Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

berichtet. Nach Walther, a. a. O., S. 150, Anm. b1) sollen sieh bis auf heute einige Ueberbleibsel von diesen alten druidischen Ceremonien in Frankreich und besonders in der Picardie unter dem Volke erhalten haben, indem die Leute zu Neujahr in den Dörfern von Haus zu Haus mit dem Rufe: a guy l'an neuf (der Mistel das Neujahr, Heil der Mistel im neuen Jahr) und gleich darauf plantez, plantez, laufen. In Marseille und in der Dauphine zündete man am Weihnachtsabend, da die Zeit der Sonnenwende der eigentliche Jahresanfang war, den schon berührten Julblock, einen grossen eichenen Klotz (calendeau, caligneau, chalendal) an und begoss ihn mit Wein und Oel. Auch in Wales begrüsst man sich noch zu Neujahr mit dem Rufe: "Au guy l'an neuf!" und hängt Misteln auf den Dächern auf. Ebenso ist noch gegenwärtig in England Gebrauch, unter einem an der Decke aufgehängten Mistelbüschel am Weihnachtsabende zu tanzen, wobei jede Dame unter demselben ihren Tänzer küssen oder sich von ihm doch küssen lassen muss.2) Das Letztere erinnert auch an eine deutsche rheinische Sitte auf den Sylvesterbällen; es wird nämlich eingerichtet, dass die Mitternachtsstunde, welche das Ende des alten und den Anfang des neuen Jahres verkündet, mitten im rauschenden Walzer ertönet oder vielmehr durch die Musik geblasen wird, worauf die Tänzerpaare sich küssend Glück wünschen und der Neujahrswalzer ausgetanzet ist. - Wie die Mistel um die Zeit der Wintersonnenwende von den Druiden geschnitten und zu einem Heilmittel oder Heiltrank zubereitet wurde, geschah dieses in ähnlicher Weise um die Zeit der Sommersonnenwende oder beim Anfange der Hundstage mit dem Eisenkraut (Verbena), welches gedörrt wurde. Die Druiden behaupteten, wer sich damit reibe, erhalte was er wünsche; es vertreibe das Fieber; es mache Freunde aus Feinden und heile alle Arten von Krankheiten.3) Mit andern Pflanzen wurde es gleich gehalten, wie Walther, a. a. O., S. 153 ff., umständlich nach Plinius erzählt, und

1) Vergl. auch Richter, a. a. O., S. 491 a; Eckermann, a. a. O., III. 1. S. 61 ff.
2) Simrok, deutsche Mythologie, S. 93 ff.
3) Walther, a. a. O., S. 150 ff.

berichtet. Nach Walther, a. a. O., S. 150, Anm. b1) sollen sieh bis auf heute einige Ueberbleibsel von diesen alten druidischen Ceremonien in Frankreich und besonders in der Picardie unter dem Volke erhalten haben, indem die Leute zu Neujahr in den Dörfern von Haus zu Haus mit dem Rufe: a guy l’an neuf (der Mistel das Neujahr, Heil der Mistel im neuen Jahr) und gleich darauf plantéz, plantéz, laufen. In Marseille und in der Dauphiné zündete man am Weihnachtsabend, da die Zeit der Sonnenwende der eigentliche Jahresanfang war, den schon berührten Julblock, einen grossen eichenen Klotz (calendeau, caligneau, chalendal) an und begoss ihn mit Wein und Oel. Auch in Wales begrüsst man sich noch zu Neujahr mit dem Rufe: „Au guy l’an neuf!“ und hängt Misteln auf den Dächern auf. Ebenso ist noch gegenwärtig in England Gebrauch, unter einem an der Decke aufgehängten Mistelbüschel am Weihnachtsabende zu tanzen, wobei jede Dame unter demselben ihren Tänzer küssen oder sich von ihm doch küssen lassen muss.2) Das Letztere erinnert auch an eine deutsche rheinische Sitte auf den Sylvesterbällen; es wird nämlich eingerichtet, dass die Mitternachtsstunde, welche das Ende des alten und den Anfang des neuen Jahres verkündet, mitten im rauschenden Walzer ertönet oder vielmehr durch die Musik geblasen wird, worauf die Tänzerpaare sich küssend Glück wünschen und der Neujahrswalzer ausgetanzet ist. – Wie die Mistel um die Zeit der Wintersonnenwende von den Druiden geschnitten und zu einem Heilmittel oder Heiltrank zubereitet wurde, geschah dieses in ähnlicher Weise um die Zeit der Sommersonnenwende oder beim Anfange der Hundstage mit dem Eisenkraut (Verbena), welches gedörrt wurde. Die Druiden behaupteten, wer sich damit reibe, erhalte was er wünsche; es vertreibe das Fieber; es mache Freunde aus Feinden und heile alle Arten von Krankheiten.3) Mit andern Pflanzen wurde es gleich gehalten, wie Walther, a. a. O., S. 153 ff., umständlich nach Plinius erzählt, und

1) Vergl. auch Richter, a. a. O., S. 491 a; Eckermann, a. a. O., III. 1. S. 61 ff.
2) Simrok, deutsche Mythologie, S. 93 ff.
3) Walther, a. a. O., S. 150 ff.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0620" n="604"/>
berichtet. Nach Walther, a.
 a. O., S. 150, Anm. b<note place="foot" n="1)">Vergl. auch Richter, a. a. O., S. 491 a; Eckermann,
 a. a. O., III. 1. S. 61 ff.</note> sollen sieh bis auf heute einige Ueberbleibsel von diesen alten
 druidischen Ceremonien in Frankreich und besonders in der Picardie unter dem Volke erhalten haben,
 indem die Leute zu Neujahr in den Dörfern von Haus zu Haus mit dem Rufe: a guy l&#x2019;an neuf (der Mistel
 das Neujahr, Heil der Mistel im neuen Jahr) und gleich darauf plantéz, plantéz, laufen. In Marseille
 und in der Dauphiné zündete man am Weihnachtsabend, da die Zeit der Sonnenwende der eigentliche
 Jahresanfang war, den schon berührten Julblock, einen grossen eichenen Klotz (calendeau, caligneau,
 chalendal) an und begoss ihn mit Wein und Oel. Auch in Wales begrüsst man sich noch zu Neujahr mit
 dem Rufe: &#x201E;Au guy l&#x2019;an neuf!&#x201C; und hängt Misteln auf den Dächern auf. Ebenso ist noch gegenwärtig in
 England Gebrauch, unter einem an der Decke aufgehängten Mistelbüschel am Weihnachtsabende zu tanzen,
 wobei jede Dame unter demselben ihren Tänzer küssen oder sich von ihm doch küssen lassen muss.<note place="foot" n="2)">Simrok, deutsche Mythologie, S. 93 ff.</note> Das Letztere erinnert auch an eine
 deutsche rheinische Sitte auf den Sylvesterbällen; es wird nämlich eingerichtet, dass die
 Mitternachtsstunde, welche das Ende des alten und den Anfang des neuen Jahres verkündet, mitten im
 rauschenden Walzer ertönet oder vielmehr durch die Musik geblasen wird, worauf die Tänzerpaare sich
 küssend Glück wünschen und der Neujahrswalzer ausgetanzet ist. &#x2013; Wie die Mistel um die Zeit der
 Wintersonnenwende von den Druiden geschnitten und zu einem Heilmittel oder Heiltrank zubereitet
 wurde, geschah dieses in ähnlicher Weise um die Zeit der Sommersonnenwende oder beim Anfange der
 Hundstage mit dem Eisenkraut (Verbena), welches gedörrt wurde. Die Druiden behaupteten, wer sich
 damit reibe, erhalte was er wünsche; es vertreibe das Fieber; es mache Freunde aus Feinden und heile
 alle Arten von Krankheiten.<note place="foot" n="3)">Walther, a. a. O., S. 150 ff. </note> Mit
 andern Pflanzen wurde es gleich gehalten, wie Walther, a. a. O., S. 153 ff., umständlich nach
 Plinius erzählt, und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[604/0620] berichtet. Nach Walther, a. a. O., S. 150, Anm. b 1) sollen sieh bis auf heute einige Ueberbleibsel von diesen alten druidischen Ceremonien in Frankreich und besonders in der Picardie unter dem Volke erhalten haben, indem die Leute zu Neujahr in den Dörfern von Haus zu Haus mit dem Rufe: a guy l’an neuf (der Mistel das Neujahr, Heil der Mistel im neuen Jahr) und gleich darauf plantéz, plantéz, laufen. In Marseille und in der Dauphiné zündete man am Weihnachtsabend, da die Zeit der Sonnenwende der eigentliche Jahresanfang war, den schon berührten Julblock, einen grossen eichenen Klotz (calendeau, caligneau, chalendal) an und begoss ihn mit Wein und Oel. Auch in Wales begrüsst man sich noch zu Neujahr mit dem Rufe: „Au guy l’an neuf!“ und hängt Misteln auf den Dächern auf. Ebenso ist noch gegenwärtig in England Gebrauch, unter einem an der Decke aufgehängten Mistelbüschel am Weihnachtsabende zu tanzen, wobei jede Dame unter demselben ihren Tänzer küssen oder sich von ihm doch küssen lassen muss. 2) Das Letztere erinnert auch an eine deutsche rheinische Sitte auf den Sylvesterbällen; es wird nämlich eingerichtet, dass die Mitternachtsstunde, welche das Ende des alten und den Anfang des neuen Jahres verkündet, mitten im rauschenden Walzer ertönet oder vielmehr durch die Musik geblasen wird, worauf die Tänzerpaare sich küssend Glück wünschen und der Neujahrswalzer ausgetanzet ist. – Wie die Mistel um die Zeit der Wintersonnenwende von den Druiden geschnitten und zu einem Heilmittel oder Heiltrank zubereitet wurde, geschah dieses in ähnlicher Weise um die Zeit der Sommersonnenwende oder beim Anfange der Hundstage mit dem Eisenkraut (Verbena), welches gedörrt wurde. Die Druiden behaupteten, wer sich damit reibe, erhalte was er wünsche; es vertreibe das Fieber; es mache Freunde aus Feinden und heile alle Arten von Krankheiten. 3) Mit andern Pflanzen wurde es gleich gehalten, wie Walther, a. a. O., S. 153 ff., umständlich nach Plinius erzählt, und 1) Vergl. auch Richter, a. a. O., S. 491 a; Eckermann, a. a. O., III. 1. S. 61 ff. 2) Simrok, deutsche Mythologie, S. 93 ff. 3) Walther, a. a. O., S. 150 ff.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/620
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 604. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/620>, abgerufen am 18.05.2024.