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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
reden überhaupt aufgestellt worden ist, wird bei der Ver-
jährung noch dadurch bestätigt, daß die verschiedenen Gründe,
worauf dieselbe beruht, mit dem Wesen der Obligation selbst
in Zusammenhang stehen (t). Diese Meinung ist denn
auch zu allen Zeiten von nicht wenigen Schriftstellern als
richtig anerkannt worden (u).

Diese Lehre ist aber auch nicht blos grundsätzlich richtig,
sondern sie empfiehlt sich zugleich durch eine gewisse Billig-
keit, indem durch die aus ihr folgende feste Bestimmung
des Verjährungsgesetzes jede einseitige Willkür einer Partei
zum Nachtheil des Gegners ausgeschlossen wird. So kann
nun nicht etwa bei concurrirenden Gerichtsständen der Klä-
ger gerade den Ort zur Klage aussuchen, an welchem die
längste Verjährungszeit gilt. Eben so kann umgekehrt nicht
der Beklagte durch willkürliche Verlegung des Wohnsitzes
an einen Ort von kurzer Verjährung den Vortheil dersel-
ben sich zuwenden, indem für die am vorigen Wohnsitz von
ihm contrahirte Schuld das örtliche Recht, so wie der be-
sondere Gerichtsstand der Obligation, unabänderlich festge-

(t) S. o. B. 5 § 237.
(u) Hert. § 65. Schäffner
§ 87. Wächter II. S. 408--412,
wo auch noch andere Schriftsteller
angeführt werden. Es versteht
sich von selbst, daß die hier be-
hauptete Uebereinstimmung nur von
dem Grundsatz gilt, nicht von allen
Anwendungen; denn das örtliche
Recht der Obligation wird ja eben
von diesen Schriftstellern nicht auf
gleiche Weise bestimmt. -- Der
Grundsatz ist auch anerkannt in
einem Urtheil des Berliner Revi-
sionshofs von 1843. Seuffert
Archiv B. 2 Num. 120. -- Für das
Preußische Recht stimmen bei:
Koch I. S. 133 Note 23. Bor-
nemann
I. S. 65.

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
reden überhaupt aufgeſtellt worden iſt, wird bei der Ver-
jährung noch dadurch beſtätigt, daß die verſchiedenen Gründe,
worauf dieſelbe beruht, mit dem Weſen der Obligation ſelbſt
in Zuſammenhang ſtehen (t). Dieſe Meinung iſt denn
auch zu allen Zeiten von nicht wenigen Schriftſtellern als
richtig anerkannt worden (u).

Dieſe Lehre iſt aber auch nicht blos grundſätzlich richtig,
ſondern ſie empfiehlt ſich zugleich durch eine gewiſſe Billig-
keit, indem durch die aus ihr folgende feſte Beſtimmung
des Verjährungsgeſetzes jede einſeitige Willkür einer Partei
zum Nachtheil des Gegners ausgeſchloſſen wird. So kann
nun nicht etwa bei concurrirenden Gerichtsſtänden der Klä-
ger gerade den Ort zur Klage ausſuchen, an welchem die
längſte Verjährungszeit gilt. Eben ſo kann umgekehrt nicht
der Beklagte durch willkürliche Verlegung des Wohnſitzes
an einen Ort von kurzer Verjährung den Vortheil derſel-
ben ſich zuwenden, indem für die am vorigen Wohnſitz von
ihm contrahirte Schuld das örtliche Recht, ſo wie der be-
ſondere Gerichtsſtand der Obligation, unabänderlich feſtge-

(t) S. o. B. 5 § 237.
(u) Hert. § 65. Schäffner
§ 87. Wächter II. S. 408—412,
wo auch noch andere Schriftſteller
angeführt werden. Es verſteht
ſich von ſelbſt, daß die hier be-
hauptete Uebereinſtimmung nur von
dem Grundſatz gilt, nicht von allen
Anwendungen; denn das örtliche
Recht der Obligation wird ja eben
von dieſen Schriftſtellern nicht auf
gleiche Weiſe beſtimmt. — Der
Grundſatz iſt auch anerkannt in
einem Urtheil des Berliner Revi-
ſionshofs von 1843. Seuffert
Archiv B. 2 Num. 120. — Für das
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I. S. 65.
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[274/0296] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen. reden überhaupt aufgeſtellt worden iſt, wird bei der Ver- jährung noch dadurch beſtätigt, daß die verſchiedenen Gründe, worauf dieſelbe beruht, mit dem Weſen der Obligation ſelbſt in Zuſammenhang ſtehen (t). Dieſe Meinung iſt denn auch zu allen Zeiten von nicht wenigen Schriftſtellern als richtig anerkannt worden (u). Dieſe Lehre iſt aber auch nicht blos grundſätzlich richtig, ſondern ſie empfiehlt ſich zugleich durch eine gewiſſe Billig- keit, indem durch die aus ihr folgende feſte Beſtimmung des Verjährungsgeſetzes jede einſeitige Willkür einer Partei zum Nachtheil des Gegners ausgeſchloſſen wird. So kann nun nicht etwa bei concurrirenden Gerichtsſtänden der Klä- ger gerade den Ort zur Klage ausſuchen, an welchem die längſte Verjährungszeit gilt. Eben ſo kann umgekehrt nicht der Beklagte durch willkürliche Verlegung des Wohnſitzes an einen Ort von kurzer Verjährung den Vortheil derſel- ben ſich zuwenden, indem für die am vorigen Wohnſitz von ihm contrahirte Schuld das örtliche Recht, ſo wie der be- ſondere Gerichtsſtand der Obligation, unabänderlich feſtge- (t) S. o. B. 5 § 237. (u) Hert. § 65. Schäffner § 87. Wächter II. S. 408—412, wo auch noch andere Schriftſteller angeführt werden. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß die hier be- hauptete Uebereinſtimmung nur von dem Grundſatz gilt, nicht von allen Anwendungen; denn das örtliche Recht der Obligation wird ja eben von dieſen Schriftſtellern nicht auf gleiche Weiſe beſtimmt. — Der Grundſatz iſt auch anerkannt in einem Urtheil des Berliner Revi- ſionshofs von 1843. Seuffert Archiv B. 2 Num. 120. — Für das Preußiſche Recht ſtimmen bei: Koch I. S. 133 Note 23. Bor- nemann I. S. 65.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/296>, abgerufen am 17.05.2024.