Wohnsitzes maaßgebend sein für die dinglichen Rechte, so würde in einem solchen Fall der Zweifel übrig bleiben, welcher Wohnsitz zu entscheiden hätte. Dieser Zweifel ver- schwindet von selbst durch den Vorzug der lex rei sitae, die stets eine einfache, ausschließende Natur hat.
Der hier aufgestellte Grundsatz hat denn auch im All- gemeinen von jeher Anerkennung gefunden, und es steht damit in Verbindung der oben erwähnte Begriff der Real- statuten (§ 361 Nr. 1.), durch welchen eben ausgedrückt werden sollte, daß die Gesetze, welche zunächst und haupt- sächlich über das Recht an Sachen Verfügung treffen, an- zuwenden seyen auf alle im Gebiet dieses Gesetzgebers lie- gende Sachen, ohne Rücksicht darauf, ob einheimische oder fremde Personen zu diesen Sachen in Beziehung treten möchten. Jedoch wurde lange Zeit hindurch die Anerken- nung dieser richtigen Lehre durch folgende willkürliche Unter- scheidung verkümmert, die ihr alle innere Haltung und Consequenz entzog. Der Grundsatz sollte nämlich nur gel- ten in Anwendung auf unbewegliche Sachen; dagegen sollten die beweglichen beurtheilt werden, nicht nach der lex rei sitae, sondern nach der lex domicilii, indem vermöge einer Fiction angenommen werden müsse, daß bewegliche Sachen, auch wenn sie anderwärts sich befänden, doch so angesehen werden müßten, als befänden sie sich an dem Wohnsitz der Person (e).
(e) Neuere Schriftsteller be- zeichnen nicht selten diese Ansicht durch die Formel: mobilia ossibus inhaerent, und zwar in solcher
§. 366. II. Sachenrecht. Gemeinſame Regeln.
Wohnſitzes maaßgebend ſein für die dinglichen Rechte, ſo würde in einem ſolchen Fall der Zweifel übrig bleiben, welcher Wohnſitz zu entſcheiden hätte. Dieſer Zweifel ver- ſchwindet von ſelbſt durch den Vorzug der lex rei sitae, die ſtets eine einfache, ausſchließende Natur hat.
Der hier aufgeſtellte Grundſatz hat denn auch im All- gemeinen von jeher Anerkennung gefunden, und es ſteht damit in Verbindung der oben erwähnte Begriff der Real- ſtatuten (§ 361 Nr. 1.), durch welchen eben ausgedrückt werden ſollte, daß die Geſetze, welche zunächſt und haupt- ſächlich über das Recht an Sachen Verfügung treffen, an- zuwenden ſeyen auf alle im Gebiet dieſes Geſetzgebers lie- gende Sachen, ohne Rückſicht darauf, ob einheimiſche oder fremde Perſonen zu dieſen Sachen in Beziehung treten möchten. Jedoch wurde lange Zeit hindurch die Anerken- nung dieſer richtigen Lehre durch folgende willkürliche Unter- ſcheidung verkümmert, die ihr alle innere Haltung und Conſequenz entzog. Der Grundſatz ſollte nämlich nur gel- ten in Anwendung auf unbewegliche Sachen; dagegen ſollten die beweglichen beurtheilt werden, nicht nach der lex rei sitae, ſondern nach der lex domicilii, indem vermöge einer Fiction angenommen werden müſſe, daß bewegliche Sachen, auch wenn ſie anderwärts ſich befänden, doch ſo angeſehen werden müßten, als befänden ſie ſich an dem Wohnſitz der Perſon (e).
(e) Neuere Schriftſteller be- zeichnen nicht ſelten dieſe Anſicht durch die Formel: mobilia ossibus inhaerent, und zwar in ſolcher
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§. 366. II. Sachenrecht. Gemeinſame Regeln.
Wohnſitzes maaßgebend ſein für die dinglichen Rechte, ſo
würde in einem ſolchen Fall der Zweifel übrig bleiben,
welcher Wohnſitz zu entſcheiden hätte. Dieſer Zweifel ver-
ſchwindet von ſelbſt durch den Vorzug der lex rei sitae,
die ſtets eine einfache, ausſchließende Natur hat.
Der hier aufgeſtellte Grundſatz hat denn auch im All-
gemeinen von jeher Anerkennung gefunden, und es ſteht
damit in Verbindung der oben erwähnte Begriff der Real-
ſtatuten (§ 361 Nr. 1.), durch welchen eben ausgedrückt
werden ſollte, daß die Geſetze, welche zunächſt und haupt-
ſächlich über das Recht an Sachen Verfügung treffen, an-
zuwenden ſeyen auf alle im Gebiet dieſes Geſetzgebers lie-
gende Sachen, ohne Rückſicht darauf, ob einheimiſche oder
fremde Perſonen zu dieſen Sachen in Beziehung treten
möchten. Jedoch wurde lange Zeit hindurch die Anerken-
nung dieſer richtigen Lehre durch folgende willkürliche Unter-
ſcheidung verkümmert, die ihr alle innere Haltung und
Conſequenz entzog. Der Grundſatz ſollte nämlich nur gel-
ten in Anwendung auf unbewegliche Sachen; dagegen
ſollten die beweglichen beurtheilt werden, nicht nach der
lex rei sitae, ſondern nach der lex domicilii, indem vermöge
einer Fiction angenommen werden müſſe, daß bewegliche
Sachen, auch wenn ſie anderwärts ſich befänden, doch ſo
angeſehen werden müßten, als befänden ſie ſich an dem
Wohnſitz der Perſon (e).
(e) Neuere Schriftſteller be-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/193>, abgerufen am 23.11.2024.
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