Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 366. II. Sachenrecht. Gemeinsame Regeln.
Wohnsitzes maaßgebend sein für die dinglichen Rechte, so
würde in einem solchen Fall der Zweifel übrig bleiben,
welcher Wohnsitz zu entscheiden hätte. Dieser Zweifel ver-
schwindet von selbst durch den Vorzug der lex rei sitae,
die stets eine einfache, ausschließende Natur hat.

Der hier aufgestellte Grundsatz hat denn auch im All-
gemeinen von jeher Anerkennung gefunden, und es steht
damit in Verbindung der oben erwähnte Begriff der Real-
statuten
(§ 361 Nr. 1.), durch welchen eben ausgedrückt
werden sollte, daß die Gesetze, welche zunächst und haupt-
sächlich über das Recht an Sachen Verfügung treffen, an-
zuwenden seyen auf alle im Gebiet dieses Gesetzgebers lie-
gende Sachen, ohne Rücksicht darauf, ob einheimische oder
fremde Personen zu diesen Sachen in Beziehung treten
möchten. Jedoch wurde lange Zeit hindurch die Anerken-
nung dieser richtigen Lehre durch folgende willkürliche Unter-
scheidung verkümmert, die ihr alle innere Haltung und
Consequenz entzog. Der Grundsatz sollte nämlich nur gel-
ten in Anwendung auf unbewegliche Sachen; dagegen
sollten die beweglichen beurtheilt werden, nicht nach der
lex rei sitae, sondern nach der lex domicilii, indem vermöge
einer Fiction angenommen werden müsse, daß bewegliche
Sachen, auch wenn sie anderwärts sich befänden, doch so
angesehen werden müßten, als befänden sie sich an dem
Wohnsitz der Person (e).


(e) Neuere Schriftsteller be-
zeichnen nicht selten diese Ansicht
durch die Formel: mobilia ossibus
inhaerent,
und zwar in solcher

§. 366. II. Sachenrecht. Gemeinſame Regeln.
Wohnſitzes maaßgebend ſein für die dinglichen Rechte, ſo
würde in einem ſolchen Fall der Zweifel übrig bleiben,
welcher Wohnſitz zu entſcheiden hätte. Dieſer Zweifel ver-
ſchwindet von ſelbſt durch den Vorzug der lex rei sitae,
die ſtets eine einfache, ausſchließende Natur hat.

Der hier aufgeſtellte Grundſatz hat denn auch im All-
gemeinen von jeher Anerkennung gefunden, und es ſteht
damit in Verbindung der oben erwähnte Begriff der Real-
ſtatuten
(§ 361 Nr. 1.), durch welchen eben ausgedrückt
werden ſollte, daß die Geſetze, welche zunächſt und haupt-
ſächlich über das Recht an Sachen Verfügung treffen, an-
zuwenden ſeyen auf alle im Gebiet dieſes Geſetzgebers lie-
gende Sachen, ohne Rückſicht darauf, ob einheimiſche oder
fremde Perſonen zu dieſen Sachen in Beziehung treten
möchten. Jedoch wurde lange Zeit hindurch die Anerken-
nung dieſer richtigen Lehre durch folgende willkürliche Unter-
ſcheidung verkümmert, die ihr alle innere Haltung und
Conſequenz entzog. Der Grundſatz ſollte nämlich nur gel-
ten in Anwendung auf unbewegliche Sachen; dagegen
ſollten die beweglichen beurtheilt werden, nicht nach der
lex rei sitae, ſondern nach der lex domicilii, indem vermöge
einer Fiction angenommen werden müſſe, daß bewegliche
Sachen, auch wenn ſie anderwärts ſich befänden, doch ſo
angeſehen werden müßten, als befänden ſie ſich an dem
Wohnſitz der Perſon (e).


(e) Neuere Schriftſteller be-
zeichnen nicht ſelten dieſe Anſicht
durch die Formel: mobilia ossibus
inhaerent,
und zwar in ſolcher
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0193" n="171"/><fw place="top" type="header">§. 366. <hi rendition="#aq">II.</hi> Sachenrecht. Gemein&#x017F;ame Regeln.</fw><lb/>
Wohn&#x017F;itzes maaßgebend &#x017F;ein für die dinglichen Rechte, &#x017F;o<lb/>
würde in einem &#x017F;olchen Fall der Zweifel übrig bleiben,<lb/>
welcher Wohn&#x017F;itz zu ent&#x017F;cheiden hätte. Die&#x017F;er Zweifel ver-<lb/>
&#x017F;chwindet von &#x017F;elb&#x017F;t durch den Vorzug der <hi rendition="#aq">lex rei sitae,</hi><lb/>
die &#x017F;tets eine einfache, aus&#x017F;chließende Natur hat.</p><lb/>
            <p>Der hier aufge&#x017F;tellte Grund&#x017F;atz hat denn auch im All-<lb/>
gemeinen von jeher Anerkennung gefunden, und es &#x017F;teht<lb/>
damit in Verbindung der oben erwähnte Begriff der <hi rendition="#g">Real-<lb/>
&#x017F;tatuten</hi> (§ 361 Nr. 1.), durch welchen eben ausgedrückt<lb/>
werden &#x017F;ollte, daß die Ge&#x017F;etze, welche zunäch&#x017F;t und haupt-<lb/>
&#x017F;ächlich über das Recht an Sachen Verfügung treffen, an-<lb/>
zuwenden &#x017F;eyen auf alle im Gebiet die&#x017F;es Ge&#x017F;etzgebers lie-<lb/>
gende Sachen, ohne Rück&#x017F;icht darauf, ob einheimi&#x017F;che oder<lb/>
fremde Per&#x017F;onen zu die&#x017F;en Sachen in Beziehung treten<lb/>
möchten. Jedoch wurde lange Zeit hindurch die Anerken-<lb/>
nung die&#x017F;er richtigen Lehre durch folgende willkürliche Unter-<lb/>
&#x017F;cheidung verkümmert, die ihr alle innere Haltung und<lb/>
Con&#x017F;equenz entzog. Der Grund&#x017F;atz &#x017F;ollte nämlich nur gel-<lb/>
ten in Anwendung auf <hi rendition="#g">unbewegliche</hi> Sachen; dagegen<lb/>
&#x017F;ollten die <hi rendition="#g">beweglichen</hi> beurtheilt werden, nicht nach der<lb/><hi rendition="#aq">lex rei sitae,</hi> &#x017F;ondern nach der <hi rendition="#aq">lex domicilii,</hi> indem vermöge<lb/>
einer Fiction angenommen werden mü&#x017F;&#x017F;e, daß bewegliche<lb/>
Sachen, auch wenn &#x017F;ie anderwärts &#x017F;ich befänden, doch &#x017F;o<lb/>
ange&#x017F;ehen werden müßten, als befänden &#x017F;ie &#x017F;ich an dem<lb/>
Wohn&#x017F;itz der Per&#x017F;on <note xml:id="seg2pn_14_1" next="#seg2pn_14_2" place="foot" n="(e)">Neuere Schrift&#x017F;teller be-<lb/>
zeichnen nicht &#x017F;elten die&#x017F;e An&#x017F;icht<lb/>
durch die Formel: <hi rendition="#aq">mobilia ossibus<lb/>
inhaerent,</hi> und zwar in &#x017F;olcher</note>.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0193] §. 366. II. Sachenrecht. Gemeinſame Regeln. Wohnſitzes maaßgebend ſein für die dinglichen Rechte, ſo würde in einem ſolchen Fall der Zweifel übrig bleiben, welcher Wohnſitz zu entſcheiden hätte. Dieſer Zweifel ver- ſchwindet von ſelbſt durch den Vorzug der lex rei sitae, die ſtets eine einfache, ausſchließende Natur hat. Der hier aufgeſtellte Grundſatz hat denn auch im All- gemeinen von jeher Anerkennung gefunden, und es ſteht damit in Verbindung der oben erwähnte Begriff der Real- ſtatuten (§ 361 Nr. 1.), durch welchen eben ausgedrückt werden ſollte, daß die Geſetze, welche zunächſt und haupt- ſächlich über das Recht an Sachen Verfügung treffen, an- zuwenden ſeyen auf alle im Gebiet dieſes Geſetzgebers lie- gende Sachen, ohne Rückſicht darauf, ob einheimiſche oder fremde Perſonen zu dieſen Sachen in Beziehung treten möchten. Jedoch wurde lange Zeit hindurch die Anerken- nung dieſer richtigen Lehre durch folgende willkürliche Unter- ſcheidung verkümmert, die ihr alle innere Haltung und Conſequenz entzog. Der Grundſatz ſollte nämlich nur gel- ten in Anwendung auf unbewegliche Sachen; dagegen ſollten die beweglichen beurtheilt werden, nicht nach der lex rei sitae, ſondern nach der lex domicilii, indem vermöge einer Fiction angenommen werden müſſe, daß bewegliche Sachen, auch wenn ſie anderwärts ſich befänden, doch ſo angeſehen werden müßten, als befänden ſie ſich an dem Wohnſitz der Perſon (e). (e) Neuere Schriftſteller be- zeichnen nicht ſelten dieſe Anſicht durch die Formel: mobilia ossibus inhaerent, und zwar in ſolcher

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/193
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/193>, abgerufen am 03.05.2024.