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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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§. 397. A. Erwerb der Rechte. Ausnahmen.
giebt aber auch Fälle, in welchen eine solche Ausnahme
durch andere Beweggründe veranlaßt wird, insbesondere
durch die Absicht einer Schonung des Einzelnen ohne
Verletzung Anderer. Eine solche Bedeutung hat die Vor-
schrift des Preußischen Rechts, daß ein milderes neues
Strafgesetz auch auf die unter dem alten Gesetz begangenen
Verbrechen angewendet werden soll (a). Eine gleich scho-
nende Absicht liegt zum Grunde bei einem anderen Preußi-
schen Gesetz, nach welchem die Formfehler eines Rechts-
geschäfts dadurch unschädlich gemacht werden, daß ein neue-
res Gesetz eine leichtere Form vorschreibt, welcher die frü-
her vorgenommene Handlung genügt. Die bedenkliche Ra-
tur dieser Vorschrift ist jedoch schon oben bemerklich ge-
macht worden (§ 388. c).

Eine Einschränkung der Wirksamkeit eines neuen
Gesetzes als Ausnahme hat weit weniger Bedenken. Sie
hat zum Zweck die Schonung bloßer Erwartungen, die
durch den oben aufgestellten Grundsatz allerdings nicht ge-
schützt werden (§ 385), und sie beruht stets auf der Ueber-
zeugung, daß die Vorschrift eines neuen Gesetzes, wenn-
gleich an sich heilsam, doch nicht von so durchgreifender
Wichtigkeit sey, um eine augenblickliche unbedingte Ausfüh-
rung zu erfordern, wodurch vielleicht individuelle Interessen
gefährdet werden können.


(a) S. o. § 387. b. Diese Bestimmung wird schon gerechtfertigt
durch die dem Gesetzgeber im einzelnen Fall ohnehin zustehende Be-
gnadigung.

§. 397. A. Erwerb der Rechte. Ausnahmen.
giebt aber auch Fälle, in welchen eine ſolche Ausnahme
durch andere Beweggründe veranlaßt wird, insbeſondere
durch die Abſicht einer Schonung des Einzelnen ohne
Verletzung Anderer. Eine ſolche Bedeutung hat die Vor-
ſchrift des Preußiſchen Rechts, daß ein milderes neues
Strafgeſetz auch auf die unter dem alten Geſetz begangenen
Verbrechen angewendet werden ſoll (a). Eine gleich ſcho-
nende Abſicht liegt zum Grunde bei einem anderen Preußi-
ſchen Geſetz, nach welchem die Formfehler eines Rechts-
geſchäfts dadurch unſchädlich gemacht werden, daß ein neue-
res Geſetz eine leichtere Form vorſchreibt, welcher die frü-
her vorgenommene Handlung genügt. Die bedenkliche Ra-
tur dieſer Vorſchrift iſt jedoch ſchon oben bemerklich ge-
macht worden (§ 388. c).

Eine Einſchränkung der Wirkſamkeit eines neuen
Geſetzes als Ausnahme hat weit weniger Bedenken. Sie
hat zum Zweck die Schonung bloßer Erwartungen, die
durch den oben aufgeſtellten Grundſatz allerdings nicht ge-
ſchützt werden (§ 385), und ſie beruht ſtets auf der Ueber-
zeugung, daß die Vorſchrift eines neuen Geſetzes, wenn-
gleich an ſich heilſam, doch nicht von ſo durchgreifender
Wichtigkeit ſey, um eine augenblickliche unbedingte Ausfüh-
rung zu erfordern, wodurch vielleicht individuelle Intereſſen
gefährdet werden können.


(a) S. o. § 387. b. Dieſe Beſtimmung wird ſchon gerechtfertigt
durch die dem Geſetzgeber im einzelnen Fall ohnehin zuſtehende Be-
gnadigung.
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[507/0529] §. 397. A. Erwerb der Rechte. Ausnahmen. giebt aber auch Fälle, in welchen eine ſolche Ausnahme durch andere Beweggründe veranlaßt wird, insbeſondere durch die Abſicht einer Schonung des Einzelnen ohne Verletzung Anderer. Eine ſolche Bedeutung hat die Vor- ſchrift des Preußiſchen Rechts, daß ein milderes neues Strafgeſetz auch auf die unter dem alten Geſetz begangenen Verbrechen angewendet werden ſoll (a). Eine gleich ſcho- nende Abſicht liegt zum Grunde bei einem anderen Preußi- ſchen Geſetz, nach welchem die Formfehler eines Rechts- geſchäfts dadurch unſchädlich gemacht werden, daß ein neue- res Geſetz eine leichtere Form vorſchreibt, welcher die frü- her vorgenommene Handlung genügt. Die bedenkliche Ra- tur dieſer Vorſchrift iſt jedoch ſchon oben bemerklich ge- macht worden (§ 388. c). Eine Einſchränkung der Wirkſamkeit eines neuen Geſetzes als Ausnahme hat weit weniger Bedenken. Sie hat zum Zweck die Schonung bloßer Erwartungen, die durch den oben aufgeſtellten Grundſatz allerdings nicht ge- ſchützt werden (§ 385), und ſie beruht ſtets auf der Ueber- zeugung, daß die Vorſchrift eines neuen Geſetzes, wenn- gleich an ſich heilſam, doch nicht von ſo durchgreifender Wichtigkeit ſey, um eine augenblickliche unbedingte Ausfüh- rung zu erfordern, wodurch vielleicht individuelle Intereſſen gefährdet werden können. (a) S. o. § 387. b. Dieſe Beſtimmung wird ſchon gerechtfertigt durch die dem Geſetzgeber im einzelnen Fall ohnehin zuſtehende Be- gnadigung.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 507. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/529>, abgerufen am 19.05.2024.