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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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auch nur die schon hinsterbende Sonnen- und Naturkraft, der sterbliche Mensch; desshalb ruft er, hinweisend auf den kommenden Christus, auf die neue Sonne: "Er muss wachsen, ich aber abnehmen." Wie im Nibelungenliede Siegfried durch die Hand Hagens oder des Unterwelts- und Todtengottes getödtet wird, muss auch Johannes sterben, damit er in seiner Pracht und Herrlichkeit als lichter Sonnengott, als Christus wieder auferstehen könne. Aller Tod ist nur die Bedingung, die Wiege des neuen Lebens; das Grab ist die Pforte der Ewigkeit. Der abnehmende und sterbende Johannes, die gebrochene Rose des Johannes erinnern uns, dass auch uns das Grab erwartet, dass auch wir gebrochen und zerfallen werden. Die Rose des Johannes ruft uns zu, was bei der Meisteraufnahme der zweite Vorsteher dem Aufzunehmenden zuruft:

"Mein Br., zum Sterben wird der Mensch geboren und ohne den Tod kann der Mensch nicht zum Leben gelangen."

So ist auch der indische Civa der Ersieger des Lebens durch den Tod und der Besieger des Todes durch das Leben. Erinnert daher der vergehende Johannes, die welkende Rose an das Grab und den Tod, an die Vergänglichkeit aller menschlichen Dinge, verkünden sie zugleich, wodurch wir uns zum Tode vorbereiten, wie wir sterben sollen. Johannes spricht: "Ich bin die Stimme jenes Rufenden in der Wüste: Bahnet den Weg des Herrn! wie Jesajas, der Prophet, gesagt hat. Wer an den Sohn glaubt, der hat ewiges Leben; wer aber nicht an den Sohn glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm." - Die Maurer haben Johannes den Täufer zu ihrem Schutzheiligen erwählt, nennen sich Johannisjünger und tragen am Gedächtnisstage des Johannis seine Rose, weil sie die Stimme des Predigers in. der Wüste vernommen haben und treu erfüllen wollen, weil sie durch ein rechtes Leben, durch Tugend und Wohlthun den Weg des Herrn zu bahnen und in den Tod einzugehen gelobt haben, weil sie an Gott und die Lehre Christi glauben und das ewige Leben hoffen und erstreben. Damit ist auch der weissen Rose, als der Blume des Täufers, ihre tiefere und höhere Bedeutung gegeben.

auch nur die schon hinsterbende Sonnen- und Naturkraft, der sterbliche Mensch; desshalb ruft er, hinweisend auf den kommenden Christus, auf die neue Sonne: „Er muss wachsen, ich aber abnehmen.“ Wie im Nibelungenliede Siegfried durch die Hand Hagens oder des Unterwelts- und Todtengottes getödtet wird, muss auch Johannes sterben, damit er in seiner Pracht und Herrlichkeit als lichter Sonnengott, als Christus wieder auferstehen könne. Aller Tod ist nur die Bedingung, die Wiege des neuen Lebens; das Grab ist die Pforte der Ewigkeit. Der abnehmende und sterbende Johannes, die gebrochene Rose des Johannes erinnern uns, dass auch uns das Grab erwartet, dass auch wir gebrochen und zerfallen werden. Die Rose des Johannes ruft uns zu, was bei der Meisteraufnahme der zweite Vorsteher dem Aufzunehmenden zuruft:

„Mein Br., zum Sterben wird der Mensch geboren und ohne den Tod kann der Mensch nicht zum Leben gelangen.“

So ist auch der indische Çiva der Ersieger des Lebens durch den Tod und der Besieger des Todes durch das Leben. Erinnert daher der vergehende Johannes, die welkende Rose an das Grab und den Tod, an die Vergänglichkeit aller menschlichen Dinge, verkünden sie zugleich, wodurch wir uns zum Tode vorbereiten, wie wir sterben sollen. Johannes spricht: „Ich bin die Stimme jenes Rufenden in der Wüste: Bahnet den Weg des Herrn! wie Jesajas, der Prophet, gesagt hat. Wer an den Sohn glaubt, der hat ewiges Leben; wer aber nicht an den Sohn glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.“ – Die Maurer haben Johannes den Täufer zu ihrem Schutzheiligen erwählt, nennen sich Johannisjünger und tragen am Gedächtnisstage des Johannis seine Rose, weil sie die Stimme des Predigers in. der Wüste vernommen haben und treu erfüllen wollen, weil sie durch ein rechtes Leben, durch Tugend und Wohlthun den Weg des Herrn zu bahnen und in den Tod einzugehen gelobt haben, weil sie an Gott und die Lehre Christi glauben und das ewige Leben hoffen und erstreben. Damit ist auch der weissen Rose, als der Blume des Täufers, ihre tiefere und höhere Bedeutung gegeben.

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[201/0217] auch nur die schon hinsterbende Sonnen- und Naturkraft, der sterbliche Mensch; desshalb ruft er, hinweisend auf den kommenden Christus, auf die neue Sonne: „Er muss wachsen, ich aber abnehmen.“ Wie im Nibelungenliede Siegfried durch die Hand Hagens oder des Unterwelts- und Todtengottes getödtet wird, muss auch Johannes sterben, damit er in seiner Pracht und Herrlichkeit als lichter Sonnengott, als Christus wieder auferstehen könne. Aller Tod ist nur die Bedingung, die Wiege des neuen Lebens; das Grab ist die Pforte der Ewigkeit. Der abnehmende und sterbende Johannes, die gebrochene Rose des Johannes erinnern uns, dass auch uns das Grab erwartet, dass auch wir gebrochen und zerfallen werden. Die Rose des Johannes ruft uns zu, was bei der Meisteraufnahme der zweite Vorsteher dem Aufzunehmenden zuruft: „Mein Br., zum Sterben wird der Mensch geboren und ohne den Tod kann der Mensch nicht zum Leben gelangen.“ So ist auch der indische Çiva der Ersieger des Lebens durch den Tod und der Besieger des Todes durch das Leben. Erinnert daher der vergehende Johannes, die welkende Rose an das Grab und den Tod, an die Vergänglichkeit aller menschlichen Dinge, verkünden sie zugleich, wodurch wir uns zum Tode vorbereiten, wie wir sterben sollen. Johannes spricht: „Ich bin die Stimme jenes Rufenden in der Wüste: Bahnet den Weg des Herrn! wie Jesajas, der Prophet, gesagt hat. Wer an den Sohn glaubt, der hat ewiges Leben; wer aber nicht an den Sohn glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.“ – Die Maurer haben Johannes den Täufer zu ihrem Schutzheiligen erwählt, nennen sich Johannisjünger und tragen am Gedächtnisstage des Johannis seine Rose, weil sie die Stimme des Predigers in. der Wüste vernommen haben und treu erfüllen wollen, weil sie durch ein rechtes Leben, durch Tugend und Wohlthun den Weg des Herrn zu bahnen und in den Tod einzugehen gelobt haben, weil sie an Gott und die Lehre Christi glauben und das ewige Leben hoffen und erstreben. Damit ist auch der weissen Rose, als der Blume des Täufers, ihre tiefere und höhere Bedeutung gegeben.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/217>, abgerufen am 24.11.2024.