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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
quenz strenger Theorie, dem praktischen Bedürfniß nicht
entsprechend, betrachteten, und daher beseitigten.

2. Persönliche Fähigkeit des Testators in Beziehung
auf dessen physische Eigenschaften.

Diese hat eine ganz andere Natur, als die erste Art
der Fähigkeit. Sie gehört ausschließend der faktischen
Seite des Testaments an, und ist also nöthig zu der Zeit,
in welcher das Testament gemacht wird. Dagegen ist jede
spätere Aenderung ganz gleichgültig, und es wird dadurch
weder das Testament gültig, wenn zur Zeit desselben die
Fähigkeit fehlte, noch ungültig, wenn die Fähigkeit damals
vorhanden war.

Zu diesen Gründen der Ungültigkeit gehört: Unmündig-
keit, Wahnsinn, nach dem älteren Römischen Recht auch
Stummheit und eben so Taubheit. Wenn nun ein Unmün-
diger oder ein Wahnsinniger ein Testament macht, so ist
und bleibt dasselbe ungültig, auch wenn später Mündigkeit
eintritt oder der Wahnsinn verschwindet. Umgekehrt ist
und bleibt das Testament des geistig Gesunden gültig, auch
wenn er späterhin in Wahnsinn verfällt, und selbst wenn
er in diesem Zustand stirbt (f).

3. Der Inhalt des Testaments gehört ausschließend
der juristischen Seite des Testaments an. Daher wird gar
nicht gesehen auf die blos zur Zeit des errichteten Testa-

(f) § 1. J. quib. non est perm. (2. 12), L. 2 L. 6 § 1 L. 20
§ 4 qui test. (28. 1), L. 8 § 3 de j. cod. (29. 7), L. 1 § 8. 9. de
B. P. sec. tab.
(37. 11).

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
quenz ſtrenger Theorie, dem praktiſchen Bedürfniß nicht
entſprechend, betrachteten, und daher beſeitigten.

2. Perſönliche Fähigkeit des Teſtators in Beziehung
auf deſſen phyſiſche Eigenſchaften.

Dieſe hat eine ganz andere Natur, als die erſte Art
der Fähigkeit. Sie gehört ausſchließend der faktiſchen
Seite des Teſtaments an, und iſt alſo nöthig zu der Zeit,
in welcher das Teſtament gemacht wird. Dagegen iſt jede
ſpätere Aenderung ganz gleichgültig, und es wird dadurch
weder das Teſtament gültig, wenn zur Zeit deſſelben die
Fähigkeit fehlte, noch ungültig, wenn die Fähigkeit damals
vorhanden war.

Zu dieſen Gründen der Ungültigkeit gehört: Unmündig-
keit, Wahnſinn, nach dem älteren Römiſchen Recht auch
Stummheit und eben ſo Taubheit. Wenn nun ein Unmün-
diger oder ein Wahnſinniger ein Teſtament macht, ſo iſt
und bleibt daſſelbe ungültig, auch wenn ſpäter Mündigkeit
eintritt oder der Wahnſinn verſchwindet. Umgekehrt iſt
und bleibt das Teſtament des geiſtig Geſunden gültig, auch
wenn er ſpäterhin in Wahnſinn verfällt, und ſelbſt wenn
er in dieſem Zuſtand ſtirbt (f).

3. Der Inhalt des Teſtaments gehört ausſchließend
der juriſtiſchen Seite des Teſtaments an. Daher wird gar
nicht geſehen auf die blos zur Zeit des errichteten Teſta-

(f) § 1. J. quib. non est perm. (2. 12), L. 2 L. 6 § 1 L. 20
§ 4 qui test. (28. 1), L. 8 § 3 de j. cod. (29. 7), L. 1 § 8. 9. de
B. P. sec. tab.
(37. 11).
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[454/0476] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen. quenz ſtrenger Theorie, dem praktiſchen Bedürfniß nicht entſprechend, betrachteten, und daher beſeitigten. 2. Perſönliche Fähigkeit des Teſtators in Beziehung auf deſſen phyſiſche Eigenſchaften. Dieſe hat eine ganz andere Natur, als die erſte Art der Fähigkeit. Sie gehört ausſchließend der faktiſchen Seite des Teſtaments an, und iſt alſo nöthig zu der Zeit, in welcher das Teſtament gemacht wird. Dagegen iſt jede ſpätere Aenderung ganz gleichgültig, und es wird dadurch weder das Teſtament gültig, wenn zur Zeit deſſelben die Fähigkeit fehlte, noch ungültig, wenn die Fähigkeit damals vorhanden war. Zu dieſen Gründen der Ungültigkeit gehört: Unmündig- keit, Wahnſinn, nach dem älteren Römiſchen Recht auch Stummheit und eben ſo Taubheit. Wenn nun ein Unmün- diger oder ein Wahnſinniger ein Teſtament macht, ſo iſt und bleibt daſſelbe ungültig, auch wenn ſpäter Mündigkeit eintritt oder der Wahnſinn verſchwindet. Umgekehrt iſt und bleibt das Teſtament des geiſtig Geſunden gültig, auch wenn er ſpäterhin in Wahnſinn verfällt, und ſelbſt wenn er in dieſem Zuſtand ſtirbt (f). 3. Der Inhalt des Teſtaments gehört ausſchließend der juriſtiſchen Seite des Teſtaments an. Daher wird gar nicht geſehen auf die blos zur Zeit des errichteten Teſta- (f) § 1. J. quib. non est perm. (2. 12), L. 2 L. 6 § 1 L. 20 § 4 qui test. (28. 1), L. 8 § 3 de j. cod. (29. 7), L. 1 § 8. 9. de B. P. sec. tab. (37. 11).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/476>, abgerufen am 22.11.2024.