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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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§. 380. V. Familienrecht. C. Vormundschaft.
ten (h). -- Vorzüglich schwankend ist die Praxis in den
Ländern des Englischen Rechts, indem in diesen theilweise
besondere Vormundschaften bestellt werden, nicht blos über
das unbewegliche, sondern auch über das bewegliche, aus-
wärts liegende Vermögen (i).

Zweitens aber kann, selbst ohne Rücksicht auf die ört-
liche Lage des Vermögens, das individuelle Bedürfniß eine
eingreifende Aenderung in den aufgestellten Grundsatz recht-
fertigen, besonders wenn, nach den Familienverhältnissen,
dem letzten Wohnsitz des Vaters kein Einfluß zuzuschreiben
ist auf den künftigen Zustand der Mündel. Ein aus dem
wirklichen Leben entnommener Fall wird diese Behauptung
anschaulich machen. Ein Familienvater starb in seinem
Wohnsitz Bonn, wo der Sitz seines Vermögens, insbeson-
dere mehrerer Grundstücke, war. Die Kinder verlegten so-
gleich, nach den Bestimmungen des väterlichen Testaments,
ihren Wohnsitz zu einer entfernten Verwandten außerhalb
des Preußischen Staats. Gleichfalls das Testament hatte
die Vormundschaft einem Einwohner von Berlin aus per-
sönlichem Vertrauen, und mit sehr freier Verwaltung, über-
tragen. Nach dem oben aufgestellten Grundsatz hätte die
Vormundschaft in Bonn, nach Französischem Recht, errich-
tet und geführt werden müssen. Allein das Justizministe-
rium, als höchste vormundschaftliche Aufsichtsbehörde des

(h) Vertrag mit Königreich Sachsen 1839 Art. 15, gleichlautend
mit anderen Staaten. (S. o. § 348).
(i) Schäffner § 41.
Story §. 492 fg.

§. 380. V. Familienrecht. C. Vormundſchaft.
ten (h). — Vorzüglich ſchwankend iſt die Praxis in den
Ländern des Engliſchen Rechts, indem in dieſen theilweiſe
beſondere Vormundſchaften beſtellt werden, nicht blos über
das unbewegliche, ſondern auch über das bewegliche, aus-
wärts liegende Vermögen (i).

Zweitens aber kann, ſelbſt ohne Rückſicht auf die ört-
liche Lage des Vermögens, das individuelle Bedürfniß eine
eingreifende Aenderung in den aufgeſtellten Grundſatz recht-
fertigen, beſonders wenn, nach den Familienverhältniſſen,
dem letzten Wohnſitz des Vaters kein Einfluß zuzuſchreiben
iſt auf den künftigen Zuſtand der Mündel. Ein aus dem
wirklichen Leben entnommener Fall wird dieſe Behauptung
anſchaulich machen. Ein Familienvater ſtarb in ſeinem
Wohnſitz Bonn, wo der Sitz ſeines Vermögens, insbeſon-
dere mehrerer Grundſtücke, war. Die Kinder verlegten ſo-
gleich, nach den Beſtimmungen des väterlichen Teſtaments,
ihren Wohnſitz zu einer entfernten Verwandten außerhalb
des Preußiſchen Staats. Gleichfalls das Teſtament hatte
die Vormundſchaft einem Einwohner von Berlin aus per-
ſönlichem Vertrauen, und mit ſehr freier Verwaltung, über-
tragen. Nach dem oben aufgeſtellten Grundſatz hätte die
Vormundſchaft in Bonn, nach Franzöſiſchem Recht, errich-
tet und geführt werden müſſen. Allein das Juſtizminiſte-
rium, als höchſte vormundſchaftliche Aufſichtsbehörde des

(h) Vertrag mit Königreich Sachſen 1839 Art. 15, gleichlautend
mit anderen Staaten. (S. o. § 348).
(i) Schäffner § 41.
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[343/0365] §. 380. V. Familienrecht. C. Vormundſchaft. ten (h). — Vorzüglich ſchwankend iſt die Praxis in den Ländern des Engliſchen Rechts, indem in dieſen theilweiſe beſondere Vormundſchaften beſtellt werden, nicht blos über das unbewegliche, ſondern auch über das bewegliche, aus- wärts liegende Vermögen (i). Zweitens aber kann, ſelbſt ohne Rückſicht auf die ört- liche Lage des Vermögens, das individuelle Bedürfniß eine eingreifende Aenderung in den aufgeſtellten Grundſatz recht- fertigen, beſonders wenn, nach den Familienverhältniſſen, dem letzten Wohnſitz des Vaters kein Einfluß zuzuſchreiben iſt auf den künftigen Zuſtand der Mündel. Ein aus dem wirklichen Leben entnommener Fall wird dieſe Behauptung anſchaulich machen. Ein Familienvater ſtarb in ſeinem Wohnſitz Bonn, wo der Sitz ſeines Vermögens, insbeſon- dere mehrerer Grundſtücke, war. Die Kinder verlegten ſo- gleich, nach den Beſtimmungen des väterlichen Teſtaments, ihren Wohnſitz zu einer entfernten Verwandten außerhalb des Preußiſchen Staats. Gleichfalls das Teſtament hatte die Vormundſchaft einem Einwohner von Berlin aus per- ſönlichem Vertrauen, und mit ſehr freier Verwaltung, über- tragen. Nach dem oben aufgeſtellten Grundſatz hätte die Vormundſchaft in Bonn, nach Franzöſiſchem Recht, errich- tet und geführt werden müſſen. Allein das Juſtizminiſte- rium, als höchſte vormundſchaftliche Aufſichtsbehörde des (h) Vertrag mit Königreich Sachſen 1839 Art. 15, gleichlautend mit anderen Staaten. (S. o. § 348). (i) Schäffner § 41. Story §. 492 fg.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/365>, abgerufen am 24.11.2024.