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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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§. 400. B. Daseyn der Rechte. -- Rechtmäßigkeit.
so ist dieser Widerspruch wenigstens wegen der beschränkten
Natur des Trägers erworbener Rechte nach zwei Seiten
hin in enge Gränzen zu verweisen.

Dem neuen Gesetze könnte höchstens seine rechtmäßige
Einwirkung bestritten werden, so lange der Träger eines
erworbenen Rechts lebt. Hinterläßt er Erben, so haben
diese zur Zeit der Erscheinung des neuen Gesetzes kein ver-
letzbares erworbenes Recht. Mit anderen Worten: Alles
Erbrecht ist rein positiv, und wenn dasselbe durch ein neues
Gesetz an gewisse Bedingungen und Schranken geknüpft
wird, so kann darin niemals ein Eingriff in erworbene
Rechte gefunden werden. Wir wollen Dieses auf den
oben als Beispiel gewählten Fall anwenden. Wenn das
neue Gesetz, welches die Sklaverei beseitigen wollte, die
Bestimmung gäbe, daß in Zukunft kein Erbe durch Erbfolge
das Eigenthum von Sklaven erwerben könnte, so läge
darin gewiß nicht die Verletzung eines erworbenen Rechts.

Diese Betrachtung gründete sich auf das nahe Ende
jedes menschlichen Lebens. Eben dahin aber führt die Er-
wägung des Anfangs. Jeder Mensch muß den Rechts-
zustand anerkennen, den er bei seiner Geburt bestimmt
findet. Wenn also vor seiner Geburt ein Rechtsinstitut
durch neues Gesetz aufgehoben oder umgebildet wird, so
kann wenigstens ihm nicht ein erworbenes Recht dadurch
verletzt seyn (e).


(e) Meyer p. 34. 35. Vgl. oben § 395. b. -- Ein Gesetz, wel-
ches die Lehen oder Fideicommisse aufhebt, verletzt daher gewiß
nicht die Rechte Derjenigen, die erst später erzeugt werden.
VIII. 35

§. 400. B. Daſeyn der Rechte. — Rechtmäßigkeit.
ſo iſt dieſer Widerſpruch wenigſtens wegen der beſchränkten
Natur des Trägers erworbener Rechte nach zwei Seiten
hin in enge Gränzen zu verweiſen.

Dem neuen Geſetze könnte höchſtens ſeine rechtmäßige
Einwirkung beſtritten werden, ſo lange der Träger eines
erworbenen Rechts lebt. Hinterläßt er Erben, ſo haben
dieſe zur Zeit der Erſcheinung des neuen Geſetzes kein ver-
letzbares erworbenes Recht. Mit anderen Worten: Alles
Erbrecht iſt rein poſitiv, und wenn daſſelbe durch ein neues
Geſetz an gewiſſe Bedingungen und Schranken geknüpft
wird, ſo kann darin niemals ein Eingriff in erworbene
Rechte gefunden werden. Wir wollen Dieſes auf den
oben als Beiſpiel gewählten Fall anwenden. Wenn das
neue Geſetz, welches die Sklaverei beſeitigen wollte, die
Beſtimmung gäbe, daß in Zukunft kein Erbe durch Erbfolge
das Eigenthum von Sklaven erwerben könnte, ſo läge
darin gewiß nicht die Verletzung eines erworbenen Rechts.

Dieſe Betrachtung gründete ſich auf das nahe Ende
jedes menſchlichen Lebens. Eben dahin aber führt die Er-
wägung des Anfangs. Jeder Menſch muß den Rechts-
zuſtand anerkennen, den er bei ſeiner Geburt beſtimmt
findet. Wenn alſo vor ſeiner Geburt ein Rechtsinſtitut
durch neues Geſetz aufgehoben oder umgebildet wird, ſo
kann wenigſtens ihm nicht ein erworbenes Recht dadurch
verletzt ſeyn (e).


(e) Meyer p. 34. 35. Vgl. oben § 395. b. — Ein Geſetz, wel-
ches die Lehen oder Fideicommiſſe aufhebt, verletzt daher gewiß
nicht die Rechte Derjenigen, die erſt ſpäter erzeugt werden.
VIII. 35
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[537/0559] §. 400. B. Daſeyn der Rechte. — Rechtmäßigkeit. ſo iſt dieſer Widerſpruch wenigſtens wegen der beſchränkten Natur des Trägers erworbener Rechte nach zwei Seiten hin in enge Gränzen zu verweiſen. Dem neuen Geſetze könnte höchſtens ſeine rechtmäßige Einwirkung beſtritten werden, ſo lange der Träger eines erworbenen Rechts lebt. Hinterläßt er Erben, ſo haben dieſe zur Zeit der Erſcheinung des neuen Geſetzes kein ver- letzbares erworbenes Recht. Mit anderen Worten: Alles Erbrecht iſt rein poſitiv, und wenn daſſelbe durch ein neues Geſetz an gewiſſe Bedingungen und Schranken geknüpft wird, ſo kann darin niemals ein Eingriff in erworbene Rechte gefunden werden. Wir wollen Dieſes auf den oben als Beiſpiel gewählten Fall anwenden. Wenn das neue Geſetz, welches die Sklaverei beſeitigen wollte, die Beſtimmung gäbe, daß in Zukunft kein Erbe durch Erbfolge das Eigenthum von Sklaven erwerben könnte, ſo läge darin gewiß nicht die Verletzung eines erworbenen Rechts. Dieſe Betrachtung gründete ſich auf das nahe Ende jedes menſchlichen Lebens. Eben dahin aber führt die Er- wägung des Anfangs. Jeder Menſch muß den Rechts- zuſtand anerkennen, den er bei ſeiner Geburt beſtimmt findet. Wenn alſo vor ſeiner Geburt ein Rechtsinſtitut durch neues Geſetz aufgehoben oder umgebildet wird, ſo kann wenigſtens ihm nicht ein erworbenes Recht dadurch verletzt ſeyn (e). (e) Meyer p. 34. 35. Vgl. oben § 395. b. — Ein Geſetz, wel- ches die Lehen oder Fideicommiſſe aufhebt, verletzt daher gewiß nicht die Rechte Derjenigen, die erſt ſpäter erzeugt werden. VIII. 35

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 537. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/559>, abgerufen am 23.11.2024.