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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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zeit, Frankfurt a. M. 1859, S. 16 u. 17, aus den römischen strenae , woher die französischen etrennes, entsprungen. Diese strenae hingen mit dem Culte der sabinischen Segensgöttin Strenia, einer Art von Salus, zusammen und waren Geschenke von Heil und Glück verheissenden Laubzweigen, namentlich des Lorbeers und der Palme, und von allerlei süssen Dingen, z. B. Feigen, Datteln und Honigkuchen, welche die Römer am ersten Januar oder am Neujahrstage sich glückwünschend gegenseitig zusandten (Preller, röm. Myth. S. 160). Da nun Saturn, dem zur Neujahrszeit die Römer ihre Saturnalien feierten, die eigenen Kinder nach der Mythe verzehrt, d. h. die Zeit (Kronos, Saturn), jedes kommende neue Jahr das abgelaufene alte Jahr verschlingt, glaubt Marbach, a. a. O., S. 17, dass bei den Römern die strenae, insoweit dieselben aus gebackenen Kuchen in Form eines Kindes bestanden, ein Symbol der ihre Kinder verschlingenden Zeit gewesen seien, wie dieselbe Bedeutung auch unsere "Bubenschenkel" haben. Menzel in Nr. 104 des Literaturblattes für 1858 unter Verweisung auf eine umfassende, von Marbach übersehene Abhandlung über die Symbolik der Solstitien, insbesondere im altdeutscheu Glauben und Aberglauben, in Pfeiffer's Germania von 1857, II. S. 228 ff., bemerkt gegen Marbach, dass es keineswegs noch erwiesen sei, dass die heutigen "Bubenschenkel" der berührten römischen Sitte ihren Ursprung verdanken; die Gebäcke in Kinderform beziehen sich wohl eher auf das Christkind oder auf das neugeborne Jahr, oder auf die im neuen Jahre zu erwartenden Kinder; zur Weihnachtszeit ziehe Frau Perchtha umher mit unzählbaren Kindern, das seien die Seelen der im nächsten Jahre zu gebärenden Kinder; ein Weihnachtsgebäck, welches man in Schwaben den Kindern reiche, nenne man ausdrücklich die Seelen vielleicht zur Erinnerung an den alten Heidenglauben. - Jedenfalls dürfte Menzel der Wahrheit weit näher stehen als Marbach. Wir halten die "Bubenschenkel" , die gebackenen Knaben gleich den Osterhasen und in vollkommenster Uebereinstimmung mit denselben ursprünglich für Symbole des jungen Sonnengottes, der neuen Sonne, des neuen Jahres, welche erst in der spätern christlichen Zeit auf das Christkindlein oder Christus um-

zeit, Frankfurt a. M. 1859, S. 16 u. 17, aus den römischen strenae , woher die französischen êtrennes, entsprungen. Diese strenae hingen mit dem Culte der sabinischen Segensgöttin Strenia, einer Art von Salus, zusammen und waren Geschenke von Heil und Glück verheissenden Laubzweigen, namentlich des Lorbeers und der Palme, und von allerlei süssen Dingen, z. B. Feigen, Datteln und Honigkuchen, welche die Römer am ersten Januar oder am Neujahrstage sich glückwünschend gegenseitig zusandten (Preller, röm. Myth. S. 160). Da nun Saturn, dem zur Neujahrszeit die Römer ihre Saturnalien feierten, die eigenen Kinder nach der Mythe verzehrt, d. h. die Zeit (Kronos, Saturn), jedes kommende neue Jahr das abgelaufene alte Jahr verschlingt, glaubt Marbach, a. a. O., S. 17, dass bei den Römern die strenae, insoweit dieselben aus gebackenen Kuchen in Form eines Kindes bestanden, ein Symbol der ihre Kinder verschlingenden Zeit gewesen seien, wie dieselbe Bedeutung auch unsere „Bubenschenkel“ haben. Menzel in Nr. 104 des Literaturblattes für 1858 unter Verweisung auf eine umfassende, von Marbach übersehene Abhandlung über die Symbolik der Solstitien, insbesondere im altdeutscheu Glauben und Aberglauben, in Pfeiffer’s Germania von 1857, II. S. 228 ff., bemerkt gegen Marbach, dass es keineswegs noch erwiesen sei, dass die heutigen „Bubenschenkel“ der berührten römischen Sitte ihren Ursprung verdanken; die Gebäcke in Kinderform beziehen sich wohl eher auf das Christkind oder auf das neugeborne Jahr, oder auf die im neuen Jahre zu erwartenden Kinder; zur Weihnachtszeit ziehe Frau Perchtha umher mit unzählbaren Kindern, das seien die Seelen der im nächsten Jahre zu gebärenden Kinder; ein Weihnachtsgebäck, welches man in Schwaben den Kindern reiche, nenne man ausdrücklich die Seelen vielleicht zur Erinnerung an den alten Heidenglauben. – Jedenfalls dürfte Menzel der Wahrheit weit näher stehen als Marbach. Wir halten die „Bubenschenkel“ , die gebackenen Knaben gleich den Osterhasen und in vollkommenster Uebereinstimmung mit denselben ursprünglich für Symbole des jungen Sonnengottes, der neuen Sonne, des neuen Jahres, welche erst in der spätern christlichen Zeit auf das Christkindlein oder Christus um-

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 Segensgöttin Strenia, einer Art von Salus, zusammen und waren Geschenke von Heil und Glück
 verheissenden Laubzweigen, namentlich des Lorbeers und der Palme, und von allerlei süssen Dingen, z.
 B. Feigen, Datteln und Honigkuchen, welche die Römer am ersten Januar oder am Neujahrstage sich
 glückwünschend gegenseitig zusandten (Preller, röm. Myth. S. 160). Da nun Saturn, dem zur
 Neujahrszeit die Römer ihre Saturnalien feierten, die eigenen Kinder nach der Mythe verzehrt, d. h.
 die Zeit (Kronos, Saturn), jedes kommende neue Jahr das abgelaufene alte Jahr verschlingt, glaubt
 Marbach, a. a. O., S. 17, dass bei den Römern die strenae, insoweit dieselben aus gebackenen Kuchen
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 halten die &#x201E;Bubenschenkel&#x201C; , die gebackenen Knaben gleich den Osterhasen und in vollkommenster
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[402/0418] zeit, Frankfurt a. M. 1859, S. 16 u. 17, aus den römischen strenae , woher die französischen êtrennes, entsprungen. Diese strenae hingen mit dem Culte der sabinischen Segensgöttin Strenia, einer Art von Salus, zusammen und waren Geschenke von Heil und Glück verheissenden Laubzweigen, namentlich des Lorbeers und der Palme, und von allerlei süssen Dingen, z. B. Feigen, Datteln und Honigkuchen, welche die Römer am ersten Januar oder am Neujahrstage sich glückwünschend gegenseitig zusandten (Preller, röm. Myth. S. 160). Da nun Saturn, dem zur Neujahrszeit die Römer ihre Saturnalien feierten, die eigenen Kinder nach der Mythe verzehrt, d. h. die Zeit (Kronos, Saturn), jedes kommende neue Jahr das abgelaufene alte Jahr verschlingt, glaubt Marbach, a. a. O., S. 17, dass bei den Römern die strenae, insoweit dieselben aus gebackenen Kuchen in Form eines Kindes bestanden, ein Symbol der ihre Kinder verschlingenden Zeit gewesen seien, wie dieselbe Bedeutung auch unsere „Bubenschenkel“ haben. Menzel in Nr. 104 des Literaturblattes für 1858 unter Verweisung auf eine umfassende, von Marbach übersehene Abhandlung über die Symbolik der Solstitien, insbesondere im altdeutscheu Glauben und Aberglauben, in Pfeiffer’s Germania von 1857, II. S. 228 ff., bemerkt gegen Marbach, dass es keineswegs noch erwiesen sei, dass die heutigen „Bubenschenkel“ der berührten römischen Sitte ihren Ursprung verdanken; die Gebäcke in Kinderform beziehen sich wohl eher auf das Christkind oder auf das neugeborne Jahr, oder auf die im neuen Jahre zu erwartenden Kinder; zur Weihnachtszeit ziehe Frau Perchtha umher mit unzählbaren Kindern, das seien die Seelen der im nächsten Jahre zu gebärenden Kinder; ein Weihnachtsgebäck, welches man in Schwaben den Kindern reiche, nenne man ausdrücklich die Seelen vielleicht zur Erinnerung an den alten Heidenglauben. – Jedenfalls dürfte Menzel der Wahrheit weit näher stehen als Marbach. Wir halten die „Bubenschenkel“ , die gebackenen Knaben gleich den Osterhasen und in vollkommenster Uebereinstimmung mit denselben ursprünglich für Symbole des jungen Sonnengottes, der neuen Sonne, des neuen Jahres, welche erst in der spätern christlichen Zeit auf das Christkindlein oder Christus um-

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/418>, abgerufen am 22.11.2024.