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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Diesen Weg hat in der That das Preußische Gesetz einge-
schlagen (c). Ich halte aber diese Vorschrift für einen
Mißgriff, und glaube, daß, wo ein solches Gesetz nicht
besteht, gerade das Gegentheil nach allgemeinen Grundsätzen
angenommen werden muß.

Der erwähnten Vorschrift scheint die Ansicht zum Grunde
zu liegen, die positiven Formen der Rechtsgeschäfte seyen
Beschränkungen der individuellen Freiheit zum Vortheil des
öffentlichen Wohls, etwa so, wie die Staatsabgaben, die
der Staat, ohne Rechtsverletzung, nicht blos im Allge-
meinen herabsetzen, sondern auch dem Einzelnen schenkungs-
weise erlassen kann. Diese Ansicht kann nur etwa zugegeben
werden für die mit manchen Rechtsgeschäften verbundene
Stempelabgabe, und auch da nur, in sofern der Gebrauch
des Stempelpapiers als Bedingung der Gültigkeit des Ge-
schäfts vorgeschrieben seyn sollte; für alle andern Formen
ist diese Ansicht unwahr, wie sich aus folgendem Beispiel
ergeben wird.

Wenn gegenwärtig in Berlin ein eigenhändig geschrie-
benes Privattestament errichtet wird, so ist Dieses eine
unwirksame Handlung, aus welcher, bei dem Tode des
Testators, keine Rechte entspringen. Wird aber vor seinem
Tode die Französische Testamentsform eingeführt, nach

(c) Allg. L. R. Einleit. § 17.
"Frühere Handlungen, welche, we-
gen eines Mangels an Förmlich-
keit, nach den alten Gesetzen un-
gültig seyn würden, sind gültig,
in sofern nur die nach den neu-
ern Gesetzen erforderlichen Förm-
lichkeiten, zur Zeit des darüber
entstandenen Streites, dabei ange-
troffen werden."

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen.
Dieſen Weg hat in der That das Preußiſche Geſetz einge-
ſchlagen (c). Ich halte aber dieſe Vorſchrift für einen
Mißgriff, und glaube, daß, wo ein ſolches Geſetz nicht
beſteht, gerade das Gegentheil nach allgemeinen Grundſätzen
angenommen werden muß.

Der erwähnten Vorſchrift ſcheint die Anſicht zum Grunde
zu liegen, die poſitiven Formen der Rechtsgeſchäfte ſeyen
Beſchränkungen der individuellen Freiheit zum Vortheil des
öffentlichen Wohls, etwa ſo, wie die Staatsabgaben, die
der Staat, ohne Rechtsverletzung, nicht blos im Allge-
meinen herabſetzen, ſondern auch dem Einzelnen ſchenkungs-
weiſe erlaſſen kann. Dieſe Anſicht kann nur etwa zugegeben
werden für die mit manchen Rechtsgeſchäften verbundene
Stempelabgabe, und auch da nur, in ſofern der Gebrauch
des Stempelpapiers als Bedingung der Gültigkeit des Ge-
ſchäfts vorgeſchrieben ſeyn ſollte; für alle andern Formen
iſt dieſe Anſicht unwahr, wie ſich aus folgendem Beiſpiel
ergeben wird.

Wenn gegenwärtig in Berlin ein eigenhändig geſchrie-
benes Privatteſtament errichtet wird, ſo iſt Dieſes eine
unwirkſame Handlung, aus welcher, bei dem Tode des
Teſtators, keine Rechte entſpringen. Wird aber vor ſeinem
Tode die Franzöſiſche Teſtamentsform eingeführt, nach

(c) Allg. L. R. Einleit. § 17.
„Frühere Handlungen, welche, we-
gen eines Mangels an Förmlich-
keit, nach den alten Geſetzen un-
gültig ſeyn würden, ſind gültig,
in ſofern nur die nach den neu-
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lichkeiten, zur Zeit des darüber
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troffen werden.“
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[410/0432] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. II. Zeitliche Gränzen. Dieſen Weg hat in der That das Preußiſche Geſetz einge- ſchlagen (c). Ich halte aber dieſe Vorſchrift für einen Mißgriff, und glaube, daß, wo ein ſolches Geſetz nicht beſteht, gerade das Gegentheil nach allgemeinen Grundſätzen angenommen werden muß. Der erwähnten Vorſchrift ſcheint die Anſicht zum Grunde zu liegen, die poſitiven Formen der Rechtsgeſchäfte ſeyen Beſchränkungen der individuellen Freiheit zum Vortheil des öffentlichen Wohls, etwa ſo, wie die Staatsabgaben, die der Staat, ohne Rechtsverletzung, nicht blos im Allge- meinen herabſetzen, ſondern auch dem Einzelnen ſchenkungs- weiſe erlaſſen kann. Dieſe Anſicht kann nur etwa zugegeben werden für die mit manchen Rechtsgeſchäften verbundene Stempelabgabe, und auch da nur, in ſofern der Gebrauch des Stempelpapiers als Bedingung der Gültigkeit des Ge- ſchäfts vorgeſchrieben ſeyn ſollte; für alle andern Formen iſt dieſe Anſicht unwahr, wie ſich aus folgendem Beiſpiel ergeben wird. Wenn gegenwärtig in Berlin ein eigenhändig geſchrie- benes Privatteſtament errichtet wird, ſo iſt Dieſes eine unwirkſame Handlung, aus welcher, bei dem Tode des Teſtators, keine Rechte entſpringen. Wird aber vor ſeinem Tode die Franzöſiſche Teſtamentsform eingeführt, nach (c) Allg. L. R. Einleit. § 17. „Frühere Handlungen, welche, we- gen eines Mangels an Förmlich- keit, nach den alten Geſetzen un- gültig ſeyn würden, ſind gültig, in ſofern nur die nach den neu- ern Geſetzen erforderlichen Förm- lichkeiten, zur Zeit des darüber entſtandenen Streites, dabei ange- troffen werden.“

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/432>, abgerufen am 23.11.2024.