Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

kommen, und verlässt die Schafe und fliehet. Und der Wolf ergreift und zerstreut die Schafe. Der Miethling aber fliehet darum, dass er ein Miethling ist und sich um die Schafe nicht bekümmert. Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinigen, und werde von den Meinigen gekannt. Wie der Vater mich kennt, kenne auch ich den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe." - Hieraus ist nun in der ältesten christlichen Kirche das schöne Symbol von Christus als dem guten Hirten hervorgegangen, welcher liebend das verirrte und verlorene Schaf aufsucht und auf seinen Schultern zu der erfreuten Heerde zurückträgt. Auf römischen Grablampen aus dem Ende des 3. oder aus dem Anfange des 4. Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung erscheint so Christus mit einem Schafe auf den Schultern und mit einer Krone von sieben Sternen über dem Haupte und mit sieben Schafen zu seinen Füssen, zugleich umgeben von dem nach drei Tagen aus dem Leibe des Haifisches und dem Grabe des Todes wieder auferstandenen Jonas. 1)

Ist der göttliche Hirte mit den sich daran anschliessenden Gestalten der uranfängliche Gottesbegriff, der wandernde Hirte der Ausgang und Anfang in dem Gottesbewusstsein der Menschheit, erscheint als Gegensatz, als Ziel und Ende der allmächtige Baumeister der Welt, die Gottheit und Gottheiten der fest niedergelassenen Häuser und Städtebauer, der städtischen Gewerbe, der Maurer und, der Schmiede. Der göttliche Hirte ist der Gott der friedlichen Bewegung des Weidens und Gehens; der allmächtige Baumeister dagegen der Gott der friedlichen Ruhe, des Bauens und Stehens. Jener sucht und findet in entlegenen Gegenden den Verirrten und Verlorenen, dieser richtet die gebrochene Säule wieder auf und adhuc stat. Das Hirtenleben ist das Erdenleben, das Leben der Wanderung, und erst im Hause und Tempel Gottes, im Himmel hört das Wandern auf, ist die ewige Ruhe und Niederlassung erreicht. Auf Gott vertrauend und an ihn glaubend, zog der Hirte aus; das Vertrauen und der Glaube

1) Lajard, recherches sur le culte cypres pyramidal, S. 348 ff. und Taf. XX, Fig. 1, Taf. XXI, Fig. 3; Creuzer, Symbolik, IV. S. 420 ff. und Taf. VII, Fig. 2.

kommen, und verlässt die Schafe und fliehet. Und der Wolf ergreift und zerstreut die Schafe. Der Miethling aber fliehet darum, dass er ein Miethling ist und sich um die Schafe nicht bekümmert. Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinigen, und werde von den Meinigen gekannt. Wie der Vater mich kennt, kenne auch ich den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe.“ – Hieraus ist nun in der ältesten christlichen Kirche das schöne Symbol von Christus als dem guten Hirten hervorgegangen, welcher liebend das verirrte und verlorene Schaf aufsucht und auf seinen Schultern zu der erfreuten Heerde zurückträgt. Auf römischen Grablampen aus dem Ende des 3. oder aus dem Anfange des 4. Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung erscheint so Christus mit einem Schafe auf den Schultern und mit einer Krone von sieben Sternen über dem Haupte und mit sieben Schafen zu seinen Füssen, zugleich umgeben von dem nach drei Tagen aus dem Leibe des Haifisches und dem Grabe des Todes wieder auferstandenen Jonas. 1)

Ist der göttliche Hirte mit den sich daran anschliessenden Gestalten der uranfängliche Gottesbegriff, der wandernde Hirte der Ausgang und Anfang in dem Gottesbewusstsein der Menschheit, erscheint als Gegensatz, als Ziel und Ende der allmächtige Baumeister der Welt, die Gottheit und Gottheiten der fest niedergelassenen Häuser und Städtebauer, der städtischen Gewerbe, der Maurer und, der Schmiede. Der göttliche Hirte ist der Gott der friedlichen Bewegung des Weidens und Gehens; der allmächtige Baumeister dagegen der Gott der friedlichen Ruhe, des Bauens und Stehens. Jener sucht und findet in entlegenen Gegenden den Verirrten und Verlorenen, dieser richtet die gebrochene Säule wieder auf und adhuc stat. Das Hirtenleben ist das Erdenleben, das Leben der Wanderung, und erst im Hause und Tempel Gottes, im Himmel hört das Wandern auf, ist die ewige Ruhe und Niederlassung erreicht. Auf Gott vertrauend und an ihn glaubend, zog der Hirte aus; das Vertrauen und der Glaube

1) Lajard, recherches sur le culte cyprès pyramidal, S. 348 ff. und Taf. XX, Fig. 1, Taf. XXI, Fig. 3; Creuzer, Symbolik, IV. S. 420 ff. und Taf. VII, Fig. 2.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0041" n="25"/>
kommen, und verlässt
 die Schafe und fliehet. Und der Wolf ergreift und zerstreut die Schafe. Der Miethling aber fliehet
 darum, dass er ein Miethling ist und sich um die Schafe nicht bekümmert. Ich bin der gute Hirte und
 kenne die Meinigen, und werde von den Meinigen gekannt. Wie der Vater mich kennt, kenne auch ich den
 Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe.&#x201C; &#x2013; Hieraus ist nun in der ältesten christlichen
 Kirche das schöne Symbol von Christus als dem guten Hirten hervorgegangen, welcher liebend das
 verirrte und verlorene Schaf aufsucht und auf seinen Schultern zu der erfreuten Heerde zurückträgt.
 Auf römischen Grablampen aus dem Ende des 3. oder aus dem Anfange des 4. Jahrhunderts der
 christlichen Zeitrechnung erscheint so Christus mit einem Schafe auf den Schultern und mit einer
 Krone von sieben Sternen über dem Haupte und mit sieben Schafen zu seinen Füssen, zugleich umgeben
 von dem nach drei Tagen aus dem Leibe des Haifisches und dem Grabe des Todes wieder auferstandenen
 Jonas. <note place="foot" n="1)">Lajard, recherches sur le culte cyprès pyramidal, S. 348 ff. und
 Taf. XX, Fig. 1, Taf. XXI, Fig. 3; Creuzer, Symbolik, IV. S. 420 ff. und Taf. VII, Fig. 2. </note>
 </p>
        <p> Ist der göttliche Hirte mit den sich daran anschliessenden Gestalten der uranfängliche
 Gottesbegriff, der wandernde Hirte der Ausgang und Anfang in dem Gottesbewusstsein der Menschheit,
 erscheint als Gegensatz, als Ziel und Ende der allmächtige Baumeister der Welt, die Gottheit und
 Gottheiten der fest niedergelassenen Häuser und Städtebauer, der städtischen Gewerbe, der Maurer
 und, der Schmiede. Der göttliche Hirte ist der Gott der friedlichen Bewegung des Weidens und Gehens;
 der allmächtige Baumeister dagegen der Gott der friedlichen Ruhe, des Bauens und Stehens. Jener
 sucht und findet in entlegenen Gegenden den Verirrten und Verlorenen, dieser richtet die gebrochene
 Säule wieder auf und adhuc stat. Das Hirtenleben ist das Erdenleben, das Leben der Wanderung, und
 erst im Hause und Tempel Gottes, im Himmel hört das Wandern auf, ist die ewige Ruhe und
 Niederlassung erreicht. Auf Gott vertrauend und an ihn glaubend, zog der Hirte aus; das Vertrauen
 und der Glaube
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0041] kommen, und verlässt die Schafe und fliehet. Und der Wolf ergreift und zerstreut die Schafe. Der Miethling aber fliehet darum, dass er ein Miethling ist und sich um die Schafe nicht bekümmert. Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinigen, und werde von den Meinigen gekannt. Wie der Vater mich kennt, kenne auch ich den Vater. Und ich lasse mein Leben für die Schafe.“ – Hieraus ist nun in der ältesten christlichen Kirche das schöne Symbol von Christus als dem guten Hirten hervorgegangen, welcher liebend das verirrte und verlorene Schaf aufsucht und auf seinen Schultern zu der erfreuten Heerde zurückträgt. Auf römischen Grablampen aus dem Ende des 3. oder aus dem Anfange des 4. Jahrhunderts der christlichen Zeitrechnung erscheint so Christus mit einem Schafe auf den Schultern und mit einer Krone von sieben Sternen über dem Haupte und mit sieben Schafen zu seinen Füssen, zugleich umgeben von dem nach drei Tagen aus dem Leibe des Haifisches und dem Grabe des Todes wieder auferstandenen Jonas. 1) Ist der göttliche Hirte mit den sich daran anschliessenden Gestalten der uranfängliche Gottesbegriff, der wandernde Hirte der Ausgang und Anfang in dem Gottesbewusstsein der Menschheit, erscheint als Gegensatz, als Ziel und Ende der allmächtige Baumeister der Welt, die Gottheit und Gottheiten der fest niedergelassenen Häuser und Städtebauer, der städtischen Gewerbe, der Maurer und, der Schmiede. Der göttliche Hirte ist der Gott der friedlichen Bewegung des Weidens und Gehens; der allmächtige Baumeister dagegen der Gott der friedlichen Ruhe, des Bauens und Stehens. Jener sucht und findet in entlegenen Gegenden den Verirrten und Verlorenen, dieser richtet die gebrochene Säule wieder auf und adhuc stat. Das Hirtenleben ist das Erdenleben, das Leben der Wanderung, und erst im Hause und Tempel Gottes, im Himmel hört das Wandern auf, ist die ewige Ruhe und Niederlassung erreicht. Auf Gott vertrauend und an ihn glaubend, zog der Hirte aus; das Vertrauen und der Glaube 1) Lajard, recherches sur le culte cyprès pyramidal, S. 348 ff. und Taf. XX, Fig. 1, Taf. XXI, Fig. 3; Creuzer, Symbolik, IV. S. 420 ff. und Taf. VII, Fig. 2.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/41
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/41>, abgerufen am 24.11.2024.