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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

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Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln.
Sinne hier jene Verbindung (Herrschaft, Unterwerfung)
zu denken ist (a).

Die Rechtsregeln sollen herrschen über die Rechtsver-
hältnisse; welches ist aber das Gebiet ihrer Herrschaft?
Ueber welche Rechtsverhältnisse sollen sie herrschen? Diese
Frage erhält ihren bestimmten Sinn zunächst durch die
Natur des positiven Rechts, welches nicht etwa eines und
dasselbe ist für die Menschheit im Ganzen, sondern ein, je
nach Völkern und Staaten, besonderes und verschiedenes;
in jedem einzelnen Volke aber theils aus allgemein mensch-
lichen, theils aus eigenthümlichen rechtsbildenden Kräften
entspringend. Diese Mannichfaltigkeit der positiven Rechte
ist es, woraus das Bedürfniß und die Wichtigkeit hervor-
geht, für jedes positive Recht das Gebiet seiner Herrschaft
zu bestimmen, das heißt, die Gränzen zu ziehen zwischen den
verschiedenen positiven Rechten gegen einander. Nur durch
diese Gränzbestimmung wird es möglich, über jede denkbare
Collision zu entscheiden, die in der Beurtheilung eines ge-
gebenen Rechtsverhältnisses zwischen verschiedenen positiven
Rechten eintreten kann.

Um zu den hier aufgeworfenen Fragen und ihrer Be-
antwortung zu gelangen, kann man nun auch den umge-
kehrten Weg einschlagen. Es liegt uns ein Rechtsverhält-
niß vor, als Gegenstand unsrer Beurtheilung. Wir suchen
dafür eine Rechtsregel auf, unter deren Herrschaft dasselbe

(a) Die Grundlage der gegenwärtigen Untersuchung, insbesondere
der hier aufgestellten Begriffe, findet sich oben B. 1 § 4--9 § 15.

Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln.
Sinne hier jene Verbindung (Herrſchaft, Unterwerfung)
zu denken iſt (a).

Die Rechtsregeln ſollen herrſchen über die Rechtsver-
hältniſſe; welches iſt aber das Gebiet ihrer Herrſchaft?
Ueber welche Rechtsverhältniſſe ſollen ſie herrſchen? Dieſe
Frage erhält ihren beſtimmten Sinn zunächſt durch die
Natur des poſitiven Rechts, welches nicht etwa eines und
daſſelbe iſt für die Menſchheit im Ganzen, ſondern ein, je
nach Völkern und Staaten, beſonderes und verſchiedenes;
in jedem einzelnen Volke aber theils aus allgemein menſch-
lichen, theils aus eigenthümlichen rechtsbildenden Kräften
entſpringend. Dieſe Mannichfaltigkeit der poſitiven Rechte
iſt es, woraus das Bedürfniß und die Wichtigkeit hervor-
geht, für jedes poſitive Recht das Gebiet ſeiner Herrſchaft
zu beſtimmen, das heißt, die Gränzen zu ziehen zwiſchen den
verſchiedenen poſitiven Rechten gegen einander. Nur durch
dieſe Gränzbeſtimmung wird es möglich, über jede denkbare
Colliſion zu entſcheiden, die in der Beurtheilung eines ge-
gebenen Rechtsverhältniſſes zwiſchen verſchiedenen poſitiven
Rechten eintreten kann.

Um zu den hier aufgeworfenen Fragen und ihrer Be-
antwortung zu gelangen, kann man nun auch den umge-
kehrten Weg einſchlagen. Es liegt uns ein Rechtsverhält-
niß vor, als Gegenſtand unſrer Beurtheilung. Wir ſuchen
dafür eine Rechtsregel auf, unter deren Herrſchaft daſſelbe

(a) Die Grundlage der gegenwärtigen Unterſuchung, insbeſondere
der hier aufgeſtellten Begriffe, findet ſich oben B. 1 § 4—9 § 15.
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[2/0024] Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Sinne hier jene Verbindung (Herrſchaft, Unterwerfung) zu denken iſt (a). Die Rechtsregeln ſollen herrſchen über die Rechtsver- hältniſſe; welches iſt aber das Gebiet ihrer Herrſchaft? Ueber welche Rechtsverhältniſſe ſollen ſie herrſchen? Dieſe Frage erhält ihren beſtimmten Sinn zunächſt durch die Natur des poſitiven Rechts, welches nicht etwa eines und daſſelbe iſt für die Menſchheit im Ganzen, ſondern ein, je nach Völkern und Staaten, beſonderes und verſchiedenes; in jedem einzelnen Volke aber theils aus allgemein menſch- lichen, theils aus eigenthümlichen rechtsbildenden Kräften entſpringend. Dieſe Mannichfaltigkeit der poſitiven Rechte iſt es, woraus das Bedürfniß und die Wichtigkeit hervor- geht, für jedes poſitive Recht das Gebiet ſeiner Herrſchaft zu beſtimmen, das heißt, die Gränzen zu ziehen zwiſchen den verſchiedenen poſitiven Rechten gegen einander. Nur durch dieſe Gränzbeſtimmung wird es möglich, über jede denkbare Colliſion zu entſcheiden, die in der Beurtheilung eines ge- gebenen Rechtsverhältniſſes zwiſchen verſchiedenen poſitiven Rechten eintreten kann. Um zu den hier aufgeworfenen Fragen und ihrer Be- antwortung zu gelangen, kann man nun auch den umge- kehrten Weg einſchlagen. Es liegt uns ein Rechtsverhält- niß vor, als Gegenſtand unſrer Beurtheilung. Wir ſuchen dafür eine Rechtsregel auf, unter deren Herrſchaft daſſelbe (a) Die Grundlage der gegenwärtigen Unterſuchung, insbeſondere der hier aufgeſtellten Begriffe, findet ſich oben B. 1 § 4—9 § 15.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/24>, abgerufen am 20.04.2024.