Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

Bild:
<< vorherige Seite

Mensch gewordene Gott und aus diesem Grunde das Ursymbol des Geistes und der Allmacht Gottes. Das Wort ist der Prometheus, welcher das göttliche Licht, den allbelebenden Himmelsfunken zu den Menschen auf die Erde herabbringt. Die Religion ist die Sprache Gottes zu den Menschen, die Erkenntniss Gottes und seines Geistes in der menschlichen Sprache. Die Ursprache der Menschheit ist die Urreligion derselben und zugleich die Uroffenbarung Gottes. Durch die Sprache steigt Gott aus dem Himmel zu dem ihn erkennenden Menschen herab, und der Mensch wieder betend hinauf zu dem von ihm erkannten Gott; die Sprache ist das Band zwischen der Gottheit und der Menschheit, zwischen dem Himmel und der Erde. Sind die Menschheit und die menschlichen Völker nur das auseinandergegangene, das aus seinem Ursitze über den ganzen Erdkreis ausgebreitete Urvolk und ist die Menschengeschichte nur die Geschichte dieses Auseinandergehens und dieser Ausbreitung, so können ebenso die Sprachen nur sein das auseinandergegangene und über alle Länder getragene Urwort, der äusserlich gewordene Geist Gottes und der Menschheit. Es wurden Völker, es wurden Staaten, es wurden Sprachen, bezeichnet gleichmässig das Werden und Fortschreiten der Menschheit; doch die Sprachen umschliessen das geistigste menschliche Leben, den Geist und die Bildung der Menschheit im höchsten Sinne, - sie bilden die Völker und überdauern dieselben in der unsterblichen Schrift. Die Höhe und der Umfang der geistigen Bildung eines jeden Volkes, der Reichthum seiner Gefühle und Begriffe, - sein ganzes Fühlen, Denken und Wissen ist nach der Bildung und dem Reichthume der Sprache desselben zu bemessen; die Sprache ist der treueste Ausdruck des innern Lebens der Völker; mit der Sprache entstehet, blühet und vergehet ein jedes Volk. Die Einheit des Denkens und Begreifens aller Völker der Erde, die Gleichheit des Menschengeistes und seiner Natur und Gesetze bei allen Menschen ohne Ausnahme, hat zur nothwendigen Folge, dass auch ihre Sprachen geistig gleich, blos der verschiedene Ausdruck des Einen Geistes seien. Wie die Logik die allgemeinen Gesetze des menschlichen Denkens gefunden hat, sollte auch die Sprachwissenschaft

Mensch gewordene Gott und aus diesem Grunde das Ursymbol des Geistes und der Allmacht Gottes. Das Wort ist der Prometheus, welcher das göttliche Licht, den allbelebenden Himmelsfunken zu den Menschen auf die Erde herabbringt. Die Religion ist die Sprache Gottes zu den Menschen, die Erkenntniss Gottes und seines Geistes in der menschlichen Sprache. Die Ursprache der Menschheit ist die Urreligion derselben und zugleich die Uroffenbarung Gottes. Durch die Sprache steigt Gott aus dem Himmel zu dem ihn erkennenden Menschen herab, und der Mensch wieder betend hinauf zu dem von ihm erkannten Gott; die Sprache ist das Band zwischen der Gottheit und der Menschheit, zwischen dem Himmel und der Erde. Sind die Menschheit und die menschlichen Völker nur das auseinandergegangene, das aus seinem Ursitze über den ganzen Erdkreis ausgebreitete Urvolk und ist die Menschengeschichte nur die Geschichte dieses Auseinandergehens und dieser Ausbreitung, so können ebenso die Sprachen nur sein das auseinandergegangene und über alle Länder getragene Urwort, der äusserlich gewordene Geist Gottes und der Menschheit. Es wurden Völker, es wurden Staaten, es wurden Sprachen, bezeichnet gleichmässig das Werden und Fortschreiten der Menschheit; doch die Sprachen umschliessen das geistigste menschliche Leben, den Geist und die Bildung der Menschheit im höchsten Sinne, – sie bilden die Völker und überdauern dieselben in der unsterblichen Schrift. Die Höhe und der Umfang der geistigen Bildung eines jeden Volkes, der Reichthum seiner Gefühle und Begriffe, – sein ganzes Fühlen, Denken und Wissen ist nach der Bildung und dem Reichthume der Sprache desselben zu bemessen; die Sprache ist der treueste Ausdruck des innern Lebens der Völker; mit der Sprache entstehet, blühet und vergehet ein jedes Volk. Die Einheit des Denkens und Begreifens aller Völker der Erde, die Gleichheit des Menschengeistes und seiner Natur und Gesetze bei allen Menschen ohne Ausnahme, hat zur nothwendigen Folge, dass auch ihre Sprachen geistig gleich, blos der verschiedene Ausdruck des Einen Geistes seien. Wie die Logik die allgemeinen Gesetze des menschlichen Denkens gefunden hat, sollte auch die Sprachwissenschaft

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0340" n="324"/>
Mensch gewordene Gott und aus diesem Grunde das Ursymbol des Geistes und der Allmacht
 Gottes. Das Wort ist der Prometheus, welcher das göttliche Licht, den allbelebenden Himmelsfunken zu
 den Menschen auf die Erde herabbringt. Die Religion ist die Sprache Gottes zu den Menschen, die
 Erkenntniss Gottes und seines Geistes in der menschlichen Sprache. Die Ursprache der Menschheit ist
 die Urreligion derselben und zugleich die Uroffenbarung Gottes. Durch die Sprache steigt Gott aus
 dem Himmel zu dem ihn erkennenden Menschen herab, und der Mensch wieder betend hinauf zu dem von ihm
 erkannten Gott; die Sprache ist das Band zwischen der Gottheit und der Menschheit, zwischen dem
 Himmel und der Erde. Sind die Menschheit und die menschlichen Völker nur das auseinandergegangene,
 das aus seinem Ursitze über den ganzen Erdkreis ausgebreitete Urvolk und ist die Menschengeschichte
 nur die Geschichte dieses Auseinandergehens und dieser Ausbreitung, so können ebenso die Sprachen
 nur sein das auseinandergegangene und über alle Länder getragene Urwort, der äusserlich gewordene
 Geist Gottes und der Menschheit. Es wurden Völker, es wurden Staaten, es wurden Sprachen, bezeichnet
 gleichmässig das Werden und Fortschreiten der Menschheit; doch die Sprachen umschliessen das
 geistigste menschliche Leben, den Geist und die Bildung der Menschheit im höchsten Sinne, &#x2013; sie
 bilden die Völker und überdauern dieselben in der unsterblichen Schrift. Die Höhe und der Umfang der
 geistigen Bildung eines jeden Volkes, der Reichthum seiner Gefühle und Begriffe, &#x2013; sein ganzes
 Fühlen, Denken und Wissen ist nach der Bildung und dem Reichthume der Sprache desselben zu bemessen;
 die Sprache ist der treueste Ausdruck des innern Lebens der Völker; mit der Sprache entstehet,
 blühet und vergehet ein jedes Volk. Die Einheit des Denkens und Begreifens aller Völker der Erde,
 die Gleichheit des Menschengeistes und seiner Natur und Gesetze bei allen Menschen ohne Ausnahme,
 hat zur nothwendigen Folge, dass auch ihre Sprachen geistig gleich, blos der verschiedene Ausdruck
 des Einen Geistes seien. Wie die Logik die allgemeinen Gesetze des menschlichen Denkens gefunden
 hat, sollte auch die Sprachwissenschaft
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[324/0340] Mensch gewordene Gott und aus diesem Grunde das Ursymbol des Geistes und der Allmacht Gottes. Das Wort ist der Prometheus, welcher das göttliche Licht, den allbelebenden Himmelsfunken zu den Menschen auf die Erde herabbringt. Die Religion ist die Sprache Gottes zu den Menschen, die Erkenntniss Gottes und seines Geistes in der menschlichen Sprache. Die Ursprache der Menschheit ist die Urreligion derselben und zugleich die Uroffenbarung Gottes. Durch die Sprache steigt Gott aus dem Himmel zu dem ihn erkennenden Menschen herab, und der Mensch wieder betend hinauf zu dem von ihm erkannten Gott; die Sprache ist das Band zwischen der Gottheit und der Menschheit, zwischen dem Himmel und der Erde. Sind die Menschheit und die menschlichen Völker nur das auseinandergegangene, das aus seinem Ursitze über den ganzen Erdkreis ausgebreitete Urvolk und ist die Menschengeschichte nur die Geschichte dieses Auseinandergehens und dieser Ausbreitung, so können ebenso die Sprachen nur sein das auseinandergegangene und über alle Länder getragene Urwort, der äusserlich gewordene Geist Gottes und der Menschheit. Es wurden Völker, es wurden Staaten, es wurden Sprachen, bezeichnet gleichmässig das Werden und Fortschreiten der Menschheit; doch die Sprachen umschliessen das geistigste menschliche Leben, den Geist und die Bildung der Menschheit im höchsten Sinne, – sie bilden die Völker und überdauern dieselben in der unsterblichen Schrift. Die Höhe und der Umfang der geistigen Bildung eines jeden Volkes, der Reichthum seiner Gefühle und Begriffe, – sein ganzes Fühlen, Denken und Wissen ist nach der Bildung und dem Reichthume der Sprache desselben zu bemessen; die Sprache ist der treueste Ausdruck des innern Lebens der Völker; mit der Sprache entstehet, blühet und vergehet ein jedes Volk. Die Einheit des Denkens und Begreifens aller Völker der Erde, die Gleichheit des Menschengeistes und seiner Natur und Gesetze bei allen Menschen ohne Ausnahme, hat zur nothwendigen Folge, dass auch ihre Sprachen geistig gleich, blos der verschiedene Ausdruck des Einen Geistes seien. Wie die Logik die allgemeinen Gesetze des menschlichen Denkens gefunden hat, sollte auch die Sprachwissenschaft

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-14T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-14T13:44:32Z)
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-14T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/340
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/340>, abgerufen am 27.05.2024.