Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
geführt wird, so wirkt diese neue Beschränkung augenblicklich auf alle jetzt lebende Frauen, wenn diese künftig in Bürg- schaften eintreten möchten. Ganz Dasselbe aber muß be- hauptet werden, wenn das bisher bestehende Sc. Vellejanum durch neues Gesetz aufgehoben wird (h).
In allen diesen Fällen also würde es ganz unbegründet seyn, wenn man etwa den jetztlebenden Frauen ein erwor- benes Recht auf die bisher besessene ausgedehntere Hand- lungsfähigkeit zuschreiben, und die Wirksamkeit des beschrän- kenden neuen Gesetzes auf die künftige weibliche Generation einschränken wollte.
3. Bei der Infamie ist die hier behandelte Frage gleichfalls aufgeworfen worden (i).
Die meisten und wichtigsten Fälle derselben gehören nicht in den Kreis unserer Untersuchung, die sich auf das Privatrecht beschränkt und das Strafrecht ausschließt; ich meine alle die Fälle, in welchen die Infamie als Criminal- strafe erscheint, sey es allein, oder in Verbindung mit an- deren Strafen, vielleicht auch als Folge anderer Strafen.
Es könnte hier davon die Frage seyn etwa in Anwen- dung auf manche Fälle der sogenannten infamia immediata, wohin das Römische Recht mehrere Arten von unzüchtigen
(h)Chabot T. 2 p. 350-- 353.
(i) Ich habe oben, B. 2 § 83, zu zeigen gesucht, daß die Infamie für unser heutiges gemeines Recht keine Geltung mehr habe. Die gegenwärtige Erwähnung dersel- ben bezieht sich also theils auf die abweichende Meinung Anderer über diesen Punkt, theils auf neuere Gesetzgebungen, worin die Infamie anerkannt ist.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
geführt wird, ſo wirkt dieſe neue Beſchränkung augenblicklich auf alle jetzt lebende Frauen, wenn dieſe künftig in Bürg- ſchaften eintreten möchten. Ganz Daſſelbe aber muß be- hauptet werden, wenn das bisher beſtehende Sc. Vellejanum durch neues Geſetz aufgehoben wird (h).
In allen dieſen Fällen alſo würde es ganz unbegründet ſeyn, wenn man etwa den jetztlebenden Frauen ein erwor- benes Recht auf die bisher beſeſſene ausgedehntere Hand- lungsfähigkeit zuſchreiben, und die Wirkſamkeit des beſchrän- kenden neuen Geſetzes auf die künftige weibliche Generation einſchränken wollte.
3. Bei der Infamie iſt die hier behandelte Frage gleichfalls aufgeworfen worden (i).
Die meiſten und wichtigſten Fälle derſelben gehören nicht in den Kreis unſerer Unterſuchung, die ſich auf das Privatrecht beſchränkt und das Strafrecht ausſchließt; ich meine alle die Fälle, in welchen die Infamie als Criminal- ſtrafe erſcheint, ſey es allein, oder in Verbindung mit an- deren Strafen, vielleicht auch als Folge anderer Strafen.
Es könnte hier davon die Frage ſeyn etwa in Anwen- dung auf manche Fälle der ſogenannten infamia immediata, wohin das Römiſche Recht mehrere Arten von unzüchtigen
(h)Chabot T. 2 p. 350— 353.
(i) Ich habe oben, B. 2 § 83, zu zeigen geſucht, daß die Infamie für unſer heutiges gemeines Recht keine Geltung mehr habe. Die gegenwärtige Erwähnung derſel- ben bezieht ſich alſo theils auf die abweichende Meinung Anderer über dieſen Punkt, theils auf neuere Geſetzgebungen, worin die Infamie anerkannt iſt.
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
geführt wird, ſo wirkt dieſe neue Beſchränkung augenblicklich
auf alle jetzt lebende Frauen, wenn dieſe künftig in Bürg-
ſchaften eintreten möchten. Ganz Daſſelbe aber muß be-
hauptet werden, wenn das bisher beſtehende Sc. Vellejanum
durch neues Geſetz aufgehoben wird (h).
In allen dieſen Fällen alſo würde es ganz unbegründet
ſeyn, wenn man etwa den jetztlebenden Frauen ein erwor-
benes Recht auf die bisher beſeſſene ausgedehntere Hand-
lungsfähigkeit zuſchreiben, und die Wirkſamkeit des beſchrän-
kenden neuen Geſetzes auf die künftige weibliche Generation
einſchränken wollte.
3. Bei der Infamie iſt die hier behandelte Frage
gleichfalls aufgeworfen worden (i).
Die meiſten und wichtigſten Fälle derſelben gehören
nicht in den Kreis unſerer Unterſuchung, die ſich auf das
Privatrecht beſchränkt und das Strafrecht ausſchließt; ich
meine alle die Fälle, in welchen die Infamie als Criminal-
ſtrafe erſcheint, ſey es allein, oder in Verbindung mit an-
deren Strafen, vielleicht auch als Folge anderer Strafen.
Es könnte hier davon die Frage ſeyn etwa in Anwen-
dung auf manche Fälle der ſogenannten infamia immediata,
wohin das Römiſche Recht mehrere Arten von unzüchtigen
(h) Chabot T. 2 p. 350—
353.
(i) Ich habe oben, B. 2 § 83,
zu zeigen geſucht, daß die Infamie
für unſer heutiges gemeines Recht
keine Geltung mehr habe. Die
gegenwärtige Erwähnung derſel-
ben bezieht ſich alſo theils auf
die abweichende Meinung Anderer
über dieſen Punkt, theils auf
neuere Geſetzgebungen, worin die
Infamie anerkannt iſt.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/440>, abgerufen am 24.07.2024.
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