Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite
§ 375. IV. Erbrecht.
§. 375.
IV. Erbrecht.

Wir haben zunächst für das Erbrecht, so wie es für an-
dere Rechtsinstitute bereits geschehen ist, zu untersuchen,
welchem örtlichen Recht dasselbe nach seiner besonderen Na-
tur angehört, also wo es seinen eigentlichen Sitz hat (§ 360).
Um Dieses zu erkennen, müssen wir zurücksehen auf die
oben angedeutete Natur des Erbrechts (B. 1 § 57). Es
besteht in dem Uebergang eines Vermögens, bei dem Tode
des Inhabers, auf andere Personen. Darin liegt eine
künstliche Erstreckung der Macht, also auch des Willens,
eines Menschen über die Gränze des Lebens hinaus, wel-
cher fortwirkende Wille bald ein ausdrücklicher seyn kann
(in dem Testament), bald ein stillschweigender (in der In-
testaterbfolge) (a). Dieses Verhältniß nun schließt sich ganz
und unmittelbar an die Person des Verstorbenen an, ge-
rade so, wie es oben von der Rechtsfähigkeit bemerkt wor-
den ist (§ 362), und wie es späterhin bei der Familie ge-
zeigt werden wird. Ist nun diese Auffassung der Sache
richtig, so muß behauptet werden, daß das Erbrecht sich
im Allgemeinen richtet nach dem örtlichen Recht des Wohn-
sitzes, welchen der Verstorbene zur Zeit seines Todes

(a) Diese zweite Art des fortwirkenden Willens steht zugleich in
Zusammenhang mit der Fortsetzung der Individualität des Menschen
durch die Verwandtschaft, s. o. B. 1 § 53.
§ 375. IV. Erbrecht.
§. 375.
IV. Erbrecht.

Wir haben zunächſt für das Erbrecht, ſo wie es für an-
dere Rechtsinſtitute bereits geſchehen iſt, zu unterſuchen,
welchem örtlichen Recht daſſelbe nach ſeiner beſonderen Na-
tur angehört, alſo wo es ſeinen eigentlichen Sitz hat (§ 360).
Um Dieſes zu erkennen, müſſen wir zurückſehen auf die
oben angedeutete Natur des Erbrechts (B. 1 § 57). Es
beſteht in dem Uebergang eines Vermögens, bei dem Tode
des Inhabers, auf andere Perſonen. Darin liegt eine
künſtliche Erſtreckung der Macht, alſo auch des Willens,
eines Menſchen über die Gränze des Lebens hinaus, wel-
cher fortwirkende Wille bald ein ausdrücklicher ſeyn kann
(in dem Teſtament), bald ein ſtillſchweigender (in der In-
teſtaterbfolge) (a). Dieſes Verhältniß nun ſchließt ſich ganz
und unmittelbar an die Perſon des Verſtorbenen an, ge-
rade ſo, wie es oben von der Rechtsfähigkeit bemerkt wor-
den iſt (§ 362), und wie es ſpäterhin bei der Familie ge-
zeigt werden wird. Iſt nun dieſe Auffaſſung der Sache
richtig, ſo muß behauptet werden, daß das Erbrecht ſich
im Allgemeinen richtet nach dem örtlichen Recht des Wohn-
ſitzes, welchen der Verſtorbene zur Zeit ſeines Todes

(a) Dieſe zweite Art des fortwirkenden Willens ſteht zugleich in
Zuſammenhang mit der Fortſetzung der Individualität des Menſchen
durch die Verwandtſchaft, ſ. o. B. 1 § 53.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0317" n="295"/>
          <fw place="top" type="header">§ 375. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Erbrecht.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 375.<lb/><hi rendition="#aq">IV.</hi> <hi rendition="#g">Erbrecht</hi>.</head><lb/>
            <p>Wir haben zunäch&#x017F;t für das Erbrecht, &#x017F;o wie es für an-<lb/>
dere Rechtsin&#x017F;titute bereits ge&#x017F;chehen i&#x017F;t, zu unter&#x017F;uchen,<lb/>
welchem örtlichen Recht da&#x017F;&#x017F;elbe nach &#x017F;einer be&#x017F;onderen Na-<lb/>
tur angehört, al&#x017F;o wo es &#x017F;einen eigentlichen Sitz hat (§ 360).<lb/>
Um Die&#x017F;es zu erkennen, mü&#x017F;&#x017F;en wir zurück&#x017F;ehen auf die<lb/>
oben angedeutete Natur des Erbrechts (B. 1 § 57). Es<lb/>
be&#x017F;teht in dem Uebergang eines Vermögens, bei dem Tode<lb/>
des Inhabers, auf andere Per&#x017F;onen. Darin liegt eine<lb/>
kün&#x017F;tliche Er&#x017F;treckung der Macht, al&#x017F;o auch des Willens,<lb/>
eines Men&#x017F;chen über die Gränze des Lebens hinaus, wel-<lb/>
cher fortwirkende Wille bald ein ausdrücklicher &#x017F;eyn kann<lb/>
(in dem Te&#x017F;tament), bald ein &#x017F;till&#x017F;chweigender (in der In-<lb/>
te&#x017F;taterbfolge) <note place="foot" n="(a)">Die&#x017F;e zweite Art des fortwirkenden Willens &#x017F;teht zugleich in<lb/>
Zu&#x017F;ammenhang mit der Fort&#x017F;etzung der Individualität des Men&#x017F;chen<lb/>
durch die Verwandt&#x017F;chaft, &#x017F;. o. B. 1 § 53.</note>. Die&#x017F;es Verhältniß nun &#x017F;chließt &#x017F;ich ganz<lb/>
und unmittelbar an die Per&#x017F;on des Ver&#x017F;torbenen an, ge-<lb/>
rade &#x017F;o, wie es oben von der Rechtsfähigkeit bemerkt wor-<lb/>
den i&#x017F;t (§ 362), und wie es &#x017F;päterhin bei der Familie ge-<lb/>
zeigt werden wird. I&#x017F;t nun die&#x017F;e Auffa&#x017F;&#x017F;ung der Sache<lb/>
richtig, &#x017F;o muß behauptet werden, daß das Erbrecht &#x017F;ich<lb/>
im Allgemeinen richtet nach dem örtlichen Recht des Wohn-<lb/>
&#x017F;itzes, welchen der Ver&#x017F;torbene zur Zeit &#x017F;eines Todes<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[295/0317] § 375. IV. Erbrecht. §. 375. IV. Erbrecht. Wir haben zunächſt für das Erbrecht, ſo wie es für an- dere Rechtsinſtitute bereits geſchehen iſt, zu unterſuchen, welchem örtlichen Recht daſſelbe nach ſeiner beſonderen Na- tur angehört, alſo wo es ſeinen eigentlichen Sitz hat (§ 360). Um Dieſes zu erkennen, müſſen wir zurückſehen auf die oben angedeutete Natur des Erbrechts (B. 1 § 57). Es beſteht in dem Uebergang eines Vermögens, bei dem Tode des Inhabers, auf andere Perſonen. Darin liegt eine künſtliche Erſtreckung der Macht, alſo auch des Willens, eines Menſchen über die Gränze des Lebens hinaus, wel- cher fortwirkende Wille bald ein ausdrücklicher ſeyn kann (in dem Teſtament), bald ein ſtillſchweigender (in der In- teſtaterbfolge) (a). Dieſes Verhältniß nun ſchließt ſich ganz und unmittelbar an die Perſon des Verſtorbenen an, ge- rade ſo, wie es oben von der Rechtsfähigkeit bemerkt wor- den iſt (§ 362), und wie es ſpäterhin bei der Familie ge- zeigt werden wird. Iſt nun dieſe Auffaſſung der Sache richtig, ſo muß behauptet werden, daß das Erbrecht ſich im Allgemeinen richtet nach dem örtlichen Recht des Wohn- ſitzes, welchen der Verſtorbene zur Zeit ſeines Todes (a) Dieſe zweite Art des fortwirkenden Willens ſteht zugleich in Zuſammenhang mit der Fortſetzung der Individualität des Menſchen durch die Verwandtſchaft, ſ. o. B. 1 § 53.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/317
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/317>, abgerufen am 27.11.2024.