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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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§. 399. B. Daseyn der Rechte. Anwendungen. Ausnahmen.
sprüche theils dem Leichtsinn der Frauen entgegen zu wirken,
theils die Störung des Friedens mancher Ehen durch die
von fremden Frauen erhobenen Ansprüche, zu verhüten.
In beiden Richtungen neuer Gesetze ist ein sittlicher Zweck
unverkennbar, und es kann dabei ganz gleichgültig seyn,
welche dieser Richtungen an sich oder durch Erfahrungen
im Großen mehr begründet seyn möge.

Nimmt man Dieses als richtig an, so muß das neue
Gesetz über uneheliche Kinder augenblicklich zur Anwendung
kommen, ohne Rücksicht auf das Gesetz, welches zur Zeit
der Erzeugung oder der Geburt des Kindes bestanden hat.
-- Dieselbe Regel ist schon oben in Beziehung auf
die örtlichen Collisionen geltend gemacht worden (§ 374
Noten aa. bb.).

Mit diesen Ansichten stimmt überein das Französische
Gesetz, welches selbst die Untersuchung der Paternität
verbietet (i), also selbst die Möglichkeit abschneidet, einem
unehelichen Kinde, mit Ausnahme der freiwilligen Aner-
kennung, Ansprüche gegen den Erzeuger zu verschaffen.
Man hat dieses Gesetz mit Unrecht getadelt, als ob es eine
ungehörige Rückwirkung enthielte (k). Man hat es eben
so mit Unrecht vertheidigt, als ob es den persönlichen Zu-
stand an sich zum Gegenstand hätte (l). Die wahre Recht-

(i) Code civil art. 340 "La
recherche de la paternite est
interdite."
(k) Struve S. 233.
(l) Weber S. 79--82. Die-
selbe Ansicht haben die Franzö-
sischen Juristen.
VIII. 34

§. 399. B. Daſeyn der Rechte. Anwendungen. Ausnahmen.
ſprüche theils dem Leichtſinn der Frauen entgegen zu wirken,
theils die Störung des Friedens mancher Ehen durch die
von fremden Frauen erhobenen Anſprüche, zu verhüten.
In beiden Richtungen neuer Geſetze iſt ein ſittlicher Zweck
unverkennbar, und es kann dabei ganz gleichgültig ſeyn,
welche dieſer Richtungen an ſich oder durch Erfahrungen
im Großen mehr begründet ſeyn möge.

Nimmt man Dieſes als richtig an, ſo muß das neue
Geſetz über uneheliche Kinder augenblicklich zur Anwendung
kommen, ohne Rückſicht auf das Geſetz, welches zur Zeit
der Erzeugung oder der Geburt des Kindes beſtanden hat.
— Dieſelbe Regel iſt ſchon oben in Beziehung auf
die örtlichen Colliſionen geltend gemacht worden (§ 374
Noten aa. bb.).

Mit dieſen Anſichten ſtimmt überein das Franzöſiſche
Geſetz, welches ſelbſt die Unterſuchung der Paternität
verbietet (i), alſo ſelbſt die Möglichkeit abſchneidet, einem
unehelichen Kinde, mit Ausnahme der freiwilligen Aner-
kennung, Anſprüche gegen den Erzeuger zu verſchaffen.
Man hat dieſes Geſetz mit Unrecht getadelt, als ob es eine
ungehörige Rückwirkung enthielte (k). Man hat es eben
ſo mit Unrecht vertheidigt, als ob es den perſönlichen Zu-
ſtand an ſich zum Gegenſtand hätte (l). Die wahre Recht-

(i) Code civil art. 340 „La
recherche de la paternité est
interdite.“
(k) Struve S. 233.
(l) Weber S. 79—82. Die-
ſelbe Anſicht haben die Franzö-
ſiſchen Juriſten.
VIII. 34
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[529/0551] §. 399. B. Daſeyn der Rechte. Anwendungen. Ausnahmen. ſprüche theils dem Leichtſinn der Frauen entgegen zu wirken, theils die Störung des Friedens mancher Ehen durch die von fremden Frauen erhobenen Anſprüche, zu verhüten. In beiden Richtungen neuer Geſetze iſt ein ſittlicher Zweck unverkennbar, und es kann dabei ganz gleichgültig ſeyn, welche dieſer Richtungen an ſich oder durch Erfahrungen im Großen mehr begründet ſeyn möge. Nimmt man Dieſes als richtig an, ſo muß das neue Geſetz über uneheliche Kinder augenblicklich zur Anwendung kommen, ohne Rückſicht auf das Geſetz, welches zur Zeit der Erzeugung oder der Geburt des Kindes beſtanden hat. — Dieſelbe Regel iſt ſchon oben in Beziehung auf die örtlichen Colliſionen geltend gemacht worden (§ 374 Noten aa. bb.). Mit dieſen Anſichten ſtimmt überein das Franzöſiſche Geſetz, welches ſelbſt die Unterſuchung der Paternität verbietet (i), alſo ſelbſt die Möglichkeit abſchneidet, einem unehelichen Kinde, mit Ausnahme der freiwilligen Aner- kennung, Anſprüche gegen den Erzeuger zu verſchaffen. Man hat dieſes Geſetz mit Unrecht getadelt, als ob es eine ungehörige Rückwirkung enthielte (k). Man hat es eben ſo mit Unrecht vertheidigt, als ob es den perſönlichen Zu- ſtand an ſich zum Gegenſtand hätte (l). Die wahre Recht- (i) Code civil art. 340 „La recherche de la paternité est interdite.“ (k) Struve S. 233. (l) Weber S. 79—82. Die- ſelbe Anſicht haben die Franzö- ſiſchen Juriſten. VIII. 34

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 529. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/551>, abgerufen am 22.11.2024.