Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 368. II. Sachenrecht. Jura in re.

Unter den verschiedenen Ländern nun, welche im Ganzen
das Römische Recht befolgen, kommen gerade im Pfand-
recht, neben der eben dargestellten gemeinsamen Grundlage,
manche untergeordnete Abweichungen vor. Hauptsächlich
betreffen diese den Umfang des stillschweigenden Pfandrechts,
welches, je nach den einzelnen Landesgesetzgebungen, bald
mehr bald weniger Fälle von Obligationen umfaßt, die
mit der Fiction eines Pfandvertrages verbunden seyn sollen.

Gesetzt nun, es sey von zwei, das Römische Recht im
Ganzen befolgenden, Ländern die Rede. In dem einen
gelte auch die Regel des Römischen Rechts, nach welchem
das Versprechen, eine Brautgabe zu bestellen, stets durch
stillschweigende Verpfändung des ganzen Vermögens ge-
sichert ist (f); in dem anderen Lande sey diese Regel auf-
gehoben. Wenn nun zwei Einwohner jenes ersten Landes
einen solchen Dotalvertrag schließen, der Schuldner aber
besitzt in dem zweiten Lande ein Grundstück, so fragt es
sich, ob dieses Grundstück dem stillschweigenden Pfandrecht
unterworfen sey. Man könnte diese Frage verneinen wollen,
indem man die lex rei sitae zur Anwendung brächte; aber
mit Unrecht. Denn auch das zweite Land erkennt die
Möglichkeit einer Verpfändung durch bloßen Vertrag, und
selbst durch stillschweigenden Vertrag, an. Ob nun im
vorliegenden Fall ein solcher Pfandvertrag vorhanden ist,
das ist eine thatsächliche Frage, die nur nach demjenigen

(f) L. un § 1 C. de rei ux. act. (5. 13).
VIII. 13
§. 368. II. Sachenrecht. Jura in re.

Unter den verſchiedenen Ländern nun, welche im Ganzen
das Römiſche Recht befolgen, kommen gerade im Pfand-
recht, neben der eben dargeſtellten gemeinſamen Grundlage,
manche untergeordnete Abweichungen vor. Hauptſächlich
betreffen dieſe den Umfang des ſtillſchweigenden Pfandrechts,
welches, je nach den einzelnen Landesgeſetzgebungen, bald
mehr bald weniger Fälle von Obligationen umfaßt, die
mit der Fiction eines Pfandvertrages verbunden ſeyn ſollen.

Geſetzt nun, es ſey von zwei, das Römiſche Recht im
Ganzen befolgenden, Ländern die Rede. In dem einen
gelte auch die Regel des Römiſchen Rechts, nach welchem
das Verſprechen, eine Brautgabe zu beſtellen, ſtets durch
ſtillſchweigende Verpfändung des ganzen Vermögens ge-
ſichert iſt (f); in dem anderen Lande ſey dieſe Regel auf-
gehoben. Wenn nun zwei Einwohner jenes erſten Landes
einen ſolchen Dotalvertrag ſchließen, der Schuldner aber
beſitzt in dem zweiten Lande ein Grundſtück, ſo fragt es
ſich, ob dieſes Grundſtück dem ſtillſchweigenden Pfandrecht
unterworfen ſey. Man könnte dieſe Frage verneinen wollen,
indem man die lex rei sitae zur Anwendung brächte; aber
mit Unrecht. Denn auch das zweite Land erkennt die
Möglichkeit einer Verpfändung durch bloßen Vertrag, und
ſelbſt durch ſtillſchweigenden Vertrag, an. Ob nun im
vorliegenden Fall ein ſolcher Pfandvertrag vorhanden iſt,
das iſt eine thatſächliche Frage, die nur nach demjenigen

(f) L. un § 1 C. de rei ux. act. (5. 13).
VIII. 13
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0215" n="193"/>
            <fw place="top" type="header">§. 368. <hi rendition="#aq">II.</hi> Sachenrecht. <hi rendition="#aq">Jura in re.</hi></fw><lb/>
            <p>Unter den ver&#x017F;chiedenen Ländern nun, welche im Ganzen<lb/>
das Römi&#x017F;che Recht befolgen, kommen gerade im Pfand-<lb/>
recht, neben der eben darge&#x017F;tellten gemein&#x017F;amen Grundlage,<lb/>
manche untergeordnete Abweichungen vor. Haupt&#x017F;ächlich<lb/>
betreffen die&#x017F;e den Umfang des &#x017F;till&#x017F;chweigenden Pfandrechts,<lb/>
welches, je nach den einzelnen Landesge&#x017F;etzgebungen, bald<lb/>
mehr bald weniger Fälle von Obligationen umfaßt, die<lb/>
mit der Fiction eines Pfandvertrages verbunden &#x017F;eyn &#x017F;ollen.</p><lb/>
            <p>Ge&#x017F;etzt nun, es &#x017F;ey von zwei, das Römi&#x017F;che Recht im<lb/>
Ganzen befolgenden, Ländern die Rede. In dem einen<lb/>
gelte auch die Regel des Römi&#x017F;chen Rechts, nach welchem<lb/>
das Ver&#x017F;prechen, eine Brautgabe zu be&#x017F;tellen, &#x017F;tets durch<lb/>
&#x017F;till&#x017F;chweigende Verpfändung des ganzen Vermögens ge-<lb/>
&#x017F;ichert i&#x017F;t <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L. un</hi> § 1 <hi rendition="#i">C. de rei ux. act.</hi></hi> (5. 13).</note>; in dem anderen Lande &#x017F;ey die&#x017F;e Regel auf-<lb/>
gehoben. Wenn nun zwei Einwohner jenes er&#x017F;ten Landes<lb/>
einen &#x017F;olchen Dotalvertrag &#x017F;chließen, der Schuldner aber<lb/>
be&#x017F;itzt in dem zweiten Lande ein Grund&#x017F;tück, &#x017F;o fragt es<lb/>
&#x017F;ich, ob die&#x017F;es Grund&#x017F;tück dem &#x017F;till&#x017F;chweigenden Pfandrecht<lb/>
unterworfen &#x017F;ey. Man könnte die&#x017F;e Frage verneinen wollen,<lb/>
indem man die <hi rendition="#aq">lex rei sitae</hi> zur Anwendung brächte; aber<lb/>
mit Unrecht. Denn auch das zweite Land erkennt die<lb/>
Möglichkeit einer Verpfändung durch bloßen Vertrag, und<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t durch &#x017F;till&#x017F;chweigenden Vertrag, an. Ob nun im<lb/>
vorliegenden Fall ein &#x017F;olcher Pfandvertrag vorhanden i&#x017F;t,<lb/>
das i&#x017F;t eine that&#x017F;ächliche Frage, die nur nach demjenigen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">VIII.</hi> 13</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0215] §. 368. II. Sachenrecht. Jura in re. Unter den verſchiedenen Ländern nun, welche im Ganzen das Römiſche Recht befolgen, kommen gerade im Pfand- recht, neben der eben dargeſtellten gemeinſamen Grundlage, manche untergeordnete Abweichungen vor. Hauptſächlich betreffen dieſe den Umfang des ſtillſchweigenden Pfandrechts, welches, je nach den einzelnen Landesgeſetzgebungen, bald mehr bald weniger Fälle von Obligationen umfaßt, die mit der Fiction eines Pfandvertrages verbunden ſeyn ſollen. Geſetzt nun, es ſey von zwei, das Römiſche Recht im Ganzen befolgenden, Ländern die Rede. In dem einen gelte auch die Regel des Römiſchen Rechts, nach welchem das Verſprechen, eine Brautgabe zu beſtellen, ſtets durch ſtillſchweigende Verpfändung des ganzen Vermögens ge- ſichert iſt (f); in dem anderen Lande ſey dieſe Regel auf- gehoben. Wenn nun zwei Einwohner jenes erſten Landes einen ſolchen Dotalvertrag ſchließen, der Schuldner aber beſitzt in dem zweiten Lande ein Grundſtück, ſo fragt es ſich, ob dieſes Grundſtück dem ſtillſchweigenden Pfandrecht unterworfen ſey. Man könnte dieſe Frage verneinen wollen, indem man die lex rei sitae zur Anwendung brächte; aber mit Unrecht. Denn auch das zweite Land erkennt die Möglichkeit einer Verpfändung durch bloßen Vertrag, und ſelbſt durch ſtillſchweigenden Vertrag, an. Ob nun im vorliegenden Fall ein ſolcher Pfandvertrag vorhanden iſt, das iſt eine thatſächliche Frage, die nur nach demjenigen (f) L. un § 1 C. de rei ux. act. (5. 13). VIII. 13

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/215
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/215>, abgerufen am 04.05.2024.