§. 393. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht.
natürliche Wesen des Testaments, sondern sie hatte eine blos zufällige, historische Veranlassung. Ja wir müssen hinzufügen, daß es consequent gewesen wäre, diese Lehre im Justinianischen Recht gänzlich aufzugeben, indem ja in diesem Recht der Gedanke der Mancipation, als Grundlage der Testamente, völlig verschwunden war.
Die so eben geführte Untersuchung betraf gar nicht die Frage wegen der zeitlichen Collision der Gesetze, war also eine Digression, aber eine unentbehrliche Digression. Denn indem ich mich nun zur Untersuchung der Veränderungen wende, die nicht in den Thatsachen eintreten, sondern in den Gesetzen, muß ich stets zurückgehen auf die Analogie der eben aufgestellten Regeln. Jedoch darf davon dieser Gebrauch nur mit Vorsicht und Unterscheidung gemacht werden, besonders mit Rücksicht darauf, ob die aufgestellten Regeln aus der Natur der Sache abgeleitet wurden, oder aus eigenthümlichen Gründen. Ich werde mich dabei ganz an die Reihe von Fällen halten, wie sie so eben für die thatsächlichen Veränderungen aufgestellt wurden.
1. Persönliche Fähigkeit des Testators in Beziehung auf dessen Rechtsverhältnisse.
Diese muß in zwei Zeitpunkten vorhanden seyn: zur Zeit des errichteten Testaments und zur Zeit des Todes; fehlt sie in einem derselben, so ist und bleibt das Testament ungültig (S. 453). Sie kann aber gerade dadurch fehlen,
§. 393. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht.
natürliche Weſen des Teſtaments, ſondern ſie hatte eine blos zufällige, hiſtoriſche Veranlaſſung. Ja wir müſſen hinzufügen, daß es conſequent geweſen wäre, dieſe Lehre im Juſtinianiſchen Recht gänzlich aufzugeben, indem ja in dieſem Recht der Gedanke der Mancipation, als Grundlage der Teſtamente, völlig verſchwunden war.
Die ſo eben geführte Unterſuchung betraf gar nicht die Frage wegen der zeitlichen Colliſion der Geſetze, war alſo eine Digreſſion, aber eine unentbehrliche Digreſſion. Denn indem ich mich nun zur Unterſuchung der Veränderungen wende, die nicht in den Thatſachen eintreten, ſondern in den Geſetzen, muß ich ſtets zurückgehen auf die Analogie der eben aufgeſtellten Regeln. Jedoch darf davon dieſer Gebrauch nur mit Vorſicht und Unterſcheidung gemacht werden, beſonders mit Rückſicht darauf, ob die aufgeſtellten Regeln aus der Natur der Sache abgeleitet wurden, oder aus eigenthümlichen Gründen. Ich werde mich dabei ganz an die Reihe von Fällen halten, wie ſie ſo eben für die thatſächlichen Veränderungen aufgeſtellt wurden.
1. Perſönliche Fähigkeit des Teſtators in Beziehung auf deſſen Rechtsverhältniſſe.
Dieſe muß in zwei Zeitpunkten vorhanden ſeyn: zur Zeit des errichteten Teſtaments und zur Zeit des Todes; fehlt ſie in einem derſelben, ſo iſt und bleibt das Teſtament ungültig (S. 453). Sie kann aber gerade dadurch fehlen,
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§. 393. A. Erwerb der Rechte. Anwendungen. IV. Erbrecht.
natürliche Weſen des Teſtaments, ſondern ſie hatte eine
blos zufällige, hiſtoriſche Veranlaſſung. Ja wir müſſen
hinzufügen, daß es conſequent geweſen wäre, dieſe Lehre
im Juſtinianiſchen Recht gänzlich aufzugeben, indem ja in
dieſem Recht der Gedanke der Mancipation, als Grundlage
der Teſtamente, völlig verſchwunden war.
Die ſo eben geführte Unterſuchung betraf gar nicht die
Frage wegen der zeitlichen Colliſion der Geſetze, war alſo
eine Digreſſion, aber eine unentbehrliche Digreſſion. Denn
indem ich mich nun zur Unterſuchung der Veränderungen
wende, die nicht in den Thatſachen eintreten, ſondern in
den Geſetzen, muß ich ſtets zurückgehen auf die Analogie
der eben aufgeſtellten Regeln. Jedoch darf davon dieſer
Gebrauch nur mit Vorſicht und Unterſcheidung gemacht
werden, beſonders mit Rückſicht darauf, ob die aufgeſtellten
Regeln aus der Natur der Sache abgeleitet wurden, oder
aus eigenthümlichen Gründen. Ich werde mich dabei ganz
an die Reihe von Fällen halten, wie ſie ſo eben für die
thatſächlichen Veränderungen aufgeſtellt wurden.
1. Perſönliche Fähigkeit des Teſtators in Beziehung
auf deſſen Rechtsverhältniſſe.
Dieſe muß in zwei Zeitpunkten vorhanden ſeyn: zur
Zeit des errichteten Teſtaments und zur Zeit des Todes;
fehlt ſie in einem derſelben, ſo iſt und bleibt das Teſtament
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/483>, abgerufen am 22.11.2024.
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