Endlich ruft der Evangelist Matthius: "So aber Gott das Gras des Feldes, das heute stehet und
morgen in den Ofen geworfen wird, also kleidet, wird er das nicht vielmehr euch thun, ihr
Kleingläubigen? Darum sollet ihr nicht sorgen und sagen: was werden wir essen? oder was worden wir
trinken? oder womit werden wir uns kleiden? denn nach allen diesen Dingen trachten die Heiden. Denn
euer himmlischer Vater weiss, dass ihr aller dieser Dinge bedürfet. Suchet aber zum ersten das Reich
Gottes und seine Gerechtigkeit, so werden alle diese Dinge hinzugethan werden. Darum sollet ihr
nicht für den folgenden Tag sorgen, denn der folgende Tag wird für das Seine schon sorgen. Es ist
einem jeden Tag genug sein eigen Uebel."
Bei den römischen, im Jahr 240 vor Chr. auf Veranlassung eines Misswachses gestifteten
Floralien, d. h. bei den gegen Ende April und Anfangs Mai zu Ehren der Flora, der Göttin der Blüthen
und Blumen, gefeierten Festen war auch gebräuchlich, dass die Feiernden im schnellen Laufe Blumen
und besonders Rosen herumtrugen, um dadurch die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit alles natürlichen
Reizes anzudeuten.1) Philastratus sagte in diesem Sinne auch, Eros (Amor) liebe die Rosen, doch beide seien
vergänglich.
In dem germanischen Volksglauben symbolisiren Rosen ebenso den Tod und Rosen zeigen in den
Volkssagen oft den Tod an. Man hat die Sage, dass, wenn ein Domherr vom Dome zu Hlildesheim sterben
soll, am Morgen des dritten Tages vorher auf seinem Sitze eine weisse Rose liege, zum Anzeichen,
dass er sich zum Tode vorbereiten solle. Aehnliche Sagen sind über ganz Deutschland verbreitet. Bald
ist es eine weisse, bald eine rothe Rose, welche als Todesanzeichen dienet. Ein Kind trägt eine
Knospe heim, die ihm ein Engel in dem Walde geschenkt hat; als die Rose verblühet, ist das Kind
todt. Ein serbisches Volkslied lässt aus dem Leichnam der Jungfrau eine rothe Rose wachsen. Es ist
eine allgemeine Sitte, auf den Gräbern der Verstorbenen, besonders von Jüng-
1) Preller, röm. Mythologie, S. 135 u. 318.
Endlich ruft der Evangelist Matthius: „So aber Gott das Gras des Feldes, das heute stehet und
morgen in den Ofen geworfen wird, also kleidet, wird er das nicht vielmehr euch thun, ihr
Kleingläubigen? Darum sollet ihr nicht sorgen und sagen: was werden wir essen? oder was worden wir
trinken? oder womit werden wir uns kleiden? denn nach allen diesen Dingen trachten die Heiden. Denn
euer himmlischer Vater weiss, dass ihr aller dieser Dinge bedürfet. Suchet aber zum ersten das Reich
Gottes und seine Gerechtigkeit, so werden alle diese Dinge hinzugethan werden. Darum sollet ihr
nicht für den folgenden Tag sorgen, denn der folgende Tag wird für das Seine schon sorgen. Es ist
einem jeden Tag genug sein eigen Uebel.“
Bei den römischen, im Jahr 240 vor Chr. auf Veranlassung eines Misswachses gestifteten
Floralien, d. h. bei den gegen Ende April und Anfangs Mai zu Ehren der Flora, der Göttin der Blüthen
und Blumen, gefeierten Festen war auch gebräuchlich, dass die Feiernden im schnellen Laufe Blumen
und besonders Rosen herumtrugen, um dadurch die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit alles natürlichen
Reizes anzudeuten.1) Philastratus sagte in diesem Sinne auch, Eros (Amor) liebe die Rosen, doch beide seien
vergänglich.
In dem germanischen Volksglauben symbolisiren Rosen ebenso den Tod und Rosen zeigen in den
Volkssagen oft den Tod an. Man hat die Sage, dass, wenn ein Domherr vom Dome zu Hlildesheim sterben
soll, am Morgen des dritten Tages vorher auf seinem Sitze eine weisse Rose liege, zum Anzeichen,
dass er sich zum Tode vorbereiten solle. Aehnliche Sagen sind über ganz Deutschland verbreitet. Bald
ist es eine weisse, bald eine rothe Rose, welche als Todesanzeichen dienet. Ein Kind trägt eine
Knospe heim, die ihm ein Engel in dem Walde geschenkt hat; als die Rose verblühet, ist das Kind
todt. Ein serbisches Volkslied lässt aus dem Leichnam der Jungfrau eine rothe Rose wachsen. Es ist
eine allgemeine Sitte, auf den Gräbern der Verstorbenen, besonders von Jüng-
1) Preller, röm. Mythologie, S. 135 u. 318.
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Endlich ruft der Evangelist Matthius:<lb/>„So aber Gott das Gras des Feldes, das heute stehet und
morgen in den Ofen geworfen wird, also kleidet, wird er das nicht vielmehr euch thun, ihr
Kleingläubigen? Darum sollet ihr nicht sorgen und sagen: was werden wir essen? oder was worden wir
trinken? oder womit werden wir uns kleiden? denn nach allen diesen Dingen trachten die Heiden. Denn
euer himmlischer Vater weiss, dass ihr aller dieser Dinge bedürfet. Suchet aber zum ersten das Reich
Gottes und seine Gerechtigkeit, so werden alle diese Dinge hinzugethan werden. Darum sollet ihr
nicht für den folgenden Tag sorgen, denn der folgende Tag wird für das Seine schon sorgen. Es ist
einem jeden Tag genug sein eigen Uebel.“</p><p> Bei den römischen, im Jahr 240 vor Chr. auf Veranlassung eines Misswachses gestifteten
Floralien, d. h. bei den gegen Ende April und Anfangs Mai zu Ehren der Flora, der Göttin der Blüthen
und Blumen, gefeierten Festen war auch gebräuchlich, dass die Feiernden im schnellen Laufe Blumen
und besonders Rosen herumtrugen, um dadurch die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit alles natürlichen
Reizes anzudeuten.<noteplace="foot"n="1)">Preller, röm. Mythologie, S. 135 u. 318. </note>
Philastratus sagte in diesem Sinne auch, Eros (Amor) liebe die Rosen, doch beide seien
vergänglich.</p><p> In dem germanischen Volksglauben symbolisiren Rosen ebenso den Tod und Rosen zeigen in den
Volkssagen oft den Tod an. Man hat die Sage, dass, wenn ein Domherr vom Dome zu Hlildesheim sterben
soll, am Morgen des dritten Tages vorher auf seinem Sitze eine weisse Rose liege, zum Anzeichen,
dass er sich zum Tode vorbereiten solle. Aehnliche Sagen sind über ganz Deutschland verbreitet. Bald
ist es eine weisse, bald eine rothe Rose, welche als Todesanzeichen dienet. Ein Kind trägt eine
Knospe heim, die ihm ein Engel in dem Walde geschenkt hat; als die Rose verblühet, ist das Kind
todt. Ein serbisches Volkslied lässt aus dem Leichnam der Jungfrau eine rothe Rose wachsen. Es ist
eine allgemeine Sitte, auf den Gräbern der Verstorbenen, besonders von Jüng-
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Endlich ruft der Evangelist Matthius:
„So aber Gott das Gras des Feldes, das heute stehet und morgen in den Ofen geworfen wird, also kleidet, wird er das nicht vielmehr euch thun, ihr Kleingläubigen? Darum sollet ihr nicht sorgen und sagen: was werden wir essen? oder was worden wir trinken? oder womit werden wir uns kleiden? denn nach allen diesen Dingen trachten die Heiden. Denn euer himmlischer Vater weiss, dass ihr aller dieser Dinge bedürfet. Suchet aber zum ersten das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, so werden alle diese Dinge hinzugethan werden. Darum sollet ihr nicht für den folgenden Tag sorgen, denn der folgende Tag wird für das Seine schon sorgen. Es ist einem jeden Tag genug sein eigen Uebel.“
Bei den römischen, im Jahr 240 vor Chr. auf Veranlassung eines Misswachses gestifteten Floralien, d. h. bei den gegen Ende April und Anfangs Mai zu Ehren der Flora, der Göttin der Blüthen und Blumen, gefeierten Festen war auch gebräuchlich, dass die Feiernden im schnellen Laufe Blumen und besonders Rosen herumtrugen, um dadurch die Flüchtigkeit und Vergänglichkeit alles natürlichen Reizes anzudeuten. 1) Philastratus sagte in diesem Sinne auch, Eros (Amor) liebe die Rosen, doch beide seien vergänglich.
In dem germanischen Volksglauben symbolisiren Rosen ebenso den Tod und Rosen zeigen in den Volkssagen oft den Tod an. Man hat die Sage, dass, wenn ein Domherr vom Dome zu Hlildesheim sterben soll, am Morgen des dritten Tages vorher auf seinem Sitze eine weisse Rose liege, zum Anzeichen, dass er sich zum Tode vorbereiten solle. Aehnliche Sagen sind über ganz Deutschland verbreitet. Bald ist es eine weisse, bald eine rothe Rose, welche als Todesanzeichen dienet. Ein Kind trägt eine Knospe heim, die ihm ein Engel in dem Walde geschenkt hat; als die Rose verblühet, ist das Kind todt. Ein serbisches Volkslied lässt aus dem Leichnam der Jungfrau eine rothe Rose wachsen. Es ist eine allgemeine Sitte, auf den Gräbern der Verstorbenen, besonders von Jüng-
1) Preller, röm. Mythologie, S. 135 u. 318.
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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/213>, abgerufen am 19.07.2024.
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