb die Feier der nächsten dreitägigen Kirmess nach dem Morgengottesdienste auch damit ihren Anfang nimmt, dass von den Kirmessburschen die vergrabene Kirmessflasche ausgegraben und geleert und dann ein Umgang durch den ganzen Ort, unter beständigem Zutrinken an Reiche und Arme, Junge und Alte aus vollen Flaschen, vorgenommen wird, zum Symbole, dass der alte Trank, die alte Freude, das verlorene Meisterwort wiedergefunden sei und unerschöpflich, unsterblich fortlebe. So viel ich mich aus meiner Jugendzeit noch erinnere, wird in den mittleren
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Zitationshilfe: | Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 616. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/632>, abgerufen am 16.07.2024. |