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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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lehrenden Baktrer und Inder, Phönicier und Aegypter; die Gegenwart wohnt in dem Lichte der Vergangenheit, um das Licht der Zukunft zu werden.

In dem letzten und höchsten Sinne ist die Fessel, welche die himmlische und göttliche Seele trägt, ihr irdischer Körper und ihr irdisches Leben, indem die Erde zur Sinnlichkeit herabzieht und den Himmels- und Lichtesflug des Geistes, seine Rückkehr zu Gott hemmt; die Fessel des Irdischen, Sinnlichen und Sterblichen muss daher gelöset und zerbrochen werden, damit der göttliche, reine und unsterbliche Geist wieder frei werden und nach seiner himmlischen Heimath zurückziehen könne. Die Geburt des Menschen ist daher eine Fesselung der Seele durch das Irdische und in demselben, und sein Tod ist die Wiederentfesselung, die Erlösung und Befreiung daraus. Hephästos, das bildende materielle Feuer und die belebende Wärme der Erdgeschöpfe und Erdgestalten, besonders auch der Pandora,1) der Mutter des irdischen und sinnlichen Menschengeschlechtes, ist den Griechen der wahre Schmied der Fesseln für Götter und Menschen, und die Fessel der von ihm geschmiedeten Fesseln ist die Sinnlichkeit, das Irdische, das Leibliche, der Mensch, das Weib schlechthin. In dieser unsichtbaren Fessel hält Hephästos seine Mutter Hera, die Erdgöttin, und die ihm ungetreue, mit Ares buhlende Gattin Aphrodite d. i. das blühende Erd- und Naturleben gefangen.2) Es kann nicht überraschen, wenn Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 152, auch in den Fesseln der Aphrodite, wie in dem Faden der Ariadne, den Fesseln des Wolfes Fenrir , in dem Haare der Sif u. s. w., überall nur den Blitz, den Blitzesfaden und die Blitzesfessel und die goldenen Blitzesstrahlen erblickt. Hera, Aphrodite und Ares sind im Grunde ihre eigene Fessel, sind der fesselschmiedende Hephästos selbst, insofern sie im irdischen Leben befangen sind. Die Fessel

1) Der Pandora verwandt ist die indische Tilottama, worüber Furtwängler, a. a. O., S. 353 ff., berichtet. Vergl. über die Pandora auch Buttmann im Mythologus, I. S. 48 ff.
2) Vergl. Furtwängler, Idee des Todes, S. 346 ff., vergl. mit S. 394 ff. und S. 432 ff., beziehungsweise Taf. I. Fig. 8.

lehrenden Baktrer und Inder, Phönicier und Aegypter; die Gegenwart wohnt in dem Lichte der Vergangenheit, um das Licht der Zukunft zu werden.

In dem letzten und höchsten Sinne ist die Fessel, welche die himmlische und göttliche Seele trägt, ihr irdischer Körper und ihr irdisches Leben, indem die Erde zur Sinnlichkeit herabzieht und den Himmels- und Lichtesflug des Geistes, seine Rückkehr zu Gott hemmt; die Fessel des Irdischen, Sinnlichen und Sterblichen muss daher gelöset und zerbrochen werden, damit der göttliche, reine und unsterbliche Geist wieder frei werden und nach seiner himmlischen Heimath zurückziehen könne. Die Geburt des Menschen ist daher eine Fesselung der Seele durch das Irdische und in demselben, und sein Tod ist die Wiederentfesselung, die Erlösung und Befreiung daraus. Hephästos, das bildende materielle Feuer und die belebende Wärme der Erdgeschöpfe und Erdgestalten, besonders auch der Pandora,1) der Mutter des irdischen und sinnlichen Menschengeschlechtes, ist den Griechen der wahre Schmied der Fesseln für Götter und Menschen, und die Fessel der von ihm geschmiedeten Fesseln ist die Sinnlichkeit, das Irdische, das Leibliche, der Mensch, das Weib schlechthin. In dieser unsichtbaren Fessel hält Hephästos seine Mutter Hera, die Erdgöttin, und die ihm ungetreue, mit Ares buhlende Gattin Aphrodite d. i. das blühende Erd- und Naturleben gefangen.2) Es kann nicht überraschen, wenn Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 152, auch in den Fesseln der Aphrodite, wie in dem Faden der Ariadne, den Fesseln des Wolfes Fenrir , in dem Haare der Sif u. s. w., überall nur den Blitz, den Blitzesfaden und die Blitzesfessel und die goldenen Blitzesstrahlen erblickt. Hera, Aphrodite und Ares sind im Grunde ihre eigene Fessel, sind der fesselschmiedende Hephästos selbst, insofern sie im irdischen Leben befangen sind. Die Fessel

1) Der Pandora verwandt ist die indische Tilottama, worüber Furtwängler, a. a. O., S. 353 ff., berichtet. Vergl. über die Pandora auch Buttmann im Mythologus, I. S. 48 ff.
2) Vergl. Furtwängler, Idee des Todes, S. 346 ff., vergl. mit S. 394 ff. und S. 432 ff., beziehungsweise Taf. I. Fig. 8.
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 Sinnlichen und Sterblichen muss daher gelöset und zerbrochen werden, damit der göttliche, reine und
 unsterbliche Geist wieder frei werden und nach seiner himmlischen Heimath zurückziehen könne. Die
 Geburt des Menschen ist daher eine Fesselung der Seele durch das Irdische und in demselben, und sein
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 Fesseln ist die Sinnlichkeit, das Irdische, das Leibliche, der Mensch, das Weib schlechthin. In
 dieser unsichtbaren Fessel hält Hephästos seine Mutter Hera, die Erdgöttin, und die ihm ungetreue,
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[342/0358] lehrenden Baktrer und Inder, Phönicier und Aegypter; die Gegenwart wohnt in dem Lichte der Vergangenheit, um das Licht der Zukunft zu werden. In dem letzten und höchsten Sinne ist die Fessel, welche die himmlische und göttliche Seele trägt, ihr irdischer Körper und ihr irdisches Leben, indem die Erde zur Sinnlichkeit herabzieht und den Himmels- und Lichtesflug des Geistes, seine Rückkehr zu Gott hemmt; die Fessel des Irdischen, Sinnlichen und Sterblichen muss daher gelöset und zerbrochen werden, damit der göttliche, reine und unsterbliche Geist wieder frei werden und nach seiner himmlischen Heimath zurückziehen könne. Die Geburt des Menschen ist daher eine Fesselung der Seele durch das Irdische und in demselben, und sein Tod ist die Wiederentfesselung, die Erlösung und Befreiung daraus. Hephästos, das bildende materielle Feuer und die belebende Wärme der Erdgeschöpfe und Erdgestalten, besonders auch der Pandora, 1) der Mutter des irdischen und sinnlichen Menschengeschlechtes, ist den Griechen der wahre Schmied der Fesseln für Götter und Menschen, und die Fessel der von ihm geschmiedeten Fesseln ist die Sinnlichkeit, das Irdische, das Leibliche, der Mensch, das Weib schlechthin. In dieser unsichtbaren Fessel hält Hephästos seine Mutter Hera, die Erdgöttin, und die ihm ungetreue, mit Ares buhlende Gattin Aphrodite d. i. das blühende Erd- und Naturleben gefangen. 2) Es kann nicht überraschen, wenn Schwartz, Ursprung der Mythologie, S. 152, auch in den Fesseln der Aphrodite, wie in dem Faden der Ariadne, den Fesseln des Wolfes Fenrir , in dem Haare der Sif u. s. w., überall nur den Blitz, den Blitzesfaden und die Blitzesfessel und die goldenen Blitzesstrahlen erblickt. Hera, Aphrodite und Ares sind im Grunde ihre eigene Fessel, sind der fesselschmiedende Hephästos selbst, insofern sie im irdischen Leben befangen sind. Die Fessel 1) Der Pandora verwandt ist die indische Tilottama, worüber Furtwängler, a. a. O., S. 353 ff., berichtet. Vergl. über die Pandora auch Buttmann im Mythologus, I. S. 48 ff. 2) Vergl. Furtwängler, Idee des Todes, S. 346 ff., vergl. mit S. 394 ff. und S. 432 ff., beziehungsweise Taf. I. Fig. 8.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/358>, abgerufen am 03.07.2024.